Oookay.....zunächst einmal sorry, ich hatte keine Ahnung, dass mein Thema solch eine hitzige Diskussion auslösen würde. Ferner möchte ich mich dafür entschuldigen, dass ich mich etwas schwammig ausgedrückt habe. Ich habe das Thema auf Arbeit erstellt und es war alles etwas im Stress. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich mich mit der Thematik seit vielen Jahren beschäftige, vor allem auch aufgrund privater Umstände einiger meiner Freunde in diesen Jahren. Ich wage also zu behaupten, "einigermaßen" versiert auf diesem Gebiet zu sein, auch psychisch.
LightningYu:
Ich möchte dich bitten, mal wieder runterzukommen. Midna wollte dich ganz bestimmt nicht beleidigen. Ihr vertretet eben vollkommen gegensätzliche Standpunkte zu dem Thema, das solltest auch du akzeptieren. Dennoch kann man sachlich weiter darüber diskutieren, falls du magst. Aber dann bitte auch in einem ordentlichen Tonfall. Danke dir.
Mereko:
Ich schätze deine Beiträge sehr, vor allem, weil wir beide in vielerlei Hinsicht zwei völlig unterschiedliche Charaktere sind, die nur selten eine ähnliche Meinung haben, wie mir aufgefallen ist. Gerade dieser Aspekt mach das Diskutieren ungemein spannend. ;) :) Ich finde es gut, dass du deine Ansichten stets begründest und somit auch klar zu ihnen stehst. In diesem Fall gehen unsere Ansichten in der Tat so weit auseinander, dass man wirklich von Gegensätzen sprechen kann. Ich möchte deshalb auf einige deiner Argumente eingehen:
Zitat
Ich persönlich halte Selbstmörder für sehr feige und egoistische Menschen. Selbstmord zu begehen, weil mein keinen Sinn mehr sieht, heißt, dass man die Hoffnung verloren hat es könnte besser werden. Gleichzeitig vergessen solche Leute aber, dass es Menschen auf der Welt gibt, denen es weitaus schlechter geht und die trotzdem voller Lebensmut und Freude durchs Leben gehen können.
Das ist ein komplett sinnloses Argument, sorry. Du wirst immer jemanden finden, dem es auf der Welt rein von der Schätzung her - man kennt die Menschen schließlich nicht - schlechter geht als dir. Selbst in der dritten Welt gibt es da noch Unterschiede. Dieses " schlecht gehen"wirkt sich aber bei jedem Menschen anders aus und liegt daran, dass jeder Mensch mit Empfindungen anders umgeht. Deshalb kann und darf man das nicht pauschalisieren. Beispiel: Zwei Frauen werden auf ähnliche Art und Weise vergewaltigt. Die eine fasst sich schnell wieder, zeigt den Kerl an und kompensiert den Vorfall mit Wut und Vergeltung. Die zweite Frau reagiert zerbrechlich, hat seitdem panische Angst vor Nähe und Berührungen, leidet unter Paranoia und Verfolgungswahn, schämt sich, und leidet noch viele Jahre lang psychisch an der Grausamkeit. Wenn man aber nach deinem Argument gehen würde, müsste die geschädigte Frau das recht schnell wegstecken können, schließlich gibt es da draußen massig Menschen, die noch viel Grausameres erlebt haben, als sie. So gesehen kannst du alle Grausamkeiten der Welt mit solch eine Aussage pauschalisieren, was wohl menschlich gesehen utopisch ist, da wir alle anders empfinden. Das ist demnach eine Milchmännchenrechnung, sorry.
Zitat
Und zum Egoismus: Jeder Mensch hat durch sein Leben eine verantwortung, ob es ihm gefällt oder nicht. Jeder Mensch hat durch sein Leben die Verantwortung, das Leben seiner Mitmenschen zu berreichern und zu verschönern und ihnen ein Vorbild zu sein, wie man das Leben nutzt. Sich für den Tod zu entscheiden, obwohl man sich physisch bester Gesundheit erfreut, heißt, dass man das Geschenk des Lebens wegschmeißt, dass man die vielen Chancen nicht nutzt und vor allem: Man verletzt seine Mitmenschen.
