Soderle, das Thema verfolge ich nun schon eine ganze Weile, habe aber mangels Freizeit bisher noch nicht die Gelegenheit gehabt, meinen Senf aus der Tube zu drücken. Im Wesentlichen wurde eigentlich auch schon alles gesagt und differenziert, was ich ebenso kritsch betrachtet hätte - womit ich nicht sagen will, das Thema sei durch und man braucht nichts mehr dazu sagen.
Ich glaube, das ist auch der wesentliche Kern des Ganzen - insbesondere wenn es um die Teilaspekte solcher Darstellungen, wie Romantik/Beziehungen, Gleichbehandlung/-berechtigung, Sexismus, Rassismus, Diskriminierung, usw. geht. Solange man noch darüber reden "muss", weil etwas zu kurz kommt oder jemand durch eine Darstellung benachteiligt wird, ist es gut, dass darüber gesprochen wird und dass Misstände aufgezeigt werden, damit sich Dinge bessern können.
Für mich stellt sich dabei vor allem immer die Frage nach dem Maß und der Perspektive, und das sind zweierlei Dinge, die ich in der heutigen Bewertung und Betrachung von Medien leider manchmal schmerzlich vermisse.
Heutzutage werden viele Medien - eigentlich ALLE Medien - anhand dessen bewertet, wie woke sie sind, wie korrekt und vorbildlich sie sind, man kann im Grunde gleich eine Checkliste dafür machen. Ich finde es grundsätzlich nicht falsch, solche Dinge zu hinterfragen, ich selbst hinterfrage ständig, was ich da sehe oder lese, ob mir die Darstellung zusagt, und so weiter.
Vieles davon hat für mich eher auf der handwerklichen Ebene eine Relevanz, spricht: Wie gut ist die Idee/der Ansatz umgesetzt? Und weniger, ob sie alle Ansprüche des Zeitgeists erfüllen, ob sie alles und jeden repräsentieren, etc.
Wer Inhalte nur für die Quote einbaut, wer Symbole nur um der Symbole willen verwendet, der beschmutzt und verwäscht damit meiner Ansicht nach den Eigenwert des Werkes. Wenn solche Dinge verwendet werden, nur um damit Marketing zu betreiben, finde ich es widerlich, tbh (Ja, Netflix, ich schiele zu dir.) Und damit mag ich durchaus kontrovers denken. Denn es macht ein Werk - egal welcher Art - nicht automatisch besser, wenn es mehr Frauen hat, mehr Diversity, Sexualitäten, Identiäten beinhaltet, auch wenn ich verstehen kann, dass zugleich der Wunsch da ist, dass man - sofern man kein "piviligierter alter, weißer Mann" ist - in seiner repräsentativen Darstellung auch gerne "richtig" dargestellt wird. Doch was am Ende "richtig" ist, ist nochmal ein ganz anderes Thema und auch etwas hochgradig Kulturgeprägtes und Individuelles, und da finde ich es sehr schwer und ebenso fraglich, einfach für andere entscheiden zu wollen, welcher Maßstab gesetzt werden muss. Für mich fing das Ganze damals an, dass ich als junges Mädchen, das nicht blond und blauäugig war und auch kein Freund der Farbe Pink, genervt davon war, dass in jeder Superheldinnenserie (sei es Sailor Moon oder sonstiges), immer die "blonde, pinke Tussi" die Heldin war. Es war immer Barbie und nie Theresa - und sobald ein Mensch anfängt, solcher Muster zu erkennen und zu hinterfragen (und sei es aus bloßem Überdruss) sät sich der Nährboden für Bewusstsein und Reflexion bereits selbst. Doch was für mich wichtig ist, kann einem anderen aus diversen Gründen total egal sein. Meistens, weil er nicht betroffen ist, oder weil es ihm schlicht nicht auffällt. Ich finde es daher ebenfalls keinesfalls einfach, zu sagen, dass Leute, die nicht wie (vermutlich) ein Großteil hier weiß, cis, hetero usw. sind, sich doch bitte mal nicht so anstellen sollen. Es ist ein schwieriges, hochgradig persönliches Thema, deshalb denke ich auch nicht, dass es hier eine pauschale Weisheit gibt. Aber ich habe wie oben genannt ein paar Prinzipien, an denen ich mich gerne orientiere, deshalb dazu mehr.
