Dann schauen wir mal, was ich so alles zusammenbekomme. Ich nehme hier einmal die zwei Städte über die ich aus dem Stehgreif am meisten schreiben kann: London und Tokio. Ich war auch in Wien, Amsterdam, Berlin und einigen anderen Städten, doch um darüber genug schreiben zu können müsste ich erst einmal mein Fotoalbum bemühen. Das kommt dann vielleicht später einmal.
London
Allein schon die Tatsache, dass ich fast zehn Mal dort war, öfter als in jeder anderen Großstadt, sollte einiges aussagen. Für mich ist es eine DER Städte, insbesondere wegen der sehr lebendigen Musikszene und der Speaker's Corner.
Letzteres ist eine Ecke im Hyde Park, wo man eigentlich ständig irgendwelche Redner beobachten kann. Man holt sich einfach eine Kiste (daher der Begriff „Soapboxing“), stellt sich drauf und redet munter drauflos. Das kann von politischen Reden über persönliche Anliegen bis zu Stand-Up Comedy reichen und ist in jedem Fall sehr interessant. Natürlich gibt es dort auch einige schwarze Schafe die gegen Ausländer und dergleichen hetzen, aber diesen Subjekten wird gottseidank nur wenig Beachtung geschenkt.. und die ist meistens spöttisch. Ich selbst wurde auch einmal regelrecht genötigt dort zu sprechen (mit dem Argument dass ich als Deutscher einen unvoreingenommenen Blick auf London hätte) und bekam sogar tatsächlich Applaus dafür. Alles in allem ein sehr schönes Fleckchen, zu dessen Besuch ich jedem raten kann der einmal sehen will was Redefreiheit wirklich bedeutet.. und wieviel sie eigentlich wert ist, denn das wird heutzutage oft unterschätzt.
Auch die Baker Street besuche ich als glühender Sherlock Holmes Fan natürlich häufig, was dazu führt dass ich sie mittlerweile in- und auswendig kenne. Einer der Führer im Sherlock Holmes Museum kennt mittlerweile sogar schon meinen Vornamen, da ich diesem Juwel Londons jedes Mal einen Besuch abstatte wenn ich dort bin. Auch das Museum kenne ich mittlerweile bestens, trotzdem sehe ich es mir immer wieder an. Natürlich bin ich mir darüber im Klaren dass Sherlock Holmes nie gelebt hat, aber dennoch hat die Atmosphäre der Baker Street 221b etwas einzigartiges, was die Literatur Doyles für mich nahezu greifbar erscheinen lässt.
Und natürlich Camden. Oh Gott, Camden, wie ich dieses Viertel liebe. Egal wie exzentrisch man ist, dort gibt es immer noch einen, der einen übertrifft. Es gibt Läden für absolut jede Subkultur vom Punk bis zum Visual Kei, die Preise sind zum Teil lächerlich gering und was man in den Plattenläden zum Teil findet wäre anderorts eine Sensation. Nicht aber in Camden. Hier hat sich die ganze Subkultur Londons auf einen Fleck versammelt um sich selbst zu feiern, in allen nur denkbaren Schattierungen. Was vielleicht nach Krieg klingt, Punks und Hopper verstehen sich bekanntermaßen nicht gerade häufig, ist jedoch ein absolut friedliches Miteinander, in Camden ist jeder gleich. Dazu kommen zahllose internationale Restaurants, die Camden auch für jemanden der bloß etwas gutes zu Essen sucht einen Besuch wert machen. Und wer sich die Mühe macht ein wenig tiefer in dieses Viertel zu gehen, der wird in den Second Hand Läden oft erstaunliches finden. Wenn ich jemals nach London ziehen sollte, dann nach Camden und nirgendwo sonst. Außerdem befindet sich dort noch das Freud Museum welches ich als Hobbypsychologen natürlich auch gerne besichtige, ebenso der absolut phantastische Londoner Zoo.
Ich könnte ewig so weitermachen. Das Soho, welches Camden an Exzentrikerdichte und Toleranz mindestens gleichkommt. Das Hard Rock Café. Madam Tussauds. Und nicht zu vergessen die unzähligen kleinen Begegnungen die ich in London hatte, beispielsweise die mit einer Bande Punker um Mitternach am London Eye, mit denen ich zwei Stunden(!) über Philosophie diskutiert habe. Wer noch nicht in London war sollte dort mindestens einmal hin und egal wie oft man da war, man kriegt einfach nicht genug.
Tokio
Was kann man über eine Stadt sagen, die das größte Otaku-Viertel der Welt, das Akihabara, beinhaltet? Nun, eine ganze Menge. Ich hatte das Glück, einmal in meinem Leben in diese Stadt reisen zu können und es war etwas, das ich nie vergessen werde.
Schon der Anflug war mehr als nur unterhaltsam. Um meinen Beinen etwas zu gönnen hatte ich mich in der ersten Klasse eingemietet, was den Preis bei fast 17 Stunden Flug allemal wert war. Sonst saßen nur japanische Geschäftsleute im Flieger mit denen ich mich aufgrund meines damals eher gebrochenen Japanisch nur sehr schwer unterhalten konnte. Dennoch hatte ich eine äußerst unterhaltsame Zeit mit ihnen, insbesondere da ich ihnen beibringen durfte auf Deutsch zu zählen und zu fluchen. Ich weiß bis heute nicht, warum sie das können wollten.
