Die Gothickultur ist nun bald ein gutes Jahrzehnt mein ständiger Begleiter im Leben. Dies liegt vermutlich in erster Linie daran, dass die Grundbasis, menschlich gesehen, die Toleranteste ist, welche ich bisher in meinem Leben kennenelernen durfte. Als ich einst dort eingetaucht bin - auch durch den Einfluss von damals nahestehenden Personen, Zufällen und Ereignissen - war das für mich eine fremde wie faszinierende Welt. Dieses Gefühl plötzlich in einer gewissen Weise respektiert wie anerkannt zu werden, welches mir bis dato fremd war, ist auch heute noch eine Erinnerung, welche mein Herz bei jedem Denken höher schlagen lässt. Ich habe in all diesen Jahren so viele Tabus brechen sehen wie selbst gebrochen, was in der modernen und konservativ-geformen Gesellschaft einfach nicht möglich war. Es war, wie ein Siegel zu brechen, welches aus absurden Regeln, Bestimmungen und Einschränkungen der eigenen Persönlichkeit bestand.
Wenn ich ein Resümee ziehen sollte, so muss ich sagen, dass ich in dieser Kultur meine schönsten und auch aufregensten Erfahrungen gemacht habe, weshalb heute auch viel Herzblut da drin steckt un dein großer Teil meiner Überzeugungen und Einstellungen aus der Bewegung herrührt. Dieses Gefühl, bei gewissen "Sperrgebieten" im eigenen Gehirn nicht mehr allein zu sein, war wunderschön und ist es teilweise auch heute noch, obwohl die ganze Szene unter dem kommerziellen Wahn leidet. Vor rund einem Jahrzehnt begann Gothic leider mehr und mehr mainstream zu werden, große Majorlabels wie Fashionmarken suchten nach neuen Trends und da die breite Gesellschaft immer "pseudoböser" wurde , musste ein entsprechendes Image her, welches in der dunklen Welt des Gothic gefunden, geklaut und zum Großteil neuartig wie falsch vemarktet und somit der Masse öffentlich zugänglich gemacht wurde. Natürlich waltet mich dieses stets aufs Neue traurige Bild in Sorge, weshalb ich auch immer wieder gerne erkläre, dass ich lieber 20 oder sogar 30 Jahre füher geboren wäre, um so den Einstieg in eine heilere schwarze Welt hätte finden zu können. Ehrliche Zugehörigkeit ist da ein wichtiger Faktor, da bei den Menschen, die nach wie vor wirklich dahinter stehen, Mode und Auffallen zum Großteil noch immer als unwichtiger Faktor betrachtet wird.
Ich zB gelangte durch einen Mix aus Ereignissen, Verlusten, dem inneren Wunsch aus der Spießergesellschaft auszubrechen und der Affinität zu dunklen wie morbiden Texten und Themen in den Sog dieser Kultur. War damals noch die größte Herausforderung sich zum Einen in der Szene überhaupt zurechtzufinden und zum Anderen zu kapieren, dass man plötzlich keine Angst mehr vor Andersartigkeit haben muss, so bin ich heute vollumfänglich dabei und habe alle Phasen und Entwicklungen innerhalb der schwarzen Gemeinschaft durchlaufen.
So reicht mein Spektrum heute von traditionellem Gothicrock alt und neu, welchen ich heute als stärksten Einfluss beschreiben würde, wie Bauhaus (alt) und Shadow Reichenstein (neu), über klassischen Wave Marke John Foxx, Coldwave wie Lucie Cries, Bacave und Psychobilly wie New Days Delay und Nekromantix, Darkwave like Sopor Aeternus, Deutsche Dunkelmusik wie Stillste Stund, Neoklassik wie Der Blaue Reiter, die Urwurzeln wie Killing Joke, Crisis, Gloria Mundi, David Bowie und Joy Division, modernem dunklen Indie like Blacklist, Friedhofsschauermusik Marke Nox Arcana und Crossovern wie Adversus, Samsas Traum und Eden Weint im Grab. Da ich auch Industrial und EBM starke (vor allem in den 80ern) Verbindungen zur schwarzen Kultur haben, müssen hier auch Nitzer Ebb wie SPK stehen. Sowie die amerikanischen rockigeren Varianten wie Ministry und KMFDM. Abschließend darf auch guter moderne Futurepop-Sound nicht fehlen, auch wenn es da viele (schlechte) Nachahmer gibt. Aber The Dust Of Basement zB sind einfach großartig.
Lediglich der sich anschließenden Cyberkultur stehe ich im Groißteil abweisend gegenüber, auch wenn ich nach wie vor Künstler wie X-Fusion und :Wumpscut: schätze. Themen wie Saufen, Ficken, Aufreißen, Vollrausch und Partygetue war nie im Sinn der Bewegung. Da ändert auch ein BumBum-Text übr Kindesmissbrauch nichts, welcher meiner Meinung nach nur vom Saufgehabe ablenken will. Seit Jahren droht daher Oberflächigkeit mehr und mehr Einzug zu halten, was ich sehr besorgniserregend betrachte. Deshalb meide ich auch große "Gothic"-Parties, wo dann eh nur Aggrotch Marke Agonoize und Co. gespielt wird, und geselle mich lieber in Nischenclubs, wo die eigentliche schwarze Musik gespielt wird. Da kann dann auch mal ein Rammstein, Eisbrecher oder ASP Lied laufen, das passt scho xD. Zwar sind die Menschen der Gothickultur zumeist entgegen dem dem Klischee nicht ausschließlich manisch-depressiv oder stetig suzizidgefährdet und können sogar auch Party machen und ausgelassen tanzen, aber die allgemein herrschende Tiefgründigkeit könnte dadurch Schaden nehmen. Ich sehe es auf Festivals wie dem Amphi in Köln. Über die Hälfte der Besucher kleidet sich dort vermutlich nur alternativ aus modischen Gründen und weil man eben mitlaufen will. Eine wahre Ideologie und Überzeugung steckt da aber gar nicht mehr dahinter.