Stichwort Perspektive heißt für mich, dass ich Medien im Rahmen ihres Kontexts betrachte - und das bedeutet auch zur berücksichtigen, mit welchen Ansprüchen sie erschaffen wurden, vor allem aber, unter welchen Umständen und zu welcher Zeit. Es gab immer Leute, ob Autoren oder anderweitig Medienschaffende, die waren ihrer Zeit in ihrem Denken voraus. Viele lebten aber im Rahmen ihres Zeitgeists, genau wie wir es heute tun, und wir entwickeln und verändern uns zudem durch gegebene Umstände noch rasanter als je zuvor. Weder, dass man da mitzieht, noch dass man nicht sofort hinterkommt, ist aber ein Verbrechen. Ich finde es teilweise sogar eher verantwortungslos und rüde, dass heute unglaubliche viele Leute erwarten, dass man für alles, was man tut und jeden Piep, den man macht oder veröffentlicht, Rechenschaft ablegen muss - für Dinge, die man damit nie vorhatte.
Paradebeispiel: Wer heute Tolkien z.B. dafür kritisiert, dass es in Herr der Ringe zu wenig Frauen, Feminismus und Diversity gab, der hat meiner Meinung nach leider übelst einen an der Klatsche und muss seine Prioritäten klären. Natürlich kann man "argumentieren", dass es ein Klassiker ist, der auch heute noch Relevanz hat. Aber gerade weil es ein "altes" Werk ist, kann man ihm nicht einfach auch die Umstände der Zeit vom Leibe reißen, die es eben zu seiner Zeit geprägt haben. Und einen Autor wie Tolkien werden damals eben andere Ansprüche geprägt haben. Überhaupt wird er gar nicht, wie viele Leute heute, auf dem Schirm haben, "was er alles falsch machen könnte", wenn er sein Buch und nun so oder so schreibt.
Und das finde ich - sowohl auf schaffender als auch handwerklicher Ebene - unglaublich bedrückend und auch einschränkend. Nusma hat es schon gut auf den Punkt gebracht. Insbesondere, wenn es um fiktive Werke geht, sollte zu allererst dem Schaffenden überlassen sein, was er schaffen und ausdrücken will. Er tut es für sich, nicht für andere (wobei es natürlich auch Schaffende mit diesem Anspruch gibt), aber es allen überzustülpen, halte ich für falsch und fast schon kriminalisierend. Der Herr der Ringe bleibt trotz dessen, dass er an heutigen Ansprüchen "versagt", ein handwerklich wundervolles, literarisch wertvolles Werk, das zudem im Kern eine sehr einfühlsame und schöne Botschaft mit sich trägt, wenn man schon den Mehrwert betrachten will.
Ähnlich "perspektivisch" sehe ich es auch mit Werken wie Fifty Shades of Grey oder sogar den von euch genannten Sitcoms. FSoG wurde von einer Hobbyautorin hingeschmiert, die eine Twilight-FF schreiben wollte und damit aus versehen berühmt geworden ist. Wollte sie damit ein Vorbild sein oder es irgendwem recht machen? Nein, sie wollte einfach ihre unbedarften Smut-Fantasien niederschreiben und hat sie mit anderen geteilt. Lass die Alte ihren Spaß damit haben, sie geht ja nicht hin und zwingt echte Leute in ungesunde Beziehungen.
Dass das später einen Boom auf dem Büchermarkt auslöst, hat sie bestimmt nicht geplant, und dass Leute auf den Karren springen, ist auch kein Wunder, denn es ist schnell verdientes Geld.
Zu den Sticoms: Natürlich sollte man über sie reflektieren, natürlich reflektiert man heute auch anders und entsprechend landet auch anderes auf dem Markt. Aber vor den paar Jahren, als diese Serien geschaffen wurden, waren die Ansprüche eben auch anders, ebenso wie das Bewusstsein für solche Dinge. Macht es sie dadurch besser? Nein, das auch nicht, aber ihr versteht sicher, was ich sagen will. Man kann Dinge immer prima als schlechtes Beispiel heran ziehen, um Dinge darauf aufbauend besser oder anders zu machen, hat man den Anspruch. Aber man sollte auch die Kirche im Dorf lassen, insbesondere wenn es um Dinge geht, die bereits in der Vergangenheit liegen. Positiv betrachtet kann man sogar darauf zurück blicken und sich darüber freuen, wie weit wir es nun heute gebracht haben ... wenn man die heutige Tendenz denn positiv sehen will.
Und damit wären wir auch beim nächsten Punkt, nämlich das Maß.
