Habe Fachabitur. War nie ein besonders guter, aber auch nie ein besonders schlechter Schüler. Rückblickend betrachte ich die Schule in drei Stufen.
1.Grundschule:
Nicht nur dank meiner verdammt guten Erziehung meiner Eltern war ich ein fröhliches, teilweise hyperakitves Kind, welches nur vor Lebenswillen gierte. Nach anfänglicher Schüchternheit bekam ich schnell viele Freunde in der Klasse. Wir waren wie eine Einheit und jeder hat jeden zB zum Geburtstag eingeladen. Es war rückblickend die schönste Zeit meines Lebens und deren Glückseligkeit prägt mich, gerade wenn ich in meiner Heimat bin, bis heute.
2.Realschule:
Die ganze Clique aus der Grundschule war plötzlich weg, da die alle auf Gymnasien oder Gesamtschulen verfrachtet wurden. Meine Eltern schickten mich wegen schlechter Mathenoten auf Anraten der Lehrer dagegen zur Realschule. Hier hatte ich nur einen Bekannten von vornherein und das Klima war plötzlich kühl. Ich gab mich zunächst sehr zurückgezogen und musste wieder bei 0 anfangen. Für mich, der es gewohnt war viele Freunde zu haben, völlig ungewöhnlich damals. Schon nach einem halben Jahr geriet ich zum Außenseiter, da der Direktor mich vor aller Öffentlichkeit bloßstellte. Er gab mich dann vor versammelter Runde (alle sollten einen Kreis um mich und den Direktor bilden) "zum Abschuss" frei. Ab da begann ein langer Leidensweg an immer exzessiverem Mobbing, welcher mit den typisch kindlichen Sprüchen begann und schon bald in Richtung Folter abdriftete, da auch die Lehrer wegschauten und/oder übrhaupt nichts kapierten. Auch mein Bekannter aus der Grundschule stellte sich gegen mich, ja, führte den Mob teils sogar gegen mich an. Nach 3 Jahren dieser Zeit stießen in der 7. und 8. Klasse schließlich ehemalige Hauptschüler zu uns, welche ganz besondere Methoden des Mobbings hatten. Ich wurde systematisch fertiggemacht, psychisch wie physisch. Die Hauptschüler bauten dabei auf den bereits vorgelegten Mobingweg auf und verbündeten sich mit den bisherigen Mobbern. Es machte ihnen einfach nur Spaß, sich in sadistischer Weise immer neue Spielchen für mich auszudenken. Sie haben wohl nie kapiert, was sie da in mir angerichtet haben. Aus dieser Zeit trug ich über viele Jahre danach psychische Langzeitschäden mit mir herum und kam mit vielen "normalen" Dingen in der Welt nicht mehr zurecht. Da die Mobber auch viel Einfluß auf der Schule hatten (Fertigmachen von Schwächeren und Einzelnen war dort cool und sexy zugleich), war ich bald fast an der gesamten Schule vogelfrei. Weder untere- noch obere Klassen hatten auch nur ansatzweise Respekt vor mir und hänselten mich oft tagelang in der Schulwoche. Knapp sechs Jahre lang dauerte diese Tortur, wo ich auch einmal freiwillig sitzenblieb, um dem Mob zumindest etwas zu entkommen. Aber in der unteren Stufe ging es dann weiter, auch wenn der Höhepunkt schon erreicht war. Erst im letzten Jahr, als die Mobber entweder mit der Schule fertig waren oder runtergeflogen sind, wurde ich nach und nach wieder anerkannt, fand sowas wie neue Frunde und Bekannte und konnte ganz langsam aufarbeiten. Ab da hatte ich meine Ruhe.
3.Berufskolleg:
Extrem nervös startete ich in meiner neuen Klasse - wieder ganz allein. Doch dieses Mal wurde alles anders: ich wurde von Anfang an respektiert, fand viele neue Bekannte und hatte über zwei Jahre eine halbwegs gute Zeit. Sogar auf Klassenparties ging ich das erste Mal überhaupt. Echte Freundschaften entstanden dort aber nicht. Ds konnte ich nicht. Nicht mit Klassenkameraden. Seit jeher habe ich mir meine Freunde immer mühsam außerhalb der Schule gesucht und habe penibel darauf geachtet, dass diese auch absolut keine Verbindung zu jemanden hatten, der mich aus der Schule kennt. Ich hatte stets Angst, dass mich der Freund sonst verstossen würde, einfach nur, weil er mit "mir" befreundet war. Solche Ausmaße waren das damals. Durch diese zwei recht guten Jahre konnte ich wieder ein wenig Selbstvertrauen in mich und meine Umwelt zurückgewinnen, aber die richtigen Schäden traten eh erst zu dieser Zeit auf.
Das sich anschließende Berufsleben war übrigens ähnlich beschissen. Zwar gab es keine klassische Schul-Mobberei mehr, aber ich habe in den diesen Jahren eine ganze Menge über Missgunst, Vertrauensbrüche, Rufmord, Heuchelei und Falschheit gelernt. War auch nicht grad förderlich, um die Schäden aus der (Real)schulzeit zu "reparieren". Letztendlich gelang mir die Aufarbeitung zum Großteil erst in den letzten Jahren. Einige Sachen aber von damals prägen mich bis heute und werden dies vermutlich auch immer tun. Das liegt wohl auch daran, dass die Dinge aus der Realschulzeit so schrecklich für mich waren, dass ich vieles ganz automatisch verdrängt hab - wohl als Schutzfunktion. Das war nie geplant, das passierte einfach. Ich kann mich an viele Folteraktionen von damals heute nur noch vage erinnern. Und ich glaube....das ist auch gut so.
Übrigens, bitte kein Mitleid auf diese Geschichte. Erstens habe ich Details hier ja gar nicht genannt, und zweitens wurde ich in der Vergangenheit damit bereits überschwemmt ;) Ich kann heut nur sagen: Obgleich der schlimmen Schulvergangenheit geht es mir heute dafür...echt gut. Das überrascht mich immer mal wieder.
Abgesehen davon, du lernst durch diese ganze Psychokacke verdammt viel im Leben. Du siehst es irgendwie mit realistischeren Augen, kannst tiefer in dich gehen, bist offener. Oberflächigkeit existiert quasi bei dir gar nicht. Du kannst auch eigentlich durch diese Erfahrungen gar nicht mehr oberflächlich denken. Zumindest ich kann es nicht. Du freust dich mehr über die kleinen Dinge im Leben. Bist eben "anders" als der Durchschnittsmensch. Das hat Jade ja schon sehr gut dargestellt, kann ich auch so bestätigen.
Zitat
wobei ich sagen würde, dass es in den letzten zwei Jahren eher subtil verlief und ich es so besser ignorieren konnte. Irgendwann schaltet sich im Innersten alles Erdenkliche ab, man stumpft ab sozusagen und reagiert auch nicht mehr.
Ja, das ist eine typische Abwehrfunktion des Unterbewusstseins, wobei natürlich die Symptome damit nicht bekämpft werden. Ich hate leider in vielen Fällen nichtmal das Glück, dieses Abgestumpftheit zu erlangen. Denn gerade, als diese einsetzen wollte, kamen speziell die Ex-Hauptschüler mit einer neuen extremeren Form des Mobbings. Und das wirbelte automatsich alles wieder auf. Erst in den letzten zwei Jahren des Mobbingprozesses gelang mir dieses "Hinnehmen". Und wenn ich hier schon von "gelangen" wie von einem Ziel spreche, kann man sich wohl vorstellen, wie froh man damals auch nur über die minimalsten poitiven Entwicklungen war.