Nunja, man hat zunächst einmal Verantwortung für sich selbst. Bei allem Respekt und Verständnis für die trauernden Mitmenschen: Aber es ist dein Leben, welches du leben und verwalten musst. Du wurdest in diese Welt entlassen, ob du es wolltest oder nicht. Natürlich ist das kein Argument in dem Sinne, aber man überlege sich, was auf diesem Planeten dank des Menschen alles abgeht: Man wird ja quasi direkt in ein Pool aus Haien hineingeworfen und muss sein ganzes Leben lang schauen, dass man nicht von einem Hai entdeckt und letztendlich erwischt wird. ...was meiner Meinung nach kaum möglich ist. Das Leben als "Geschenk" zu betrachten ist eine zwiespältige Aussage, die jeder anders interpretieren kann, da Niemand von uns weiss, was vor und nach dem Leben ist/war. Der Mensch ist ebenso ein Gewohnheitstier. Was glaubst du, warum rein statistisch sich wenig behinderte Menschen umbringen? Zum Beispiel blinde Menschen oder Menschen mit nur einem Bein? Weil sie gelernt haben damit zu leben. Diesen Typus kannst du aber nicht gleichermaßen auf die Psyche des Menschen anwenden, denn diese ist dafür viel zu sensibel wie komplex. Das erklärt auch, warum rein physisch gesehen, sich viel mehr "gesunde" Menschen umbringen. Ein Bein wird dir abgehackt und es ist weg. Eine Depression aber schleicht sich an - ausgelöst durch eine stetige Abfolge gleichen Leids. Oftmals checkst du das ja selbst gar nicht erst, du wunderst dich nur über seltsame Dinge die in deinem Kopf so vorgehen und über Aussagen von Freunden, die dir plötzlich befremdlich erscheinen. Das ganze Leid was sich anstaut wird oberflächlich erst einmal abgewehrt, indem es vom Gehirn als Schutzfunktion "archiviert" wird. Da die Psyche aber ein komplexes System ist, kann durch dieses "Verdrängen" nicht automatisch alles wie gewohnt weiterlaufen. Im Unterbewusstsein dringt nämlich immer etwas durch, dieses wird quasi nie ganz verschlossen. Über einen nicht gerade kurzen Zeitraum denken Betroffenden dann, sie leben ganz normal ihr Leben, werden aber in Wahrheit innerlich von Leid und psychischem Elend derart übermahnt, dass die Folgewirkungen teilweise erst Jahre später dem Betroffenden wirklich auffallen. Das ist in der Tat kein seltenes Phänomen, was auch umso trauriger ist. Um aus Martyrs zu zitieren: "Dieser Planet ist so gemacht, dass es nur noch Platz für Opfer gibt."
Deine Wortwahl zeigt mir leider auch ganz klar, dass du den Begriff "Suizid" nicht wirklich verstanden hast. Du tust es ab als Etwas, was immer und überall heilbar ist. Eigentlich ist es aber genau andersherum: Nur in den seltensten Fällen sind Depressionen wirklich langfristig heilbar, unabhängig in welcher Form sie auftreten. Die Möglichkeit, psychische Krankheiten wirklich zu "heilen" wie eine offene Wunde in der Hand, ist oftmals gar nicht erst gegeben. Sie gerinnen ja nicht einfach und sind dann verheilt. Borderline beispielsweise ist immer in dir und kann jederzeit bei einem neuen Schiksallschlag (auf entsprechender Ebene) die Krankheit wieder aufreißen. Das rationale Verhalten setzt aus, psychisch kranke Menschen tun Dinge, die andere nicht begreifen können. Sie konstruieren Zusammenhänge, die man nicht nachvollziehen kann. Dadurch enstand ja überhaupt erst das Klischee des "Irren". Aber all das gehört mit zum Krankheitsbild, was oftmals von der Außenwelt gar nicht erst so wahrgenommen wird.
Ich könnte jetzt noch über viele Zeilen weiter ausholen, belasse es aber dabei, dass du aufgrund mangelnder Erfahrungen in diesem Punkt leider nicht genügend Weitsicht hast....was nicht verwerflich ist! Im Gegenteil: Eigentlich sollte man froh sein, nicht knüppeldick und unausweichlich mit diesem dunklen Thema, an welchem Ängste, Nöten und Krankheiten hängen, konfrontiert zu werden.
Klar, natürlich sprechen wir alle aus unseren Erfahrungen. Du würdest auch unter Garantie die Menschheit nicht so sehen wie ich. Von irgendwelchen Faktoren müssen wir ja auch schöpfen, uns Meinungen bilden um Argumente hervorzubringen. Das ist ein natürlichger Prozess. Deswegen möchte ich dich auch bitten ,meinem Beitrag hier nicht "feindlich" gegenüberzustehen. Wir haben halt bloß andere Meinungen, die wir ja auch mit jeweiligen Argumenten begründen. :)
Zitat
Der Tod ist niemals etwas, was zu befürworten ist, erst recht nicht der Selbstmord. Stellt euch doch einfach einmal die Frage: Wenn der Mensch, der euch gerade am nächsten ist, der für euch der wichtigste Mensch auf der Erde ist, sich morgen umrbingen würde, würdet ihr dann seine Entscheidung respektieren? Würdet ihr Verständnis dafür zeigen und wirklich denken "Es war seine/ihre Entscheidung, er/sie hatte das Recht dazu."? Ich denke nicht.
