Ähnlich wie Kikatzu habe ich auch schon per Briefwahl abgestimmt, einfach weil ich nächsten Sonntag nicht daheim in BaWü sein kann. Wirklich leicht gefallen ist mir die Entscheidung aber nicht, allein weil es dieses Jahr keinen Wahlkampf gab, von dem man etwas hätte mitbekommen können. Eigentlich sind so ziemlich alle Parteien die sichere Schiene gefahren, um sich ja nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen und irgendwelche progressiven Schritte zu unternehmen. Grade CDU und SPD haben das gezeigt und grade bei letzteren haut mich das "beste Wahlprogramm seit Willy Brandt" nicht wirklich vom Hocker.
Dabei hätte unser Land grade mit einem Größerwerden der AfD einen aggressiveren Wahlkampf gut vertragen. Man kann ja über die USA denken was man will, aber der Wahlkampf war in den dortigen Medien (wie auch hier) omnipräsent. Das Ganze war natürlich eine einzige Schlammschlacht, aber es macht der Bevölkerung sehr deutlich, was die Kandidaten wollen. Aber Plakate, auf denen kluge Sprüche oder ein gekünstelt grinsender Kandidat abgebildet sind, gewinnen meine Stimme nicht. Und an großartig vielen anderen Dingen habe ich auch sonst gar nicht gemerkt, dass die Wahlen vor den Türen stehen. Ich frage mich ehrlich, wie so etwas die Nichtwähler zum Wählen bewegen soll - oder Protestwähler gar davon weg, die AfD zu wählen.
Dass sich außer der AfD keine der sonstigen Parteien in irgendeiner Form wirklich bemerkbar gemacht hat, kommt dieser Partei leider nämlich nur zu Gute. In den letzten Woche brauchte man nur wieder öffentliches Aufsehen durch dumme Sprüche erregen oder flugs aus Interviews flüchten - schon steht man wieder im Rampenlicht und im Zentrum aller Aufmerksamkeit. Für die AfD gibt es keine schlechte Publicity und sie will jede Aufmerksamkeit, die sie kriegen kann. Und wenn es sonst niemanden gibt, der den Mund aufmacht, dann wird sie die auch bekommen.
Grade bei der SPD finde ich es traurig, da unheimlich viel Potential verschenkt wurde. Der schulz'sche Hype-Train war riesig und wenn die Partei etwas mehr daran gelegen wäre, diesen Hype aufrecht zu erhalten, ihn mit Inhalten zu füttern oder Parolen, dann hätte der Herr womöglich auch eine ernsthafte Konkurrenz für Merkel sein können. So aber beim besten Willen nicht. Der Hype ist genauso schnell verschwunden, wie er gekommen ist. Was wirklich schade ist, denn die SPD hat eine gute Chance verschenkt, wieder relevant zu werden und mehr zu sein, als ein Fähnchen, dass sich nach der CDU richtet.
Sowohl meine persönlichen Interessen, als auch der Wahl-o-Mat ordnen mich im linken Spektrum ein. Parteien wie die Grünen, Linken oder die Piraten mögen Träumer sein und realistisch betrachtet sind ihre Wahlprogramme Utopien, aber immerhin setzen sie sich Ziele, die nicht den Status Quo beibehalten wollen und alle "so schon ganz okay" finden. Politik beinhaltet nicht das Umsetzen einer vagen Vorstellung in der Realität, sondern das Finden eines Konsens auf Grundlage einer Diskussion. Und dafür sind Meinungen wichtig. Deshalb sind mir diese utopischen Sozialstaat-Vorstellungen recht, denn darauf hinzuarbeiten ist ein guter Schritt, der uns alle vorwärts bringt, auch wenn wir dieses Ziel so niemals erreichen können.
Zwar kann man sich jetzt irgendwo denken, wer meine Stimme erhalten hat, aber explizit aussprechen werde ich es an der Stelle trotzdem nicht. Wen es interessiert, kann mir gerne eine PN schreiben.
Aber meine Prognose ist ja: Merkel wird für weitere 4 Jahre Kanzlerin, die AfD zieht mit ~12% Stimmenanteile in den Bundestag ein, CDU und SPD büßen im Vergleich zur Vorwahl Stimmen ein, Grüne und Linke haben ohnehin Stammplätze, FDP schläft sich mit Digitalisierung und jungen Männern irgendwie über die 5%-Hürde. Man wird sehen, wie die Koalitionsverhandlungen laufen, aber ich hoffe mal, dass es keine weiteren vier Jahre lang eine Große Koalition geben wird - und die AfD dabei kein relevanter Verhandlungspartner sein wird...