Spannend, über welche Kanäle man heute etwas über Philosophie lernen kann.
Ich bin ja noch so ein Oldie, der die Originale liest (bzw lesen musste weil Studium / Ethikkurse an der Schule) und ich finde es schwierig so abstrakt über 'den Stoizismus' zu reden.
Ich bin da ganz bei Ero - der Zusammenhang ist da sehr wichtig, die Autoren, die Zeit in der sie schrieben, die Werke auf die sie reagierten, usw. Es ist ja kein 'Thema' sondern wie der Titel so schön benennt: "Leben"sphilosophie. Etwas, dass gelebt werden soll.
Entfernung von Grunderfahrungen
genau das würde ich beim Stoizismus auch sofort unterschreiben. Es ist imho nicht immer gut, nur die bloßen Knochen anzuschaun, von denen das 'Fleisch' runtergeschabt wurde - ich bin jemand, der selbst begreifen und verstehen will, wie jemand zu einer Folgerung kommt. Jemand, der selbst auf die Nase fallen muss. (leider).
Das Ziel der Stoiker die 'Eudaimonia' (was soviel bedeutet wie ständige Glückseligkeit) halte ich für ein unterreichbares Ideal. Obwohl einige Elemente durchaus interessant sind und ich es verständlich finde weshalb spätere Autoren wie Nietzsche, Kant oder Descartes die Stoiker aufgegriffen haben, ist mir diese Philosophie zu leblos, zu trocken.
„Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben.“ - Epiktet
-das ist so ein typischer 'kluger' Spruch, der aber für mich keinen Gehalt hat. Denn die Handlung, die daraus folgt, wird nicht angesprochen. Ein 'es wäre super, wenn du endlich mal aufhören könntest Schiss davor zu haben, zu scheitern und einfach mal anfängst" bringt mich zumindest nicht in den Modus 'oh ja, jetzt packe ich die Herausforderungen meines Lebens an und höre auf Angst zu haben, weil das vor über 1000 Jahren ein alter, kluger Grieche gesagt hat'. Wirklich nicht.
Oder „Verlust ist nichts anderes als Verwandlung.“ Marc Aurel
Stimmt nicht, finde ich. Verlust tut weh, Verlust ist eine seelische Wunde die jahrelang Schmerzen kann und heilen muss, Verlust will (muss) betrauert werden. Wenn man das nicht tut (oder darf - Trauerzeit kennt die Gesellschaft heutzutage ja kaum noch, welcher Arzt schreibt einem denn bitte dafür ein Attest?) kann Verlust auch vernarben und einen ständig, täglich behindern. Der absolute Anspruch ist es oft, an dem ich mich beiße. Klar alles hat zwei Seiten und man soll nach Grautönen Ausschau halten aber nur das Gute sehen ... kann ich nicht mit meiner Intuition vereinbaren, es fühlt sich nicht richtig an. Ich brauche die Schwere, damit ich das Leichte wieder genießen, fühlen und leben kann.
Oder auch Marc Aurel. Ja er hat ein paar interessante Denkanstöße hinterlassen und ja ich hab auch das Reclamheft mit seinen Sprüchen zerfleddert durchs viele lesen. Aber ich stimme vielem nicht zu. Ich meine: „Wir müssen von ganzem Herzen alles, was uns trifft, willkommen heißen, wir dürfen auch innerlich nicht murren, ja nicht einmal uns wundern.“ Sorry Herr Aurel, wenn mir die Scheiße wieder bis zum Hals steht und ich einen Tag lang alle Menschen hasse weil mir nur Vollpfosten begegnen dann heiße ich das nicht willkommen. Fluchen ist nachweislich gesund für die Psyche. Ich denke nicht, dass es für irgendwen gesund ist sich zu verstellen. Höchstens bequemer für die Nachbarn. (und ja gut, ich hätte am liebsten auch morgens nicht gleich Kollegen die ne Fresse ziehen und nach Ärger suchen an der Backe - aber es können doch nicht alle Leute singend aus dem Bett hupfen.)
Ja, doch es ist durchaus erstrebenswert zu wissen welche Werte man verkörpert (oder um es mit Sophies Welt zu sagen: "Zu wissen wer man ist") viel wichtiger als alles, was andere gesagt/gedacht/philosophiert haben ist aber finde ich was meine eigenen Ziele sind und welche Herausforderungen mir die Welt jetzt entgegen wirft.
Ich werde nicht fasten, wenn ich die Energie für einen harten Knochenjob bitter benötige. Ist so.
Ich werde nicht täglich über mein Lebensende nachdenken, weil der Tod für mich einfach noch nie leichte Kost war und ich das Thema Sterben sehr intim finde und mich nicht mit meinen Bekanntschaften über die Bemalung meines Sargs unterhalten möchte.
Und ich werde so lange meinen Vermieter nerven und lauthals murren, bis ich die Reperaturen kriege, die mir zustehen.
Was man nicht vergessen darf - viele Philosophen konnten nur deswegen philophieren, weil sie relativ sorglos gelebt haben.
Aber was mich grad wirklich interessiert ist, welche Zitate, welche Texte verbindet ihr denn mit 'dem Stoizismus'? Woran denkt ihr da, was geht euch durch den Kopf? Und wollt ihr vielleicht was teilen, was euch anspricht? Man lernt ja nie aus.
"Die Philosophie lehrt handeln, nicht reden." da hat der Seneca zumindest Recht behalten. Handeln / Aktiv werden und Dankbarkeit sind ja auch in der modernen Verhaltenstherapie zentrale Pfeiler. Aber eben nicht nur.