Ich schalte mich hier mal ein... ein wenig als "Hilfe" für Gizmo, auch wenn ich selbst der Todesstrafe eher abneigend gegenüber stehe. Dennoch habe ich hier einige Dinge gelesen, die mich etwas... sagen wir, stutzig gemacht haben.
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Original von bereth
Der Witz daran ist eher: Woran misst man Menschlichkeit?
Wenn es danach ginge, zum Töten fähig zu sein, könnte man niemandem Menschlichkeit im ethischen Sinne zusprechen, da wohl jeder in seinem Leben mal bspw. diverse Kleintiere tötet, weil sie als "Ungeziefer" angesehen werden. Zudem essen wir Fleisch (nein, ich bin kein Vegetarier) – wieso wird Menschlichkeit nur daran gemessen, was man anderen Menschen antut und was nicht? Das führt diese ganze Diskussion doch ad absurdum
Menschlichkeit ist, wie der Name schon sagt, in erster Linie auf Menschen bezogen. Natürlich bedeutet das nicht, dass man sich nur anderen Menschen gegenüber "menschlich" verhalten soll; vielmehr ist der Begriff Menschlichkeit eine Art Kodex, nach der zu leben man trachtet. Allerdings ist es eben auch nur ein Begriff, und Begriffe unterliegen stets der Definition eines Einzelnen oder einer Gesellschaft. Was für uns in Europa etwa menschlich wäre, muss deshalb noch lange nicht in einem anderen Bereich der Erde menschlich sein.
Die Frage ist jetzt also: Inwiefern willst Du rechtfertigen, dass Menschlichkeit mit dem Nicht-Töten von Insekten zu tun hat? Es ist eine Sache, ein Insekt auszulöschen - ein kleines, für den Menschen meist kaum beachtetes Wesen - und wieder eine andere, einen Menschen zu töten, der von seiner Wahrnehmung her genauso weit ist wie man selbst. Genausowenig hat Menschlichkeit etwas mit dem Essen von Fleisch zu tun. Der Mensch ist schließlich ein Säugetier und somit, rein von der Natur aus gesehen, vollkommen berechtigt, zu "jagen" und Fleisch zu verzehren.
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Original von bereth
Zudem ignorierst du den Punkt, den Nusma, Kharaz und ich so klar vertreten: Was gibt einem das Recht, über das Leben anderer zu bestimmen? Wenn das für Mörder gelten soll, wieso soll es bei jenen, die ihn in die Ecke treiben und ihn für schuldig sprechen, auf einmal nicht mehr wichtig sein? Das ist Heuchelei. Heimtückisch, pure Rachelust, ohne Verstand. Wo kämen wir denn hin, wenn dann auch die Familie des Mörders auf einmal fordern würde, dass seinem Tod "Gerechtigkeit" zuteil werden soll? Die Vollstrecker gegen eine Wand stellen? Also bitte, ich bin wirklich froh, dass unser Rechtssystem nicht auf solchen Ansichten fußt.
Wenn es nur darum geht, möchte ich folgende Frage stellen: Was gibt dem Richter das Recht, Dich überhaupt zu verurteilen?
Die Rechtssprechung basiert darauf, dass unabhängige, frei nach ihrem Gewissen entscheidende Richter über den Überführten richten können und dürfen. Somit ist das Recht, anderen das Leben abzuerkennen, nicht etwa eine einfache Formel, die man im Fall X anwendet. Dies sind Entscheidungen von Menschen, die mit Sicherheit lange mit sich selbst ringen, bis sie sich eben dazu entschließen. Vor allem hat ein Richter aber wohl kaum Rachsucht, Heimtücke und keinen Verstand in sich, wie Du indirekt behauptest.
Zudem ist das System, das Du hier beschreibst, schlichtweg lächerlich. Einen überführten, mehrfachen Mörder über die Rechtssprechung, über einen Richter, der nach freiem Gewissen entscheidet, zu töten, macht den Richter also zu einem Mörder, den man wiederum ebenfalls hinrichten müsste? Wenn Du mal darüber nachdenkst, wirst Du recht schnell erkennen, dass Du zwar logisch gesehen Recht, aber menschlich gesehen ganz schön daneben gegriffen hast. Die Todesstrafe basiert schließlich darauf, dass der Überführte ein dermaßen abscheuliches Verbrechen begangen hat, dass er mit der schlimmsten möglichen Strafe - dem Tod - bestraft werden muss. Willst Du mir jetzt also sagen, dass der Richter einen zwanzigfachen Mord begangen hat, sobald er den Überführten zum Tode verurteilt? Oder dass er eine Bombe in einer belebten Einkaufszone gezündet hat? Dass er hunderte Kinder vergewaltigt hat, aus reinem Zeitvertreib?