Oh doch. Und glaube mir, das sage ich nicht aus kurzweiligen Ansichten, sondern nach jahrelanger Erfahrung. Und diese Meinungsbildung war alles andere als einfach und locker hinzunehmen. Natürlich gehe ich zum Gefährdeten nicht hin und sage ihm "joa kannst dich abknallen", das nicht. Aber wenn ich merke, dass es sein sehnlichster Wunsch ist und er das als Erlösung für sich selbst sieht (und man ohnehin die Person so gut kennt, dass man weiss, dass sämtliche Ratschläge eh nichts bringen würden) würde ich die Person nicht um Biegen und Brechen davon abhalten wollen. Dazu habe ich ganz einfach auch kein Recht. Alles was ich tun kann, ist ihm die Konsequenzen danach vor Augen zu halten (Trauer der Familie, Angst, dass andere nahestehenden Menschen den Tod seiner Person nicht verkraften würden, etc.), aber ich kann es ihm nicht verbieten, es ist seine Entscheidung und nur seine. Ich wäre genaus wie du, Mereko, unglaublich traurig, aber noch wütender wäre ich, wenn ich mir Tag für Tag, Monat für Monat und Jahr für Jahr dann ansehen müste, wie die Person ihre Qualen erleidet (und psychische Qualen können einen sehr wohl extrem belasten - mit physischen Behinderungen nicht gleichzusetzen, wobei ich diese nicht runterspielen will, aber die Wirkungen sind einfach langfristig gesehen völlig anders) würde ich mir das persönlich noch viel mehr zum Vorwurf machen. Denn an sowas gehen Menschen wirklich langfristig kaputt. Es ist ja nicht so, dass du einfach aufstehst und dein Leben änderst. Auch die Familie, enge Freunde, Therapien und Psychologen können eine Hilfe, eine Stütze für den Kampf gegen die Depression sein, aber keine Lösung für desen Vernichtung. Diesen persönlichen "Sieg über die Krankheit" kannst du nur alleine schaffen. Und selbst dann ist niemals gewährleistet, dass es nicht wieder ausbrechen kann. Hast du es einmal in dir, trägst du es möglicherweise gar bis zu deinem Lebensende mit dir herum. Das kommt auch immer auf die jeweilige Persönlichkeit und die Zeitdauer und Stärke der Depression an. Auch das ist nicht selten ein Motiv für das freiwillige vorzeitige Ableben - was ich voll und ganz nachvollziehen kann, ohne Suizid hier sinngemäß zu beschönigen. Aber ich weiß, was richtige und echte Depressionen - nicht dieser Modescheiss - bei einem empfindsamen, emotionalen Menschen anrichten- und wozu sie ihn treiben können. Und jeder, der mal selbst oder bei Freunden gesehen hat, wird mir hier beipflichten. Die Folgen solcher Krankheiten spürst du selbst als "gesunder" Mensch noch viele Jahre später - es kommt nur auf die Situation an. Das kann, darf und sollte nicht pauschalisiert werden. Ist eh unmöglich. Aber ich wiederhole mich.
Dass es Idiotie ist, wenn sich Menschen allein wegen einer gescheiterten Beziehung umbringen, ist natürlich logisch. Gleiches gilt für reines Aufmerksamkeitsgetue, was sogar dazu noch erbärmlich ist. Darüber muss man nicht diskutieren. Ich rede hier von wahren Motiven, die einen Menschen dazu bringen, sich in den Suizid zu stürzen -. als einzigen Ausweg. Weil alle anderen Kräfte versagen, weil das rationale Denken versagt. So gesehen bist du in diesen Momenten auch "behindert" - nur, dass man es dir äußerlich eben nicht ansieht.
Abgesehen davon, auch "echte Probleme" sind relativer Natur. Wie schon oben geschrieben, vertrete auch ich die Meinung, dass man sich wegen einer gescheiterten Beziehung nicht gleich umbringen sollte, aber sogar hier muss man abwägen. Es macht einen wesentlichen Unterschied aus, wie das Gesamtpaket bei einem Menschen aussieht, als die Beziehung zerbrach. Vieleicht hat er zusätzlich viel Leid erlitten? Vieleicht hat er gemerkt, dass seine Persönlichkeit Beziehungen immer wieder zerstören lässt und er keine Chance sieht, jemals langfristig glücklich zu werden? Liebe, körperliche Nähe und Geborgenheit sind für den Menschen nun einmal sehr wichtig. Was, wenn die Deprssionen dich soweit gekriegt haben, dass du daran ernsthaft (!) nciht mehr glauben kannst? Das mag dir jetzt vermutlich lächerlich erscheinen, Mereko, aber wenn dein Kopf dir genau das suggeriert, Tag für Tag - das Gefühl summiert sich derart stark, dass du irgendwann todunglücklich wirst. Und sowas lässt sich auch nicht einfach verbannen. Ergo, es hängt immer alles von den bisherigen Erfahrung des einzelnen Menschen ab.
Und das ist kein Theoriewissen aus Büchern. Auch kein Wissen aus einem Psychologiestudium...
Entschuldigt bitte den überaus langen Beitrag. Ich wollte mich eigentlich kürzer halten, aber bei einem derartigen Thema brodelt es dann doch aus einem heraus. Ich hoffe, ich bin niemanden zu hart angegangen. Suizid ist ein sehr tiefgehendes Thema und nicht jeder kann und wil sich damit auf extremer Ebene beschäftigen. Und dafür hab ich vollstes Verständnis.
Gute Nacht. :)