Anfang Dezember haben das Duo Joko & Klaas fünfzehn Minuten Sendezeit bei ProSieben, die sie in ihrer Spielshow zuvor gewonnen haben, genutzt, um die Thematik um das Coronavirus zu beleuchten und nochmals wichtigen Perspektiven Raum zu geben: Wir müssen über Corona reden. Das Video ist durchaus interessant, die ersten zwei Beiträge zeigen auf, wie arg das Virus zuschlagen kann.
Ist natürlich jetzt überspitzt gesagt, aber ich habe neulich irgendwo gelesen, dass eine Studentin von einem Mann mittleren Alters blöd angemacht wurde, nachdem sie drum gebeten hatte, dass er eine Maske im Zug anziehen soll (ob der Mann sie attackiert hat, weiß ich gerade nicht mehr).
Im September hat es sogar ein Tötungsdelikt in Zusammenhang mit der Maskenpflicht gegeben: https://www.tagesschau.de/inland/idar-oberstein-103.html
Auf der anderen Seite frag ich mich halt dann doch... 33% Ungeimpfte ist sehr hohe Zahl und deutliche mehr als ich jetzt der Querdenker-Bewegung z.B. zusprechen würde (ohne dafür Zahlen zu haben, die das unterstützen, das sagt mir jetzt eher mein Gefühl). Und da frag ich mich halt - was ist mit den ganzen Leuten, die man nicht gleich als Querdenker abstempeln kann? Wo sind da die Bedenken und wo ist da die Desinformation? Warum erreicht man diese Leute nicht mehr?
Ich hab da halt ehrlich gesagt keine Ahnung, aber ich hab da das Gefühl, dass das weniger mit einer schlechten Faktenlage oder mangelnden Aufklärungsmöglichkeiten zu tun hat, und eher mit einem generellen Misstrauen in unsere Regierung und die Politik der GroKo. Und das meine ich nicht mal viel anders als ein ganz klare Trotzhaltung alá: "Well, wenn die das wollen, nachdem die Corona verkackt haben, dann mach ich das nicht."
Ist halt nur schade, dass man diese Leute wohl augenscheinlich nicht mehr erreicht, obwohl man sie nicht direkt in eine radikale Ecke stecken kann. Irgendwas ist da mega schief gelaufen.
Dass einerseits Politikverdrossenheit zu der Trotzhaltung führt, den Nutzen der Impfung samt wissenschaftlichen Erkenntnissen zu bestreiten, weil die Politik diese gutheißt, scheint mir auch eine Erklärung für den schleppenden Anstieg der Impfquote zu sein. Zumindest deckt sich das damit, dass zum Beispiel in den neuen Bundesländern, die seit der Wiedervereinigung in verschiedener Hinsicht auf der Strecke geblieben sind, gute Wahlergebnisse der AfD mit einem großen Widerstand gegenüber der Impfung und den Maßnahmen einhergehen. Wenn man sich seit Jahren von der Politik vernachlässigt gefühlt hat und die eigenen Lebensumstände möglicherweise darunter gelitten haben, kann ich noch nachvollziehen, wieso man kein Interesse an einem Entgegenkommen hegt (sinnvoll ist das trotzdem nicht).
Andererseits trifft das nicht überall zu. Für mich ist der Faktor der Desinformation in dem Kontext daher nicht unerheblich. Selbst habe ich nämlich beobachten können, dass die Personen, die eine Impfung ablehnen oder Erkenntnisse über das Coronavirus anzweifeln (ohne fanatische Impfgegner oder Coronaleugner zu sein), große Schwierigkeiten haben, kritisch und reflektiert mit Informationen umzugehen und diese einzuordnen. Anhand von Einzelfällen zu pauschalisieren, ist natürlich problematisch, deshalb kann und will ich nur von meinen Eindrücken erzählen; mir zumindest ist jedoch noch niemand begegnet, der mir hier das Gegenteil hat beweisen können.
