Die Thematik um Religion, Glauben, Weltanschauung und Ethik sind wahnsinnig spannend und unglaublich vielschichtig, so dass es mir immer genauso schwer fällt konkret festzuhalten, ob, was und woran ich glaube wie dies auch entsprechend wiederzugeben.
Zunächst einmal fühle ich mich in keiner der großen Religion wirklich heimisch. Kulturell hat mich sicherlich das Christentum und darin gerade die katholische Kirche geprägt, bin ich als Kleinkind katholisch getauft und bis dato nicht aus der Kirche ausgetreten. Ich habe die erte Buße getan, die erste heilige Kommunion erhalten und fühle mich in Kirchen auch immer dazu verpflichtet, mir mit Weihwasser das Kreuzzeichen zu bezeichnen und in Gedanken "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes" zu rezitieren. Grundsätzlich habe ich in Kirchen, kirchlichen Einrichtungen oder unter katholisch-gläubigen Menschen ein starkes Zugehörigkeitsgefühl, dass sich mehr aus dem Anhaften kindlicher Erfahrungen speist als aus der Überzeugung zu diesem Glauben hin.
Diesen habe ich nämlich mitnichten. Ich studiere eine Naturwissenschaft, welche mir das rationale Denken, den Gedanken der Aufklärung und die analytische Denkweise nahelegt. Dementsprechend habe ich ein sehr nüchternes Weltbild, wenn es um die Frage nach Entstehung der Welt oder dem Einfluss eines Gottes oder einer sonstigen übernatürlichen Macht geht. Ich weiß es nicht, deswegen kann ich mit dieser Methodik nichts darüber aussagen.
Denoch unterscheide ich zwischen meiner rationalen, den Naturgesetzen unterworfenen Sichtweise und einer eher seelisch-emotional aufgefassten Weltsicht. Ich würde das mit verschiedenen Brillen vergleichen. Die Wirklichkeit als solche ist für mich weder mit der Naturwissenschaft noch mit dem Glauben zu erkennen. Wir haben nur verschiedene Möglichkeiten, die ein oder andere Sache zu betrachten. Das ganze Modell der Naturwissenschaften basiert auf einfachen Annahmen, Beobachtungen, Experimenten und Hypothesen. Wahrheit und Wirklichkeit sind nur im Rahmen gewisser Vorraussetzungen zu bestimmen, die wiederum durch neue Erkenntnisse verändert werden und demnach nie die ‚letzte Wahrheit' darstellen.
Ergo, geht es mir in meiner Hinwendung zum Glauben gar nicht darum, eine klare Erklärung für die Welt und die Vorgänge darin zu finden, sondern eher um gedankliche Konstrukte, die mir Bereicherung in meinem seelischen und emotionalen und zu Teilen auch im sozialen Leben bieten.
Für mich sind die meisten Religionen und Glaubenssysteme, genau das: Konstrukte einer Wirklichkeit, die es so gar nicht gibt. Aber genau daraus speist sich deren Kraft. Ich weiß nicht, ob jemand von euch das Zitat vom Tod aus Terry Pratchets Roman „Schweisgalopp“ kennt:
"Man muss an Dinge glauben, auch wenn sie nicht wahr sind, wie sollten sie sonst wahr werden?"
In gewisser Weise ist das der Kern meiner eigenen Anschauung. Ich möchte an Dinge glauben, an die es sich lohnt zu glauben: Liebe, Treue, Freundschaft, Loyalität, Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit, Weisheit, Hoffnung, Freundlichkeit, Toleranz, Frieden und Freiheit.
All diese Dinge kann keine Maschine der Welt messen, dennoch messe ich ihnen gewaltige Bedeutsamkeit in meinem Leben zu. Auch wenn die Welt ein trostloser, ungerechter von Kriegen und Lügen verwitterter Ort sein mag, so möchte ich an Hoffnung, Gerechtigkeit, Frieden und Aufrichtigkeit glauben. Einfach aus dem selbstsüchtigen Anspruch heraus, dass ich es anders wohl nicht ertragen könnte.
Und um den Wert dieser Dinge greifbarer zu machen, so glaube ich, dienen letztlich viele Religionen. Der Mensch denkt in Bildern, liebt Geschichten mehr als trockene Theorien und versteht Beispiele, Vergleiche besser als analytische Verallgemeinerungen. Ich denke, dass der Ursprung der Religion darin liegt, diese Werte zu vermitteln, um ein allgemeines Miteinander zu fördern, das Idealen folgt, die so nicht der Wirklichkeit entsprechen.
Was gar nicht negativ gemeint ist. Im Gegenteil, ich halte es wichtig, eine Vorstellung von einer besseren Welt zu haben, einer zukünftigen Welt in der wir gedenken zu leben. Auch die Rituale, die häufig mit Religionen einhergehen will ich nicht verteufeln sondern sehe deren Nutzen. Gemeinsame Zeichen und Bräuche geben ein Zusammenhörigkeitsgefühl, welches für den Zusammenhalt solcher Gruppierungen notwendig ist. Gemeinhin halte ich viel von Ritualen, nicht jener Art, wo Menschen oder Tiere geopfert werden sondern eher Gesten, Sprüche und Handlungen, die einer festgelegten Handlung folgen und einen hohen Symbolgehalt innehaben.
Auch Symbole haben in meinem Glaubensbild einen hohen Stellenwert, da sie grundlegende Zusammenhänge abstrahieren und in vielschichtiger Weise miteinander in Kombination bringen. Das führt mich zur Hochachtung vor allen Arten von Schrift, bildender Kunst und Musik, die in meinen Augen sowohl Teil dieses seelisch-emotionalen Glaubensprozess sind, als auch der Meinung, dass sich Inhalte des Glaubens durch diese darstellen lassen.
Wie und in welcher Form sich das realisiert hat, ist glaube ich maßgeblich von der Umwelt und den daraus resultierenden Faktoren bestimmt. Die Ursprünge solcher vielgestaltiger Religionen sehe ich in unterschiedlich kulturell geprägten Gegenden dieser Welt. Die Ausübungen, Bilder und Rituale sind somit von Volk zu Volk unterschiedlich, was letztlich zu genau der Entfremdung und den Grenzen führt, in welchem die verschiedenen Religionen einander als unüberwindbar sehen.