MadWorld
...stop starin’!
"We need to ensure that modern and civilized values take priority rather than killing and maiming people." — John Beyer, Director of mediawatch.uk "In the past, the Wii has successfully sold itself as being the gaming console for the entire family and a way to bring family-game nights back into people's living rooms. Unfortunately, Nintendo opened its doors to the violent videogame genre, since the video game contains such outrages and violent content." — Dr. David Walsh, National Institute on Media and the Family "It's difficult to understand why there's so much controversy surrounding MadWorld when the violence is so very Tom and Jerry […] It really is hard to be offended […] because it's just so ridiculous." — Keza MacDonald, eurogamer.net
...okay, okay. Wer es nicht schon anhand der einleitenden Zitate erkannt hat, der bekommt es jetzt noch mal zum Mitschreiben aufs Butterbrot geschmiert: MadWorld aus dem Jahre 2009 war zum Zeitpunkt seines Erscheinens ein kontroverser Titel. Dies ging soweit, dass das Spiel zwar zum Europa-Release freigegeben, Deutschland hierbei jedoch außen vor gelassen wurde (nicht, dass dies in einer Zeit, in der sich jedermann Spiele problemlos importieren kann, noch irgendwie von Belang wäre). Da mag sich nun mancher fragen: Warum die ganze Aufregung? Nun, fangen wir erstmal ganz von vorn an…
I don’t help people... I kill them.
Irgendwo in einer trostlosen alternativen Zukunft Amerikas: Jefferson Island (oder auch: „Manhattan unter anderem Namen“) wurde komplett von der Außenwelt abgeschnitten, mit tausenden Live-Kameras ausgestattet und dient nun als Austragungsort für die jüngste Auflage von Deathwatch, einer modernen Version antiker Gladiatorenkämpfe, finanziert durch die Wetteinsätze von Milliardären und Wirtschaftsmogulen aus aller Welt, quasi der gesamten upper class, zu deren Vergnügen und Kurzweil. Um sicherzugehen, dass auch genügend Teilnehmer („Killseeker“ genannt) vorhanden sind, wurde der Austragungsort zudem flächendeckend mit einem todbringenden Virus infiziert, sodass auch unbeteiligte Zivilisten zur Teilnahme gezwungen werden, denn das aktive Beteiligen an den Spielen ist Bedingung für den Erhalt des Gegenmittels. Klingt krank und unmenschlich? Ist es auch.
Inmitten dieses heillosen Chaos betritt Jack Cayman, ein mürrischer Einzelgänger, die Szene und schließt einen Deal mit einem Sponsor aus Übersee (den wir zunächst nur als enigmatischen „Agent XIII“ kennenlernen) ab: Jack willigt ein, an den Spielen teilzunehmen und sich bis ganz nach oben zu morden. Sein Sponsor wird ihn als Gegenleistung für sein Überleben und einen ansehnlichen Killscore mit allerlei Waffen und anderen Goodies versorgen. Und ehe man sich versieht, ist man auch schon mitten im Geschehen. Es wirkt alles ein bisschen so, als habe jemand Escape from New York, Battle Royale und Sin City in einen Topf geworfen, gut umgerührt und dann in die fertige Mischung ein Cocktail-Sonnenschirmchen gesteckt. Oder, um es etwas klarer auszudrücken: Dieses Spiel verfügt über eine ziemlich einzigartige Ästhetik. Das buchstäblich kantige Cel Shading-Design in Schwarz-Weiß, lediglich durchbrochen von knallroten Blutfontänen, fügt sich fantastisch in die überdrehte Story ein und bildet mit dem staubtrockenen und nicht gerade kindgerechten Humor ein ziemlich abgefucktes Gesamtpaket, das seinesgleichen sucht.
Das Gameplay von MadWorld gestaltet sich hierbei denkbar simpel: Man steuert Jack, der mit gewaltiger Schlagkraft und einer an seinem Arm befestigten Kettensäge (!) ausgestattet ist, durch die verschiedene Gebiete von Jefferson Island. Ziel in jedem der insgesamt 13 Level ist es, innerhalb eines idiotensicher großzügigen Zeitlimits einen jeweils vorgegebenen Punktestand zu erreichen, um den Weg zum Levelboss zu ebnen. Da trifft es sich gut, dass euch in jedem Abschnitt zahllose andere Deathwatch-Mitspieler entgegengeschleudert werden, die geradezu darauf warten, von euch verdroschen zu werden.
Doch natürlich kommt Jack nicht weit, indem er seine Gegner nur schnöde zu Brei schlägt oder zersägt, denn das zahlende Deathwatch-Publikum will möglichst kreative und brutale Tode sehen (spätestens ab diesem Punkt kann man sich vorstellen, warum das Spiel auf Protest stieß). Glücklicherweise könnt ihr nahezu alle Objekte und Bereiche eines Levels in irgendeiner Weise in euer blutiges Tun einbinden und werdet dafür mit ungleich höheren Punktzahlen belohnt. Indem ihr also euren Score in die Höhe treibt, schaltet ihr stetig neue Todesattraktionen frei, die euch das Anhäufen lukrativer Kills erleichtern. Das Spektrum reicht von allerlei Folterinstrumenten über Mayhem Dispenser (Item-Stationen, die euch entweder Heilgegenstände oder Bonuswaffen spendieren) bis hin zu den schwarzhumorigen Bloodbath Challenges, in denen ihr unter besonders abgefahrenen Bedingungen eurem Punktestand Gutes tun könnt (Gegner mit einem Baseballschläger auf eine übergroße Dartscheibe zu klatschen gehört hierbei noch zu den konventionelleren Methoden).
