Ich finde ja, das Thema und der Begriff Feminismus haben in den letzten Jahren völlig andere Züge und Vorstellungen angenommen - also in dem, was man sich darunter vorstellt. Das ist in meinen Augen eigentlich die größte Schwierigkeit in dieser Diskussion.
Wenn man jetzt mal von den typischen Männlein-Weiblein-Thematiken absieht, so hat der Begriff Feminismus oder die Idee dahinter, heutzutage scheinbar ein völlig anderes Gesicht bekommen.
Ich persönlich bin viel in sozialen Medien und Plattformen unterwegs, in denen das Thema oft auf die unterschiedlichsten Weisen aufgenommen und dargestellt wird.
Warum ich ausgerechnet von den Medien spreche?
Weil ich der Ansicht bin, dass eben diese Medien den aktuellen Begriff des Feminismus viel stärker in den letzten Jahren geprägt haben, als Gespräche unter Freunden oder in der Öffentlichkeit.
Aber der Subtext, der mir dabei immer wieder ins Gesicht schreit sind diese Kernaussagen:
- Feministen sind alle Femnazis! Die wollen doch alle Männer unterdrücken und regen
sich über jeden Klinkerlitz auf und nutzen jede Gelegenheit, um das Geltend zu machen! - Feminismus hat nichts mehr mit Gleichberechtigung zu tun, sondern nur noch damit,
Frauen an die Macht zu bringen! - Ich brauche keinen Feminismus, da ich auch so eine toughe, selbständige Frau bin!
oder:
- Ich brauche Feminismus, da ich über die Straße gehen will, egal bei welcher Tageszeit, und mich nicht davor fürchten möchte, überfallen oder vergewaltigt zu werden!
Das Erschütternde daran ist, dass, auch wenn diese Aussagen zunächst banal wirken, sie doch alle auf ihre Art einen wahren Kern besitzen. Fangen wir mal chronologisch an:
Fem-Nazis.
Ja, es gibt sogenannte Femnazis. Ja, es gibt junge und ältere Frauen, gerade in den sozialen Medien, die sich um nichts anderes kümmern, als jede Substanz, die sie in die Finger bekommen, darauf prüfen, ob sie zu sexistisch oder misogyn ist. Und damit meine ich wirklich ALLES. Besonders Medien wie Filme, Serien, Comics, die Darstellung von Frauen darin usf.
Eine Hochburg für solche Leute ist, (leider), die Plattform Tumblr. Der ein oder andere kennt es vielleicht schon, aber auf dieser Plattform tummelt es sich regelrecht an solchen Auftritten und Beiträgen. Dort wird wirklich alles zerrissen, was man auch nur ansatzweise zerreißen kann.
Selbst mir als Frau, die sich über originelle Ideen und Darstellungskonzepte in kreativen Medien freut, geht da vieles übers Ziel hinaus.
Ich kann es verstehen, wenn man sich darüber aufregt, dass Frauen in amerikanischen Comics (DC und Marvel) immer mit Sexbomben-Atombusen-Barbie-Figur dargestellt werden. Ja, diese Darstellung ist sexistisch, ja sie vermittelt kein gutes Vorbild für Frauen, denn laut dieser Darstellung heißt es:
"Wenn Du etwas großartiges erreichen willst, wenn du eine Heldin sein willst, musst Du auch mega sexy und fuckable aussehen!"
Und ja, ich kann verstehen, dass man solche Dinge als veränderungsbedürftig aufzeigt, und ja, ich fände es auch mal spannend, eine Heldin zu sehen, die nicht nur von ihrer konservativen Geschlechterrolle geprägt ist, und eindrucksvoll und liebenswert ist, ohne dass sie aussehen muss wie eine, Entschuldigung, Sexy Bitch.
Auch mich nervt es, dass es im Bereich Games vorrangig weibliche Charaktere gibt, die offensichtlich als Eye-Candy gestaltet wurden, deren "Rüstung" knapper als jeder Bikini ist, und eigentlich auch komplett ausgelassen werden kann.
Dementsprechend, wenn ich dann sehe, dass junge Leute, ob Mann oder Frau, hingehen und sagen, hey, das geht auch anders. Oder: Verdammt, dass MUSS mal anders gehen, dann ist das für mich lobenswert und ja, irgendwo auch pädagogisch wertvoll.