Da wird irgendeiner Behauptung über die Impfung und das Coronavirus, die über Facebook, Twitter, WhatsApp und Konsorten kursiert, ohne weitere Prüfung der Quellen Glaubwürdigkeit und Autorität zugesprochen. Eine Recherche von wenigen Sekunden online ergibt dagegen, dass es beispielsweise die Behauptung irgendeines Bauingenieurs ist, der keine fachliche Qualifikationen besitzt, um medizinische Themen überhaupt beurteilen zu können. Oder das Gerücht in der Ortschaft oder am Arbeitsplatz, der Cousin zweiten Grades des Freundes eines Bekannten sei ja wegen der Impfung gestorben, genügt als Grund, sich nicht impfen zu lassen. Todesfälle nach der Impfung werden plötzlich auf diese zurückgeführt, weil es offenbar für nicht mehr möglich gehalten wird, nach der Impfung an etwas anderem zu sterben; die Todeszahlen durch das Coronavirus werden gleichzeitig als übertrieben erachtet, hier gebe es zig andere Todesursachen, die angeblich nicht berücksichtigt werden. Oder man betrachtet das beschleunigte Zulassungsverfahren der Impfstoffe nach den gängigen hohen Standards als ein verkürztes mit gesenkten Standards und hat dadurch ein ungutes Bauchgefühl, auf das man lieber hört.
Inzwischen bittet mich mein Stiefvater beinahe täglich darum, Unsinn über die Impfung und das Coronavirus, den er wieder einmal von irgendeinem Kontakt (meist per WhatsApp) erhalten hat, zu prüfen und zu widerlegen, was dank der eigentlich guten Informationslage nicht mal ein großer Aufwand ist, seriöse Quellen sind mit wenigen Klicks binnen einiger Sekunden aufgespürt. Einzig haarsträubend ist es, wie absurd manches ist. Dazu wird dieser Unsinn von Personen verbreitet, die einen guten und festen Arbeitsplatz haben (oder vor der Rente hatten), sich mehrmals im Jahr Urlaub leisten können, eine gute Schulbildung genossen haben und grundsätzlich nicht doof sind. Kurzum: Warum diese Personen mit der Politik unzufrieden sein sollten, ist auf Anhieb nicht ersichtlich, ebenso wenig, woher die mangelnde Kompetenz im Umgang mit Desinformationen denn rührt. Da es sich teilweise sogar um Personen aus meiner Generation handelt oder um solche mit einem abgeschlossenen Studium, kann es weder allein eine Frage des Alters noch der Bildung sein.
Und Politikverdrossenheit hin oder her, wie kann man denken, von heute auf morgen mehr zu wissen als alle seriösen Experten weltweit, die ihr Leben der Erforschung entsprechender Themen gewidmet haben, vor dem Coronavirus warnen und die Impfung empfehlen?
Davon abgesehen: Diese Pandemie ist zwar wohl oder übel politisiert worden (leider hat sich gezeigt, es hilft schließlich wenig, auf die Eigenverantwortung der Bevölkerung zu vertrauen). Aber es geht letztlich um das eigene Umfeld und jeden Einzelnen: um Personen in der Verwandtschaft oder im Freundeskreis, die durch eine Vorerkrankung oder ähnliches ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf haben oder sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können; um die eigene Gesundheit und Zukunft. Egal, was die Politik will: Wer sich impfen lässt, handelt zunächst vor allem auch für sich selbst und, sofern vorhanden, für die, die ihm nahestehen. Mir scheint es schlicht zu kurz gedacht (und fahrlässig), das Wohl des Umfelds und gerade das eigene zu riskieren, um hier seinen Protest gegenüber der Politik auszudrücken ...?
Die Politik macht Fehler, dennoch ist und bleibt der Übeltäter das Coronavirus selbst. "Die da oben" wollen diesen Mist genauso wenig wie "wir da unten"; selbst wenn sich "die da oben" nicht um "uns" scheren würden, sondern bereichern wollen, klappt das in einem funktionierenden, laufenden System mit zufriedener Bevölkerung zweifellos besser als in einem, das von Einschränkungen gebeutelt wird und eine unzufriedene Bevölkerung hat. Oder nicht? Oft frage ich mich, ob solche Vorbehalte bis zum Ende überlegt werden, da ich früher oder später den Sinn dahinter vergeblich suche.
Tatsächlich hoffe ich persönlich auf ein härteres Durchgreifen der neuen Regierung im Hinblick auf Desinformation. Andernfalls habe ich die Sorge, dass dieser harte Kern der vehementen Impfgegner und Coronaleugner - den ich auch als nicht allzu umfangreich einschätzen würde - langfristig einen Teil der Bevölkerung erreichen und manipulieren kann, der schwankt, weil er mit der Lage und Informationsflut (?) offenbar überfordert ist. :(