Es sind vielleicht nur drei Worte, aber jetzt habe ich Feuer gefangen. Alles ist eine Frage der Statistik und deren Grundlage sollte genauer untersucht werden. Aber bevor ich mich ins Gefecht stürze, habe ich zuerst noch zwei Zitate:
"Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass 98% aller Terroristen zum Frühstück Brot essen."
"Für die Politik sind Ökonomen wie für Betrunkene Laternen: Sie suchen kein Licht, sondern Halt."
Diese beiden kurzen Phrasen sagen schon viel darüber aus, wo denn das Problem liegt. Einerseits wird viel zu leichtfertig und vor allem unreflektiert mit Statistiken, Zahlen oder Untersuchungen um sich geworfen, andererseits haben sich die Medien bestimmte Zusammenhänge überlegt und suchen nun jemanden, der diese Thesen bestätigt; kritisches Hinterfragen ist dabei unerwünscht. Das mag auch damit zusammen hängen, dass Medien ein Interesse daran haben, möglichst schnell zu berichten, Lösungen zu präsentieren und "konservative Trägheit" zu verurteilen. Dazu ein kurzes Bild aus der Vergangenheit: Letztes Jahr im Herbst in einer großen westdeutschen Stadt (wann und wo es stattfand, kann ich nicht mehr genau sagen (vielleicht Köln?), ist aber auch irrelevant) gab es einen Terroralarm: Angeblich hatten ein paar Schüler eine verdächtige Person gesehen, die dunkel gekleidet und eventuell bewaffnet war. Daraufhin wurde die Schule evakuiert und das Gelände von hunderten Polizisten durchsucht. Gefunden wurde allerdings niemand und es ist auch unklar, ob es diese Person überhaupt gegeben hatte. Einige Reporter waren allerdings so schnell wie möglich vor Ort gewesen und hatten den örtlichen Polizeichef bedrängt, warum denn nicht die Eltern der betreffenden Schüler informiert wurden.
Warum wohl nicht? Was hätte die Polizei den Eltern erzählen sollen? "Sehr geehrte Eltern. Hier spricht die Polizei. Wir wollten Sie nur informieren, dass es an der Schule Ihres Kindes einen relevanten Zwischenfall gegeben haben könnte. Uns ist zwar nichts Näheres bekannt, aber machen Sie sich keine Sorgen, wir haben die Lage unter Kontrolle." Mit Sicherheit hätte die verlangte Initiative der Journalisten genau den gegenteiligen Effekt gehabt und eher für Panik als für Entspannung gesorgt. Aber genau dieses Verhalten ist der Schlüssel: Es muss möglichst schnell etwas Plausibles berichtet werden. Und damit zurück zu dem Vorwurf, dass Amokläufer wegen ihrer Affinität zu gewaltverherrlichenden Computerspielen die Tat erst begangen hatten. Denn hier kommt dieselbe Hast und Übereile zu tragen. In der Regel kann man einen Amokläufer nach seiner Tat nicht mehr zu den Motiven befragen, da er sich selbst gerichtet hat, oder er befindet sich in polizeilicher Verwahrung und ist für mediale Stellungnahmen nicht verfügbar. Also muss ein "Sündenbock" her, der das Greuel erklären kann. Meist heißt es, man habe gewaltverherrlichende Spiele auf dem PC des Täters gefunden und dies wird dann als Erklärung verbreitet. Was an Einzelschicksalen dahinter steckt, interessiert entweder nicht, ist zu mühsam zu erfahren oder kann gar nicht mehr in Erfahrung gebracht werden. Außerdem erscheint die These, Computerspiele führen zu Gewaltexzessen, doch plausibel?
Und da liegt schon wieder ein springender Punkt: Es treten gleich zwei Gedankenfehler aus der Statistik auf. Nur weil es eine Häufung gibt, muss es noch lange keinen Zusammenhang geben. Es gab beispielsweise eine zeitlang eine erstaunlich übereinstimmende Tendenz von den Umfrageergebnissen der Grünen und der Anzahl von Naturkatastrophen; trotzdem gibt es da keine Beziehung, in der die Umfragewerte der Grünen für einen Anstieg der Naturkatastrophen sorgen, auch wenn beide einen Zusammenhang zur Umwelt haben. Und das ist hier auch der Fall: Gewaltverherrlichende Filme (oder Musik) "dürfen" keinen Einfluss auf Amokläufe haben; denn die sind doch erst verstärkt aufgetreten, als eine Verbreitung von Computerspielen gab. Der erste Fehler ist somit, dass Korrelation nichts über Kausalität aussagt; es könnte sich ebenso um einen Zufall handeln. Dieser Zufall könnte beispielsweise darin liegen, dass Amokläufer und Computerspieler beidermaßen eher jung (und ungefestigt) sind. Und man müsste an sich auch von scheinbarer Korrelation sprechen: Die Datenbasis bei Amokläufen ist erschreckend gering, was aber glücklicherweise auch daran liegt, dass diese so selten auftreten. Das führt dann aber auch dazu, dass man nichts Aussagekräftiges über Zusammenhänge sagen kann.