Auch wenn sich der Richter zum Mörder macht, so tut er es im Sinne der Rechtssprechung. Wie man über die Rechtssprechung selbst denkt (also pro / kontra Todesstrafe), ist da in erster Linie mal nebensächlich. Davon abgesehen, dass man dein System auf jeden anderen erdenklichen Fall weiterentwickeln könnte. Wenn man etwa lebenslang eingesperrt wird, hat man sein Leben auch praktisch verwirkt. Warum nicht den Richter verklagen, dass er einem das ganze Leben versaut und das Menschenrecht auf Freiheit geraubt hat?
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Original von Gizmo
Aber wenn du so willst: Einen Mörder zu beseitigen, damit andere, nicht mordende Menschen leben können, halte ich was die "Menschlichkeit" betrifft vom Blickwinkel abhängig. Außerdem gab es da noch früher mal diesen folgenden Spruch: "Manchmal muss sich einer für das Wohl aller opfern" dem im Kino die meisten zustimmen, aber wenn es dann in die Realität geht heißt es dann "Das hat damit nichts zu tun".
Und genau das würde ich unterschreiben. Ich habe weiter oben ja schon kurz und knapp dargelegt, dass "Menschlichkeit" ein sehr dehnbarer Begriff ist. Um ein kurzes Beispiel von zwiespältiger Menschlichkeit zu zeigen: Nehmen wir an, ein junges Mädchen wird vergewaltigt und wird dabei geschwängert.
Es wäre einerseits "menschlich", das Kind anzunehmen und es großzuziehen; andererseits wäre es auch nur "menschlich", es abzutreiben aus Angst davor, ständig an die ungeheure Tat erinnert zu werden, wenn man das Kind nur anschaut.
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Original von bereth
[...]
Woran machst du fest, dass ein Mörder seine Menschlichkeit und das Recht auf Behandlung unter den unsrigen Gesetzen verliert? Verliere ich meine Menschlichkeit, weil ich jemanden töte, um einen geliebten Menschen zu schützen? Bin ich unmenschlich, wenn ich aus Leidenschaft handle, etwas so menschlichem, wie es nur sein kann?
Das war allerdings ein Absatz, wo ich mich doch schon schwer wundern musste. Es ist also nicht unmenschlich, jemanden aus Wut umzubringen? (Wut ist auch nur eine Art von Leidenschaft.) Und jemanden zu töten, weil man einen geliebten Menschen schützen will? Nennt sich im Normalfall "Notwehr", und in allen anderen Fällen "Totschlag aus niederen Gründen".
Aber mal ernsthaft: verliert man nicht zumindest einen Teil seiner Menschlichkeit, wie wir sie in Deutschland sehen, wenn man jemanden umbringt?
Ich sage: ja. Die Sache ist, dass Menschlichkeit in unserer Begriffsdefinition damit zusammenhängt, dass man andere Menschen auch wie Menschen behandelt. Spricht man ihnen eigenwillig das Recht auf Leben ab, behandelt man sie nicht mehr als Menschen (Menschenrecht auf Leben, Freiheit etc, all die Dinge, die einen Menschen eben ausmachen) und verliert damit zugleich einen Teil seiner Menschlichkeit.
Ich möchte damit nicht sagen, dass man Mörder hinrichten sollte, weil sie ihre Menschlichkeit verloren haben. Aber wer nennt schon einen Mörder "menschlich"? Selbst ein "Mord aus Liebe" ist und bleibt nur ein Mord.
Wenn jetzt jemand sagt, dass das Gleiche dann auch für die Richter und Henker gilt, welche die Verurteilten umbringen, dann stimme ich dem zu. Ein Todesurteil kann auch an diesen Leuten nicht spurlos vorüber ziehen. Sie werden sich zumeist damit trösten, dass sie der Gesellschaft einen Dienst erweisen und die vor Verbrechern schützen, aber dennoch ist und bleibt Mord für mich unmenschlich. Das ist auch einer der Gründe, warum ich die Todesstrafe nicht gutheiße; in anderen Ländern mit anderen Definitionen von Menschlichkeit mag das anders sein, aber ich bin froh, dass es in Deutschland keine Todesstrafe gibt.
