Gizmo, du sprichst einige interessante Punkte an, die viele von uns, denke ich, auch so sehen. Ich würde gerne in meinem Beitrag in etwas abstrakterer Form auf die Gründe eingehen, warum wir an BotW vielleicht mehr Kritikpunkte finden, als an anderen älteren Teilen der Reihe und wie man das Spiel verändern müsste um uns in der gleichen Weise anzusprechen, wie es die anderen Zelda Titel tun.
In der Analyse (und Erstellung) von Spielen finde ich es immer sehr nützlich die Zielgruppe eines Spieles zu verstehen. Es gibt einige Aufteilungen in die man Spieler gruppieren kann, aber die meisten ähneln dem Gamer Motivation Profile, das Quantic Foundry entwickelt hat. Ausgehend von dem Big5-Persönlichkeitsmodell (a.k.a. OCEAN-Modell) haben sie verschiedene Spielertypen mit jeweils 2 Subtypen identifiziert.
Ich nehme hier Twilight Princess als ein Paradebeispiel eines Zelda-Titels und basiere meine Analyse auf der Annahme, dass der Großteil der 3D Zeldas eher Twilight Princess ähneln, als Breath of the Wild.
Die meisten guten Spiele lassen sich auf 2-3 Haupttypen und 3-5 Subtypen herunterbrechen, die aber nicht gleich gewichtet sind. Spiele die diesen Fokus nicht besitzen sind meistens Casual-AAA-Titel wie die neueren Assassin's Creed Teile die mit irrelevanten Gameplaysystemen versuchen jeden mit wenigstens EINEM Teil ihres Spieles an die Angel zu bekommen.
In Twlight Princess fällt dieser Fokus hauptsächlich auf Immersion und dort hauptsächlich auf Story. Twilight Princess ist schließlich ein sehr storylastiges Spiel. In zweiter Linie fokussiert sich TP durch seine knackigen Rätsel und Wolfspassagen auf Mastery und Challenge. Zumindest fand ICH die Rätsel auf eine gute Art anspruchsvoll, ich weiß nicht wie ihr das seht. An dritter Stelle, würde ich sagen, steht bei TP der Fokus auf Fantasy. Damit ist hauptsächlich Roleplay gemeint, wenn man sich also in einen Charakter hineinversetzt und spielt als wäre man der Charakter. Miyamoto hat in vielen Interviews bestätigt, dass es aus genau diesem Grund kein Voice-Over für Link gibt und auch so erwähnt dass Link der Avatar des Spielers sei soll. Ich sollte dazu sagen, dass das Spiel nicht ausschließlich auf diese 3 Kategorien beschränkt ist und auch Merkmale der Anderen aufweist wenngleich diese dann bei weitem nicht so stark ausgeprägt sind.
Vergleichen wir dies nun mit Breath of the Wild.
In BotW hat sich der Fokus stark verändert. Während der Fantasy immer noch in gleichem Maße vorhanden ist, hat sich der Fokus von der Story wegbewegt und ist nun viel stärker auf die Achievement und Creativity Bereiche gelegt, was, denke ich, mitunter ein Grund ist warum sich das Spiel so frisch und anders spielt. Die Hunderte von Schreinen und Krog-Samen sprechen dafür, dass hier Completion der Hauptfokus des Spiels ist. Das faszinierende ist, dass Nintendo es schafft diese riesigen Mengen in die Fantasie der Spielwelt zu integrieren (Suspension of Disbelief). Warum hat ein uraltes Wissenschaftlervolk hunderte von Räumen vergraben? Um den Helden zu trainieren. Warum hat sich ein ganzes Waldvolk irgendwo in der Landschaft versteckt? Sie wollen doch nur spielen! Ist ja selbstverständlich und logisch, keine Frage *wink wink*. Ich finde Suspension of Disbelief schaffen nur die besten der Spiele bzw. Kunstwerke im Allgemeinen. Hut ab. Aber das nur so am Rande.
Der zweite Fokuspunkt ist Discovery. Dadurch, dass man direkt am Anfang des Spiels schon alle Werkzeuge in die Hand bekommt, ist man den Rest des Spiels nur noch damit beschäftigt zu entdecken wie man diese Werkzeuge am Besten verwendet und kombiniert. Das gleiche gilt für die "Chemistry-Engine" und die verschiedenen Rüstungen und Waffen. Die ganze Welt ist ein Spielplatz den es zu entdecken gilt.
An dritter Stelle kommt schlussendlich wieder der Fantasy-Aspekt; Link als Avatar.
Man sieht also, dass sich die beiden Spiele in nur wenigen Bereichen überschneiden und Neues gewagt wurde.
Um nun den Bogen zum Thema zu schließen: Ich denke viele Kritikpunkte, die Gizmo angeführt hat lassen sich auf den fehlenden Fokus auf Story zurückführen. Es war Nintendo wichtiger möglichst viele externe Anreize (Spirit Orbs, Krok Samen) zum Erkunden in die Welt zu setzen (siehe Completion), als wirklich Bereiche in das Spiel zu bauen die an sich eine inhärente Belohnung sind (Discovery). Erkundung um des Erkundenswillen und nicht Erkundung um Krog Samen zu finden. Zum Anfang des Spieles existieren diese Bereiche, aber sie sind größtenteils Teil der Story und sind hinterher sehr rar. Noch unwichtiger war dabei wohl die Story, die bei dem ganzen leider ein wenig zu kurz gekommen ist (dennoch nicht schlecht möchte ich anmerken).
Mein Wunsch für einen Nachfolger wäre also ein Fokus auf die Story an erster Stelle; dass es eine Worldquest epischen Ausmaßes gibt (vgl. TP oder Majoras Mask), die einen wirklich der sagenhafte Held sein lässt und einem nicht erlaubt, sie links liegen zu lassen und sofort Ganny mit einem Holzknüppel zu massieren.