Die Grundansätze, die sich hinter solchen Beiträgen verbergen, sind also in solchen Angelegenheiten durchaus wertvoll.
Aber es gibt eben auch Leute, die maßlos übertreiben und den guten Willen dadurch in den Dreck ziehen.
Denn, seien wir mal ehrlich: Meistens sind es immer noch die Radikalen, oder die Negativ Auffallenden, die instinktiv als Aushängeschild benutzt werden.
Und ein weiteres Zugeständnis: Ja, auch Männerfiguren und Superhelden (als Beispiel) werden überzogen männlich, muskulös und "klassisch" dargestellt. Das ist für die Jungs ebenso blöd.
Ich wage nur zu behaupten, dass Frauen vielleicht einen Tacken mehr unter solchen Darstellungen zu leiden haben, da sie bis heute immer noch davon geprägt sind, dass ihr Wert als Mensch an ihrem Äußeren gemessen wird.
Das ändert sich zwar mittlerweile, aber man kann und darf nicht abstreiten, dass unsere Generation davon noch immer betroffen ist.
Natürlich machen alle Menschen das untereinander auf irgendeine Art und Weise. Aber seltener sind es Männer, die sich für Heidi Klum fast zu Tode hungern, und seltener sind es Männer, die danach beurteilt werden, ob sie ohne Schminke auch noch hübsch oder liebenswert sind, ob ihr Hintern noch knackig genug, ihre Haut noch faltenlos genug ist.
Gleichberechtigung VS Dominanz:
Wie oben bereits angedeutet, gibt es Frauen, die den Feminismus durchaus so repräsentieren, dass es den Anschein macht, als wollen sie die böse Männerwelt und die Patriarchie durchschlagen.
Ich bin kein Fan von solchen Leuten, da ich glaube, dass wir Mann und Frau (oder wie auch immer) dazu gedacht sind, gemeinsam und in Einklang auf diesem Planeten zu leben, und sich keiner von dem anderen unterdrückt fühlen sollte.
Man könnte nun sagen, Dominanz und Unterdrückung gehören zum menschlichen Naturell, gehören zur menschlichen Art, Hierachien und Macht geltend zu machen.
Darüber kann man debattieren, und man kann es auch erstmal als eine Art "menschliches" Merkmal betrachten.
Aber in dem Moment, in dem sich solche Dinge spezifisch auf ein Geschlecht, eine Minderheit, eine Subkultur oder ähnlich bezieht, darf man trotzdem nicht mehr von Gleichberechtigung sprechen.
Oder sagen wir es mal anders: Vielleicht nicht Gleichberechtigung im rechtlichen Sinne, aber im Sinne der Anerkennung und Wertschätzung als menschliches Wesen.
Und in dem Moment, wo dies nicht stattfindet, oder aus den Fugen gerät, Menschen Schaden zufügt wird, kann man sagen: Nein, so nicht.
Das bezieht sich auf Rassismus, Xenophobie und so vieles anderes.
Und wenn es eben um Geschlechter geht, darum dass Frauen weniger Lohn erhalten, darum, dass auf Grund ihres Geschlechts belächelt oder diskriminiert werden, dann sollte man auch sagen:
Ja, wir brauchen noch immer Gleichberechtigung. Ja, wir brauchen noch immer Feminismus.
Wir in Deutschland hatten uns ja zuletzt auch als super-gastfreundliches, offenes Land mit Willkommenskultur repräsentiert. Was haben wir nun? Diskriminierung, Rassismus, Angriffe auf Flüchtlinge, offene Demonstrationen, Gewalt & Gewaltbereitschaft.
Können wir also sagen, wir brauchen keinen Feminismus mehr? Ist jede Misogynie, jeder Chauvinismus so abwegig, dass man nicht mehr befürchten muss, dass Frauen darunter zu leiden hätten?
Werden keine Frauen mehr aufgrund ihres Geschlechtes benachteiligt, verlacht oder sogar angegriffen?
Mein Appell wäre, darüber nachzudenken. Denn solange man das nicht mit Ja und Amen bejahen kann, so lange steht der Bedarf nach Feminismus noch immer schwer im Raum.
Um es mal auf persönliches Ebene zu veranschaulichen:
Ich selbst empfinde mich als ein selbständiges Wesen, ich fühle mich weiblich als Frau, ohne mich direkt reduziert zu fühlen, und menschlich als Mensch. Glücklicherweise wurden mir noch nie Steine in den Weg gelegt, zumindest Sinne meiner Karriere, weil ich eine Frau war.