Wie gesagt, schwieriges Thema. Ich persönlich bin durchaus ein Verfechter der Redewendung: Du bist, was du isst. Wenn du nur Dinge konsumierst, die dir entsprechende Werte vermitteln, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es dich über kurz oder lang prägt. Dafür muss man auch keine klugen Studien heranziehen oder verstehen können, denn so funktioniert der Mensch nunmal schon seitdem er auf der Erde ist - wir lernen schon die essenziellsten Dinge durch Nachahmung und durch Vorbilder, sind Gewohnheitstiere und passen uns gerne an, um ein möglichst angenehmes Leben zu haben. Und wenn unser Leben doch nicht so angenehm ist, dann entfliehen wir auch mal gerne in Luftschlösser, in Unterhaltung, die uns verschiedene Medien bieten.
Dabei darf man nicht vernachlässigen, dass unser Medienkonsum heutzutage umfangreicher ist, als jemals zuvor. Ein gesundes Maß ist für mich deshalb auch fast schon wichtiger als nur die Perspektive.
Quantitativ bedeutet dieses Prinzip offensichtlich, wie viel wovon ich in mich reinstopfte. Dass McDonalds nicht gesund und Fastfood ist, dafür braucht es längst keine große Aufklärung mehr. Auch sollte jedem bewusst sein, dass "große" Serien, Medien, etc. wie eben solche Sitcoms, billige Beststeller ala Fifty Shades und Twilight, ebenso wie MCU, Disney, und auch wenn um Games und Animes geht, der ganze generische, sexistische Waifu-Kram genauso Fastfood ist, nur eben medial. Es ist für die breite Masse gemacht, bewusst nicht zu komplex, bewusst nicht zu aneckend, bewusst oberflächlich in vielen Aspekten. Und was soll man da sagen außer ... "Überraschung?" Natürlich gehört eine gewisse Medienkompetenz dazu, Teilaspekten solcher Medien auf den Zahn zu fühlen. Aber grundsätzlich zu erkennen, was davon grad Fastfood ist, und was für Geist und Körper eher gesünder, ist wie auch Karl der Heinz schon anmerkte, gewissermaßen auch eine Frage der Erziehung, der Sozialisation und des Zeitgeistes, zuletzt Teil der Verantwortung von Erziehungsberechtigten und Auszubildenden, ebenso aber Eigenverantwortung, sobald man in einer Alter kommt, diese auch selbst zu tragen.
Und solange sich eine Gesellschaft nicht als Ganzes gegen ihr geliebtes "Ficken und Pommes" (pardon für die Wortwahl) wehrt und nur noch hochqualitative, woke und bildungskorrekte Inhalte produziert und zulässt, wird sich auch nichts daran ändern, dass solche Dinge bereitgestellt und von der breiten Masse bereitwillig konsumiert werden.
Und es ist auch vollkommen Ok, mal nen Burger zu essen, und sich mal inhaltslosen Müll in die Rübe zu kippen. Ein Mensch kann auch nicht 24/7 nur aufnahmebereit und scharfsinnig sein. Man sollte halt auf die Menge und Routine achten, soweit es irgendwie geht. Und das ist am Ende jedem (erwachsenen) Menschen selbst überlassen. Ich halte nicht viel davon, im Internet Social-Justice Warrior zu spielen oder jeden anzukacken, der etwas anders macht, als es meinen Ansprüchen entspricht. Ich wähle da - Stichwort Maß im Eigenverhalten - auch lieber hauptsächlich den Weg des Prinzips, mit gutem Beispiel voran zu gehen, soweit ich es eben kann. Ich setze da auch sehr gerne für mich die Grenze, dass ich lediglich Menschen, die mir was bedeuten, auf den Zahn fühle, wenn ich merke, dass ihr eigener Medienkonsum ihnen zum Beispiel gesundheuitlich zu schaden droht oder sie in ihrem Wohlfinden beeinträchtigt oder negativ beeinflusst, ohne dass sie es gleich merken. Oder eben auch wenn ich merke, dass jemand, der mir eigentlich wichtig ist, mir weh tut, weil er mich z.B. ungewollt als Frau diskrimiert, ohne dass er es z.B. wirklich merkt. Solche Hinweise, Gespräche, etc. halte ich für vertretbar und nachvollziehbar und haben Mehrwehrt. Alles andere, dieses Meinungsschreien auf SM, dieses Unterdienasereiben davon, wie Woke man ist, ist für mich hingegen kaum viel mehr, als heuchlerische Selbstjustiz und Egozentrismus, durch die man aber im Ende nicht viel besser macht, außer sich selbs das Gefühl zu geben, dass man es besser macht. Und wie ihr seht, schließt sich da auch schon wieder der Kreis. 