Pfuhhh, was für ein Thema... Das hängt einem momentan schon ziemlich zu den Ohren raus, aber wichtig ist es allemal. Und ich muss feststellen, dass man hier eine bessere Diskussion als in der Schule erwarten kann - abseits von Panikmache und Panikgeschiebe.
Und wie man dabei vielleicht rauslesen kann, habe ich seit Paris persönlich nicht viel mehr Angst als vorher. Im Gegenteil: Dieses "je suis Paris", "Wir müssen alle Solidarität zeigen" und daneben diese Panikmache ist echt anstrengend... -.-
1. Warum sollte man mehr Angst haben als vorher? Die "Gefahr" war schon immer da und erst wenn was in der "Nachbarschaft" passiert, wachen alle auf?
Ich hab Sitznachbarn sich schon unterhalten hören. Beide haben sie beteuert, wie viel Angst sie doch mittlerweile durch die Anschläge hätten, und wer wisse schon, was der IS noch so alles vorhabe. Und dabei haben sie doch tatsächlich so eine Popelstadt wie Bremen mit der Weltmetropole Paris verglichen und meinten, dass sie sich nicht mehr dorthin trauten.
Ich will nicht sagen, der IS rassele nur mit den Säbeln. Das wäre eine vollkommene Verkennung der Lage. Eine Gefahr ist da, aber sie ist seit Paris nicht größer als vorher. Und sie ist vor allem nicht so groß, dass man sich deshalb 24/7 nur noch zu Hause verschanzen sollte.
Jetzt Angst zu schieben, ist genau die falsche Art auf die Anschläge zu reagieren. "Man darf keine Angst vor dem Terrorismus haben." So propagandistisch dieser Satz auch klingt, er hat doch einen wahren Kern. Angst und Panik zu schüren, ist das was, die Terroristen gewollt haben und noch dazu bringt es in dieser Situation einfach mal rein gar nichts.
2. Wir müssen alle Solidarität zeigen. Aber bitte nur mit Frankreich, es heißt ja schließlich "je suis Paris". Was ist mit den Leuten, die solche Anschläge jeden Tag ertragen dürfen? In Afghanistan, Syrien, Iran, etc. herrscht teilweise Bürgerkrieg. Und das interessiert keinen, bis auch der Westen mal eine Kostprobe davon abbekommt.
Diese Doppelzüngigkeit ist es, was mich mit am meisten aufregt.
Das regt mich auf und dann noch der Punkt, den AusterJeans erwähnt hat:
Ich lehne mich mal weit aus dem Fenster und behaupte, dass der IS nie aus dem Schlamm gekrochen wäre (oder zumindest nicht in dem Ausmaße), wenn die USA ihre Hände aus dem Spiel um den Nahen Osten gelassen hätten. So wenig ich auch eine Diktatur begutheißen möchte, Assad hat in Syrien immerhin für Stabilität gesorgt. Eine Stabilität, die nachdem der Westen dort alles zu Klump gehauen hat, der Vergangenheit angehört. Wie kann man denn bitteschön alles, was einem nicht in den Kram passt wegbomben und gleichzeitig das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" predigen - womit wir wieder bei der Doppelzüngigkeit wären.
Zur Debatte Einmarsch ja oder nein:
Ich bin fürgewöhnlich auch eine absoluter Pazifist, wenn es um so etwas geht. Jedoch muss ich leider sagen, dass die Problematik, und das nicht erst seit gestern, einen Punkt erreicht hat, wo in dem eine Lösung ohne Gewalt nicht mehr realistisch ist.
Ich stimme insoweit überein, dass ein Einmarsch allein herzlich sinnlos ist. (Erst recht diese Bombardierung. Da kann man ja geleich so weitermachen, wie es die USA schon seit Jahren praktizieren und einfach alles mit Drohnen beschießen, was zwei Beine, einen langen Bart und seinen Wohnsitz im Nahen Osten hat.) Wenn man Feuer mit Feuer bekämpft, ist ein Inferno das Resultat. Und vor allem ist es alles andere als nachhaltig.
Allerdings braucht man eine kurzfristige Lösung, da mittel- und längerfristige Lösungsansätze eine Zeit lang brauchen, ehe sie vernünftig greifen. Und das Problem ist akkut.
Eine Kombination der Möglichkeiten ist wohl am effektivsten. Da wäre z.B. Anonymous, die einen wichtigen Beitrag leisten, um die Propaganda einzudämmen. Das allein wird wahrscheinlich nichts (oder nur wenig) bringen, aber es ist ein guter und sinnvoller Schritt.
Dann, was Adi sehr richtig angesprochen hat, muss man dem IS irgendwie die Geldhähne zudrehen. Zugegebenermaßen ist das leichter gesagt als getan, da es sich immerhin um illegale Geschäfte handelt, die sicherlich immer durch irgend ein Schlupfloch hindurch funktionieren. Aber gar nichts zu tun, wäre noch fataler.
Hingegen das Problem, das ich da sehe, ist ein anderes: Der Westen wird sich wohl nie dazu müßigen dies zu tun, denn - zwei Financiérs sind z.B. (man korrigiere mich bitte, falls ich Stuss erzähle!) die Türkei als Abnehmer für illegale Ölgeschäfte - ein NATO-Bündnispartner und EU-Mitgliedsanwärter (!) und dann noch Saudi-Arabien einer der Hauptabnehmer für deutsche Waffen und Ölquelle schlechthin. Wer will es sich bitteschön mit denen verscherzen?
Um mal ganz offen meine Einschätzung in den Raum zu werfen: Ich sehe schwarz zumindest, wenn es so weitergeht wie bisher. Alle kochen ihr eigenes Süppchen, anstatt sich zusammen zu setzen, rennen alle gegen Wände, anstatt ansatzweise zusammenzuarbeiten, wird immernoch Schwarzer Peter gespielt. Alles ist irgendwie ineinander verstrickt, es gibt 50 Experten mit 100 verschiedenen Meinungen, und es scheint keine Lösung zu geben, die nicht zu oberflächlich oder alles abdeckend zu sein scheint. Es stehen Möglichkeiten offen, doch sind sie effektiv und durchsetzbar? Wer weiß das schon...
PS: Sorry, wenn es etwas offensiv formuliert ist. Bei dem Thema gerate ich streckenweise echt in Rage. Über Logik- oder Faktenfehler bitte gleich aufklären. >_<