Aber ich war mein Leben lang bisher mit leichteren und schweren Diskriminierungen betroffen, einfach weil ich eine "Frau" bin.
Ich bin bisher noch nicht in solche Berufsebenen aufgestiegen, als dass ich bestätigen könnte, dass ich dort finanziell benachteiligt würde.
Aber ich weiß von Frauen, bei denen das der Fall ist.
Ich habe Freundinnen, die viel höhere Beiträge an Krankenversicherung zahlen müssen, nur weil sie schwanger werden könnten.
Das ist für mich ein ethisch inakzeptabler Umstand. Man muss ja auch keine höheren Beiträge zahlen, weil es genetisch nachgewiesen wurde, dass ich im Laufe meines Lebens mit Krebs oder anderen langwierigen Krankheiten zu rechnen habe - und solche Vorabbestimmungen sind meiner Erachtung nach menschenunwürdig.
In solchen Fällen müsste Feminismus greifen, müsste politisch laut werden.
Ich kenne viele Männer in meinem Umfeld, die sozial großartig sind. Die die Meinung vertreten, respektvoll mit anderen Menschen umzugehen - weil es Menschen sind, und nicht weil sie es als Mann oder Frau mehr oder weniger verdienen.
Aber ich kenne auch Männer in meinem Umfeld, die konservativ und chauvinistisch sind. Die meinen, Frauen danach zu werten, ob sie schön oder hässlich sind, ob sie abgenommen oder zugenommen haben, die der Ansicht sind, dass Frauen eine genetisch höhere Affinität zum Putzen oder Kochen haben sollten.
Die meinen, sich erlauben zu dürfen, Frauen zu berühren, zu bedrohen, auszunutzen und schlimmeres, eben weil es Frauen sind, weil es ihren Trieben danach gelüstet, und weil sie sich nicht zu wehren verstehen.
...Aber ich will jetzt auch gar nicht zahllose weitere Beispiele nennen, in denen solche Probleme auf Ebenen der sozialen Rolle oder des Rechtes oder des Miteinanders greifen.
Für mich steht nur fest:
Es ist noch nicht vollbracht. Mann und Frau können sich noch nicht auf gleicher Augenhöhe begegnen.
Aber ich schließe auch nicht aus, dass das irgendwann so sein kann. Es ist ein Prozess.
Nur ist es jetzt auch an uns, nicht zu sagen, dass es gut so ist, wie es ist, denn es kann und sollte, noch besser werden.
Und deshalb muss Femnismus auch immer noch sein. Echter Feminismus. Denn auch wenn viele es nicht mögen, dass der Begriff von dem Präfix "Fem" = Frau abgeleitet wird, so muss es doch ein Zugeständnis bleiben, dass es eine Bewegung war, die von Frauen gestartet wurde, weil es eben Frauen waren, die unter den damaligen Umständen zu leiden hatten.
Der Begriff spricht den Männern ja nicht ab, dass auch sie sich ungerecht behandelt fühlen dürfen und das laut machen dürfen.
Aber der Begriff ist nicht entstanden, weil Männer sich vor zig Jahren mal dachten:
"Mh, eigentlich ist das Kacke so. Komm wir starten mal eine Bewegung für Frauen."
Wie man sehen kann, greift dieser Begriff auf so vielen unterschiedlichen Ebenen, sozial, medial, virtuell, abstrakt, greifbar.
Nur finde ich, dass man sich vor Augen führen sollte, dass jede Bewegung, ob politisch oder gesellschaftlich, ihre radikalen und ihre sinnvollen Strömungen hat.
Manchmal brauch es Radikales, manchmal brauch es Revolutionen, um etwas zu verändern. Sicher, heute kann von Revolution, zumindest bei uns, keine Rede mehr sein, aber was wir brauchen ist die Strömung, die uns weiter in die richtige Richtung führt.
Und deshalb sollte man sich nicht auf die radikalen oder überzogenen Repräsentanten einer solchen Bewegung stürzen oder stützen.
Wer selber hinter seiner Geschlechterrolle gesehen werden möchte, ob Mann oder Frau, sollte auch bereit sein, als Mensch, hinter die Gesichter und Rollen solcher Konzepte blicken zu wollen.