Kernelement des Spiels ist zweifelsohne die Suche nach publikumswirksamen Todesarten, in die ihr eure Gegner verwickeln könnt. Wo man in den ersten Leveln seinen Feinden noch Eisenstangen durch den Kopf treibt und sie anschließend mithilfe eines Müllcontainers enthauptet, stehen euch im späteren Verlauf noch weitaus gemeinere Möglichkeiten zur Verfügung und es macht einen Heidenspaß, damit herum zu experimentieren. Hin und wieder setzt sich Jack auch mal auf sein trautes Motorrad und lässt euch eine Racing-Stage erleben, damit die spielerische Abwechslung nicht zu kurz kommt. Die beiden Live-Kommentatoren Howard „Buckshot“ Holmes und Kreese Kreeley machen hierbei ihrer Profession alle Ehre und gehören dank beißend sarkastischer Sprüche am laufenden Band ohne Frage zu den Sahnehäubchen des Spiels.
Nachdem Jack genügend Mitspieler ins Jenseits geschickt und den vorgegebenen Score erreicht hat, kann er sich in den Bosskampf stürzen. Diese besonders zähen Feinde wecken stellenweise leichte Erinnerungen an No More Heroes, denn sie sind überwiegend extrem cool designt und bleiben dem Spieler durch ihre originellen Kampfstile positiv im Gedächtnis. Lediglich zwei von ihnen (The Shamans und Martin) empfand ich als enttäuschend bzw. einfallslos, aber ansonsten kann sich die Boss-Riege dieses Spiels von Anfang bis Ende wirklich sehen lassen. Vom skatenden Revolverhelden bis zum sexy Sukkubus ist wirklich alles dabei.
Das Spielgeschehen wird übrigens untermalt von einem herrlich dirty klingenden Indie-HipHop-Soundtrack, der sowohl im Spiel als auch standalone absolut überzeugt. Klasse Stücke wie „You Don’t Know Me“, „It’s A Mad World“, “Look Pimpin” und “Ain’t That Funny” gehen sofort ins Ohr und begleiten das absurde Geschehen in angemessener Art und Weise. Selbst ich, der ich mit diesem Musikgenre sonst nicht viel zu tun habe, höre den Soundtrack derzeit auf heavy rotation, denn er ist wirklich spitze.
Awesome rack on her though!
Die große Schlussfrage ist natürlich: Kann ich MadWorld empfehlen? Nun, wenn man alt genug ist, um mit dem Gameplay, dem Humor, ja der ganzen Art und Weise des Spiels mit einem breiten Grinsen umzugehen, dann: Absolut. Da das Spiel (glücklicherweise) nicht eingedeutscht wurde, sind gute Englischkenntnisse übrigens Pflicht, da einem sonst viele Gags entgehen. Die Kritik an der Aufforderung zu extremer Gewalt kann ich nur bedingt nachvollziehen, da die Mordmöglichkeiten sowie die Todesdarstellungen so hemmungslos überzeichnet sind, dass es schon wieder ins Cartooneske übergeht und man es beim besten Willen nicht ernst nehmen kann.
Positiv sei noch erwähnt, dass Jack sich sehr angenehm und direkt steuert. Trotz seines recht eingeschränkten Movesets (Schlag, Kettensäge, Greifen, Sprung, Ausweichrolle) kommt keine Monotonie auf und man ist in jedem Abschnitt eine ganze Weile beschäftigt, bis man alles gesammelt, gesehen und benutzt hat, was sich zum Töten eignet. Lediglich ein Level empfand ich als schrecklich öde (Mad Castle – Courtyard), alle anderen Bereiche von Jefferson Island hingegen sind ein wahrer Genuss.
Abzüge in der Gesamtbewertung gibt es für die sträflich niedrige Spielzeit und den relativ geringen Wiederspielwert (man schaltet nach einmaligem Durchspielen nur den 'Hard Mode' sowie zwei zusätzliche Mayhem Dispenser-Waffen frei). Dafür punktet MadWorld mit einem interessanten Gameplay, wahnwitzigen Moves & Charakteren sowie der vorbildlich regelmäßigen (aber nicht zu aufdringlichen) Einbindung der Wii-Bewegungssteuerung. Es ist zudem kein hackeschwerer Titel, auch Einsteiger und Gelegenheitsspieler werden ihre Freude haben und ohne größere Frustmomente gut vorankommen.
Oh, und noch etwas zum Schluss: Lasst euch von der Geschichte des Spiels nicht täuschen. Sie beginnt zwar als banaler excuse plot, um das gewalttätige Niedermähen der Gegner zu rechtfertigen, entwickelt sich im Spielverlauf jedoch deutlich weiter und der Spieler wird schnell neugierig gemacht, was es mit den Deathwatch Games, gewissen fragwürdigen Nebencharakteren und nicht zuletzt Jack selbst auf sich hat. Vor bzw. nach jedem Level treiben Zwischensequenzen im Comic-Style das Geschehen voran. Es passiert überraschend viel. Und spätestens während des Abspanns weiß man: Dieses Spiel propagiert keine Gewalt, sondern das genaue Gegenteil. Aber ich will nicht zu viel verraten… findet es selbst heraus. The bishop of blood and carnage awaits ya!
8 von 10
...und zum Abschluss: "Bewegte Bilder sagen mehr als tausend Worte" AKA have some trailers.
MadWorld Storyline Trailer
MadWorld Full Trailer
MadWorld Gameplay Footage