Quelle: tagesschau.de
Greenpeace besorgt
Radioaktives Wasser in der Champagne?
In der Nähe von Frankreichs weltberühmter Champagner-Anbauregion sickert möglicherweise flüssiger Atommüll ins Grundwasser. Laut einem Bericht von Greenpeace seien die Weinberge akut bedroht. Im Umkreis von zehn Kilometern rund um die Atommüll-Aufbereitungsanlage in Soulaines habe die Umweltschutzorganisation radioaktiv verseuchtes Grundwasser entdeckt, hieß es in dem Bericht. Bereits vor einer Woche hatte die französische Atombehörde einen Defekt an der Anlage in der Champagne zugegeben - allerdings seien keine Umweltschäden entstanden. Der französische Senat beschäftigte sich in diese Woche mit einer Gesetzesvorlage, nach der Atommüll künftig in versiegelten Spezialcontainern tief in der Erde vergraben werden soll.
Von Lisa Huth, ARD-Hörfunkstudio Paris
Der Öffentlichkeit bekannt wurde das Problem erst diese Woche: Greenpeace-Aktivisten schenkten den Senatoren im französischen Parlament je eine Flasche mit radioaktiv gefülltem Wasser: Entnommen aus der Umgebung des früheren Atommülllagers am Ärmelkanal. Thomas Breuer von Greenpeace sagte dem ARD-Hörfunkstudio Paris: "Wir haben selber Proben in der Normandie genommen. Da gibt es auch eine Abfallhalde der Andra, die 1994 geschlossen wurde. Und da ist das Grundwasser sehr hoch kontaminiert."
Andra ist die nationale Behörde, die für den Atommüll in Frankreich zuständig ist, also auch für die Atommülllagerstätten in der Champagne und am Ärmelkanal. Als die geschlossen wurde, wurde die Genehmigung für eine Anlage in der Champagne nur unter der Vereinbarung gegeben, dass an dieser Stelle keine Radioaktivität austreten dürfe. Am Zentrum in La Hague, sagte Andra-Sprecher Jean-Christophe Bardy weiter, seien tatsächlich radioaktiv erhöhte Werte fest gestellt worden. Da es aber dort unter anderem vor 30 Jahren einen Unfall gegeben habe, sei allein deswegen die Umgebung bereits höher kontaminiert als in Soulaines in der Champagne - Greenpeace spricht von 750 Becquerel pro Liter Wasser. Außerdem, so Bardy, habe man aus den Fehlern vom Ärmelkanal gelernt und in der Champagne zum Beispiel eine ganz andere Isolierung gewählt.
"Eine geringe Kontaminierung ist erlaubt""Der Skandal ist, dass überhaupt Radioaktivität frei gesetzt wird", sagt Greenpeace-Mann Breuer. "Noch nicht in so hohem Maße, dass schon die Ernte bedroht ist, aber in der Müllkippe soll eines Tages eine Million Kubikmeter Atommüll gelagert werden. Derzeit sind es 100.000." 13 bis 17 Becquerel beträgt die Radioaktivität pro Liter Wasser, das hat die Atommüllbehörde Andra selbst auf ihrer Webseite veröffentlicht. Andra-Sprecher Bardy erklärt, der ursprüngliche Vertrag sei verändert worden. Heute sei eine ganz geringe Kontaminierung erlaubt. Wie hoch der Grenzwert ist, sagte Bardy nicht, er werde aber noch nicht überschritten. Der europäische Grenzwert liegt bei 100 Becquerel pro Liter. Laut Greenpeace wird die Kontaminierung schon in wenigen Jahren darüber liegen.
Anlass für die Aktion von Greenpeace im französischen Senat ist das geplante Gesetz zur Behandlung radioaktiven Abfalls, das derzeit im Senat besprochen wird. Dabei geht es unter anderem um die unterirdische Lagerung von radioaktivem Abfall. Die Nationalversammlung hat das Gesetz bereits in erster Lesung verabschiedet. Ende des Jahres soll in zweiter Lösung endgültig abgestimmt werden. Greenpeace wirft der Atomindustrie vor, sie sei nicht in der Lage, ihren Müll sauber zu verwalten. Beweis sei der aktuelle Austritt von Radioaktivität im Atommülllager in der Champagne.