Die Gothickutlur war nie ein Massenmarkt, sonden stets eine Nische. Zu extrem, zu fremd und zu bizarr waren die Themen des Goths. Über Tod und Vergänglichkeit sowie psychische Krankheiten im Detail und innere Zerissenheit wollte eben niemand reden. Aber meiner Meinung nach gehören gerade diese Themen zum Lebensinhalt mehr denn je dazu. Es ist meiner Ansicht nach eine reliatische Sichtweise auf das ganze Leben, welches - seien wir einmal ehrlich - in der Regel von mehr schmerzvollen als glücklichen Momenten durchtränkt ist. Diese Erkenntnis und die damit verbundene Möglichkeit darüber zu diskutieren wie philosophieren ist ein starker Faktor, welcher die Bewegung so einzigartig, tiefgründig und nicht für Jedermann zugänglich macht. Eine Randbwegegung in der Konsum- und Kapitalistenwelt.
Und auch wenn mein Herz schwarz schlägt, so würde ich mich im Leben nicht als "Grufti" bezeichnen, da dies ein Schubladendenken ist, wovon ich nicht viel halte. Auch Jemand, der sich dieser Kultur nahe fühlt, hat das Recht, andere Musik zu hören und muss sein Leben nicht strikt nach einer Bewegung richten. Wichtig ist meiner Meinung nach nur, dass man sich selbst dennoch treu bleibt, und weiß, wo man sich hingezogen fühlt und sic nicht selbst etwas voheuchelt. Und natürlich die Kultur in Ihrer Originalität respektiert. Solange wie man sich Diesem bewusst ist, ist man frei nund unabhängig. Denn nichts hasse ich merh als blankes Mitläufertum, Marke "ich wollte mal sehen wie das so ist. Ui guck mal, die tragen ja alle schwarz, hihihihihihii". Bei einer alternativen Lebenseinstellung, welche auch mal zur Diskussion über extemeren Themen aufruft, als es der CDU-Konsument gewohnt ist, passt eben nicht jeder rein. Und das ist auch gut so.
An Tagen , wo ich morgens Staatsbürokratie in Reinform erleben darf mit den dazugehörigen engstirnigen Spießern, für die teilweise noch Homosexualität "Krankheiten sind" und Menschen mit Hang zur Depression "halt einfach mal in die Klapse geschickt werden sollten", Abends dafür aber in einem kleinen verrauchten Schwarzclub in familiärer Atmo, neben Menschen jenseits der 40 und Besuchern unter 20 mit Lockerheit und im "kleinem Kreis" tanzen gehen kann.....da merke ich einfach die Unterschiede. Diese Unterschiede im menschlichen Denken, was mich stets wieder aufs Neue fasziniert und wovon ich, der auch kein "normales" Leben hinter sich hat, sehr angetan bin. Natürlich dienen diese Abende auch dazu, nach einer 40-Stnden Arbeitswoche, umgeben von Tussen, Spießern und Machos, mal radikal auszubrechen. Gegenwärtig versuche ich auch, mich beruflich altenativ zu orientieren, da ich als gelernter Industriekaufmann eine ganze Liste an Demütigungen, SchwarzWeiss-denken und Scheinheiligkeit durchlebt habe und das nicht mehr will. Es ist ein Ausbruch. Ein Ausbruch aus der Ottonormalgesellschaft.
Obgleich meiner Lobpreisungen für die Gothickultur muss auch einmal ganz klar gesagt werden, dass es natürlich auch schwarze Schafe (haha) in der Bewegung gibt. Letztendlich sind wir alle Menschen, von grundauf egoistisch veranlagt, was mal mehr- und mal weniger herausscheint. Im Zuge der Kommerzialisierung der Szene haben diese auch leider zugenommen, ebenso wie inhaltslose Modepüppchen und partysüchtige Tussen auf Männerjagd.
Aber dennoch: Diese Grundtoleranz, diese Tiefgründigkeit. ..sie besteht (noch) nach wie vor. Und sie erfüllt mein Herz mit Freude. Ich merk es nicht nur an schwarzen Abenden wie gestern, sondern auch auf dem WGT-Festival, welches ich gern als "die tolle Tage m Jahr" bezeichne. Das WGT ist das letzte Festival seiner Art in Deutschland, welches einem noch einen originaltreuen Einblick in die Kultur gibt. Nicht nur vom musikalischen Medium (alle Genres der Gothickultur sind dort durch Bands und Künstler vertreten) aus gesehen, sondern auch durch entsprechende Lesungen, Filme, Märkte, Ausstellungen, Rollenspiele und Romantik. Das Festival besitzt noch diesen wahren Spirit und ich kann jedem überzeugten Schwarzträger nur empfehlen, diesem Event mal einen Besuch abzustatten, da mich dieses Szenario jedes Jahr wieder aufs neue sehr glücklich stimmt. Für eine knappe Woche hast du mal keine "Normalos" um dich herum, wenn man versteht, was ich meine. Und dieser Umstand erzeugt einfach eine außergewöhnliche Aura, mit welcher zumindest ich mich sehr frei fühle, was sonst nur selten im Jahr vorkommt.
Frei wie ein Vogel.....das bist du, wenn du Veränderungen zulässt, dir dabei aber stets selbst treu bleibst und dich nicht selbst verrätst. Das sind meine Erfahrungen.
Danke für's Lesen. :)
PS: Verzeihung für die Satzwiederholungen wie Wörter. Satzbau fail. =/ Ich hatte wenig Schlaf letzte Nacht. x__X