In Tokio selber hatte ich mich in einem Kapselhotel eingemietet. Dabei handelt es sich um sensationell billige Unterkünfte die genau so aussehen wie sie heißen. Ein Bett mit integriertem Fernseher in einer Kapsel, Essen gibt es aus dem Automaten, wie eigentlich fast alles in Japan. Man bezahlt einen fast schon symbolisch zu nennenden Preis und weiß dafür, wo man schlafen kann und sein Zeug lagert. Mehr braucht es nicht. Auf den Gängen laufen allerlei komische Gestalten herum und bei einigen habe ich den Verdacht dass sie dieses Kapselhotel nutzen um die rapide ansteigenden Mietkosten in Tokio zu umgehen. Kein dummer Plan eigentlich, denn aus so einem Hotel wird man nie herausgeworfen, außer man zündet etwas darin an. Meine Zeit habe ich natürlich überwiegend auf den Straßen Tokios verbracht, sodass ich nicht viel über das Hotel selber sagen kann. Außer dass Seetangbällchen aus dem Automaten garnicht so schlecht schmecken, vorallem mit ebenfalls aus dem Automaten gekauften grünem Tee.
Mein erster Besuch galt natürlich Akihabara, dem absoluten Nerdviertel. Hier findet man alles, von Cosplayläden über Animetauschbörsen bis hin zu Maiden-Cafes. All das habe ich mir mit regem Interesse angeschaut und meine Eindrücke gesammelt, doch diese hier alle niederzuschreiben wäre wohl etwas zu viel. Allerdings will ich zwei Anekdoten erzählen die mir in Akihabara widerfahren sind und das in relativ kurzer zeitlicher Abfolge:
-Als ich mich gerade in einem Comicladen namens „Jigoku“ (Unterwelt) umsah, der auf Horrormangas spezialisiert war, sah ich aus dem Augenwinkel einen seltsam huschenden Schatten. Zuerst dachte ich, das unheimliche Interior hätte mich verschreckt, doch dann sah ich den Schatten wieder und mir wurde unheimlich. Der Laden war ausgesprochen schlecht beleuchtet, von dezenter Horrormusik passend untermalt und von den Decken hingen zum Teil erstaunlich echt aussehende Skelette, was selbst bei Tage enorm unheimlich wirkt. Als ich den Schatten ein drittes Mal sehen konnte rannte ich ihm nach und prallte direkt gegen einen der Bediensteten. Dieser hatte mich eigentlich nur fragen wollen ob ich irgendetwas brauchte, wollte mich aber nicht erschrecken da ich zu diesem Zeitpunkt äußerst tief in ein Werk von Junji Ito, dem Meister des Horros, vertieft war.
-Wenig später, einen Batzen Horrormangas im Gepäck, suchte ich mir ein Café aus um dort ein wenig auszuspannen. Als ich die Tür zu einem Café namens „Gento Shoujo“ (Wintermädchen) aufmachte dachte ich zunächst, ich hätte mich in der Tür geirrt. Statt eines Cafés erwartete mich ein schmaler Hauseingang und eine ehrfürchtig niederkniende Dame in Maiduniform, die mich in höflichstem Tonfall darum bat die Schuhe auszuziehen. Tatsächlich handelte es sich um ein Maid-Café mit dem Konzept dass die Gäste einander nicht sehen (es gab separate Räume für jeden) und ihnen eine Maid zugeteilt ist. Am Anfang war es mir etwas peinlich so betüddelt zu werden, aber man gewöhnt sich daran.
Ich suchte außerdem noch das Gegenteil eines Maid-Cafés auf, ein sogenanntes „Tsundere-Café“ (wo die Bedienung zunächst unfreundlich ist, aber immer mehr „aufweicht“), einige exzellente Second-Hand Läden und wurde mehrfach von äußerst kreativen Werbekampagnen überrascht, darunter eine mit fünfzig Cosplayern, die in regelmäßigen Abständen ein Banner entrollten, sich äußerst überzeugend darum stritten wo sie es hinhängen sollten und es dann wieder aufrollten um die ganze Chose wieder von neuem zu starten.
Außerhalb von Akihabara habe ich natürlich auch einiges erlebt. Darunter einen Karaoke-Abend mit ein paar Japanern die ich bei einer Präsentation kennengelernt hatte, einen streikenden Sushikoch der seine Produkte aus Protest gegen höhere Steuern auf die Straße warf und eine Demonstration der „Roten Partei“, die um ein Haar in eine Massenschlägerei ausartete. Aber ich will nicht zu viel erzählen, das würde den Rahmen sprengen.
Alles in allem ist Tokio genau so, wie man es sich vorstellt und doch ganz anders. Vor allem aber ist es voll. Wirklich voll. Man muss bis zu 20 Minuten warten um überhaupt in die U-Bahn zu kommen und das außerhalb der Stoßzeit. Dafür sind die Japaner aber irre freundlich, wenn auch mit einem gewissen Tick. Aufgrund meiner Körpergröße wurde ich mehrfach ausgegrenzt und übervorteilt, nicht selten auf unnachahmlich komische Weise. Trotzdem kann ich es denen, die Animes, Mangas, Videospiele und die japanische Kultur mögen nur ans Herz legen Tokio einmal aufzusuchen. Aber Achtung: Es ist extrem teuer.