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Original von Hellton
Ich finde das "Um den Mörder davon abzuhalten je wieder zu Morden." eine schlechte Begründung für die Todesstrafe ist. Denn die Alternative liegt klar auf der Hand, Lebenslänglich einfahren, was man ja statt der Todesstrafe auch einfüren könnte. Monentan ist Lebenslänglich in Deutschland 20 Jahre? Und mit Sicherheitsverwahrung anschließend doch Lebenslänglich? Weis grad nicht so bescheid, da ich mit sowas zum glück nicht viel am Hut habe.
Daher bin ich gegen die Todesstrafe, denn das ist einfach zu endgültig. Was wenn tatsächlich noch entlastende Beweise auftreten, wer möchte dann dafür verantwortlich sein einen Unschuldigen getötet zu haben? Ihn im Nachhinein frei lassen ist noch möglich auch wenn er dann nactürlich zu unrecht eingesessen hat.
Zu Punkt 1 muss ich sagen, dass die Idee dahinter gar nicht mal blöd ist. Die Alternative, unsere lebenslange Haftdauer, wird zwar eher selten in eine befristete Haftstrafe verwandelt, aber auch hier ist es schon öfters passiert, dass etwa Vergewaltiger, die angeblich geheilt aus dem Knast gekommen sind, sich wieder an Kinder / Frauen / Männer vergriffen haben. Es hätte nicht passieren können, hätten wir die Vergewaltiger erschossen. (Arg rational und sehr unmenschlich klingend, ich weiß, aber dennoch die Wahrheit.)
Trotzdem muss ich sagen, dass auch ich lieber die Leute leben lassen würde, als sie hinzurichten, einfach weil die Chance besteht, sie zu einem besseren Leben zu führen. Inwiefern das mit der lebenslangen Haftstrafe klappen soll, verstehe ich allerdings nicht. Ich bezweifle, dass das Gefängnis eine gute Erziehungsanstalt abgibt.
Punkt 2 ist natürlich eines der größten Argumente der Todesstrafen-Gegner. Was, wenn man einen Unschuldigen hingerichtet hat, was ja ebenfalls öfters mal passiert ist? Man muss hier natürlich sagen, dass in unserer heutigen Zeit nicht mehr viel dem Zufall überlassen ist. Indizienprozesse werden selbst in Amerika nur noch selten geführt, und falls es doch einen gibt, ist meines Wissens nach der Tod als mögliche Strafe ausgeschlossen worden, eben weil es nur Indizien sind.
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Original von bereth
Richtig, und die meisten von ihnen handeln auch nie wieder gegen das Gesetz nach ihrer Freilassung.
Quod erat demonstrandum. =)
... Sagt wer? =)
Wenn wir das Ganze mal kühl und rational gesehen durchgehen, schaut es doch so aus: 15-25 Jahre im Gefängnis verbracht, dasselbe wahrscheinlich bereits als ein "zweites Zuhause", vielleicht sogar als das Zuhause angenommen; kein großartiger Kontakt zur Außenwelt gehabt, keine vernünftige Lehre (die Lehren in Gefängnissen sind zwar ein netter Versuch, aber leider nicht wirklich ausreichend), aufgrund der Vergangenheit eine sehr, sehr schwierige Jobsuche, ganz davon abgesehen, dass man, etwa als ehemaliger Vergewaltiger, einen verdammt schweren Stand in unserer vorverurteilungs- und gerüchtegeilen Gesellschaft hat.
Wenn wir das alles also im Hinterkopf behalten - wie wahrscheinlich ist es, dass da jemand auf die alten Pfade zurück fällt?
Und ich nenne jetzt sicher keine Zahlen, weil ich keine kenne und auch keine gefunden habe.
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Abschließend möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass ich gegen die Todesstrafe bin, da ich sie für unmenschlich halte und sie gewissermaßen unnütz, wenn auch geldsparend ist. Dennoch bin ich einer der sentimentalen Menschen, die an das Gute in jedem glauben und hoffen, dass man solche Leute zumindest dazu bringen kann, ihre Taten zu bereuen. Wenn sie mit Reue sterben, ist mir das mehr wert, als wenn ich sie exekutiere.
Greets