Das beste Beispiel für die Irreführung durch Korrelation ist immernoch folgendes: Betrachtet man die Gesamtverschuldung der BRD mit den Steuereinnahmen des jeweiligen Jahres, stellt man fest, dass die Verschuldung um so höher war, desto mehr der Staat einnahm (=hohe positive Korrelation). Eine solche Statistik ist aber gleich aus mehreren Gründen falsch und irreführend. Allerdings möchte ich das jetzt nicht ökonometrisch argumentieren...
Der zweite Gedankenfehler ist das Gleichsetzen von Korrelation und Kausalität. Mit Korrelation kann man noch statistisch argumentieren (auf Grund der Datenbasis gibt es eine signifikante Veränderung der Zielvariablen Y bei einem Anstieg des Merkmals X), mit Kausalität beschreibt man aber die absolute Wirklichkeit, wie beispielsweise in Form von physikalischen Gesetzen. Es gibt dabei nur einen Haken: Selbst wenn es Kausalität gibt und diese gesichert feststeht, ist die Richtung der Kausalität noch immer unbekannt (und diese statistisch zu beschreiben oder zu erklären, ist noch schwieriger). Also selbst wenn wir annehmen, es steht sicher fest, dass der Konsum gewaltverherrlichender Spiele mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eines Amoklaufes einhergeht (und genaugenommen ist das in dieser Form keine Kausalität, sondern nur eine Korrelation), sagt das immernoch nichts darüber aus, ob nun das "Killerspiel" Amokläufe begünstigt oder ob sich Amokläufer verstärkt zu "Killerspielen" hingezogen fühlen.
Und das sind die statistischen Unwegbarkeiten, mit denen man Konfrontiert ist: Die Datenbasis ist nicht aussagekräftig, eine eventuelle Korrelation kann genauso zufällig sein und selbst wenn es einen statistischen Zusammenhang gibt, sagt das noch nichts über die Wirklichkeit aus. Wäre es nicht zu spät, würde ich noch auf die Untersuchungen zu sprechen kommen, die andere erwähnten. Aber das möchte ich nun mit einem Verweis auf folgende Seite abkürzen: Unstatistik des Monats
Der wichtigste Punkt wurde aber noch gar nicht angesprochen: Was ist überhaupt ein gewaltverherrlichendes "Killer"-Spiel. Es wurden von einigen sogenannte "Ego-Shooter" aufgeführt. Aber ist nicht auch Zelda ein gefährliches und gewaltverherrlichendes Spiel? Immerhin kann man seine Feinde mit einer Projektilwaffe erschießen oder mit Sprengkörpern geradezu pulverisieren. Auch das Stoßen in geschmolzenes Gestein, wiederholte Hiebe mit einem Schwert auf ein Auge oder das Ausreißen von Gliedmaßen sind ein probates Mittel, seine Feinde zu eliminieren. Es ist also nur eine Frage der Definition, was denn ein "Killerspiel" ist. Ich möchte nur daran erinnern, dass schon "World of Warcraft" als "Ego-Shooter" bezeichnet wurde...
Man sollte also vorsichtig damit sein, wenn man Statistiken verwendet. Leicht steckt der Teufel im Detail. Lieber sollte man Dinge kritisch hinterfragen, da zu häufig die Ergebnisse aus Untersuchungen falsch wiedergegeben wurden, Umfragen manipulativ gestellt wurden, Untersuchungen selbst systematischen Modellfehlern unterliegen oder gewisse Medien einfach voreilig berichten...
Aber eine kurze Frage: Kann es sein, dass LeFloid (so hieß er doch?) sich auf irgendwelche alten Berichte bezogen hatte? Ich lese die FAZ eigentlich täglich und kann mich seit Ausbrechen der Ukrainekrise nicht an einen solchen Artikel erinnern...