Ich schließe mich mal Ôra an; danke für den Exkurs @Laura. Da waren tatsächlich auch viele Punkte dabei, die ich so nicht bedacht habe. Es stimmt, dass der Lobbyismus im Allgemeinen schnell verteufelt wird und das aus den Gründen, die du auch genannt hast. Es neigt eben zu Missbrauch und wenn ich meine Meinung umformulieren würde, würde ich sagen, dass die Stellen, an denen der Lobbyismus missbraucht wird, diejenigen sind, an denen der Demokratie mit am meisten geschadet wird. Ist natürlich nicht die Schuld des Konzepts Lobbyismus, sondern eher ein Problem der derzeitigen Umsetzung.
Einerseits würde ich sagen (als Laie), dass auch unter den Lobbyisten vermutlich keine Gleichheit herrscht und dass nicht alle Interessengruppen denselben Grad an Einfluss auswirken können. Um dein Beispiel mit den Heizkraftwerken wieder aufzugreifen: In den meisten Fällen frage ich da ja nicht eine Person, sondern spreche mit Vertretern von verschiedenen Firmen. Ist ja auch sinnvoll, wenn man sich ein möglichst realistisches Bild von Heizkraftwerken machen möchte und damit geht man auch dem Vorwurf der Bevorzugung aus dem Weg, der zwangsläufig aufkommen würde, wenn man nur mit einer Firma spricht.
Wie du aber schon sagtest, als Politiker hab ich jetzt selber vielleicht keine Ahnung von Heizkraftwerken und muss mich auf das verlassen, was mir von Heizkraftwerklern erzählt wird. Das mag sich allerdings aber auch in Nuancen und Details unterscheiden, teilweise für einen Laien sogar widersprüchlich erscheinen und zu Verständnisproblemen führen oder aber, salopp gesagt, man wird von den Vertretern angelogen und bekommt kein realistisches Bild geliefert. Da kann es schwer werden selektive Entscheidungen zu treffen, vor allem wenn es um die Frage geht: Wem geb ich den Auftrag ein neues Heizkraftwerk zu bauen? Und da finde ich es gar nicht mal so weit hergeholt dann den zu nehmen, der mir das großzügigste Honorar dagelassen hat. Womit wir wieder bei Bevorzugung wären. Gleichzeitig haben kleinere Firmen da auch weniger Möglichkeiten, weil sie keine großen Honorare ausstellen können.
(PS: ich hab auch keine Ahnung von Heizkraftwerken und weiß auch nicht, ob und wie viele Firmen es in Deutschland gibt, die die Teile bauen, aber das Prinzip ist hoffentlich klar und lässt sich auch mit Ansaugstutzen oder sonst was erklären.
PPS: Korrigiert mich, wenn ich falsch liege, ich leite mir das grade nur logisch aus dem Gesagten von Laura her. Kann auch gut sein, dass ich grade was überlese und nicht bedacht habe.)
Wie man das Problem zur Gänze lösen kann, weiß ich nicht. Man könnte die Gefahr der Missinformation gänzlich eliminieren versuchen und den Posten des Heizkraftwerk-Ministers mit jemandem zu besetzen, der Ahnung von Heizkraftwerken hat. Was ich auch in anderen Bereichen für sinnvoll halten würde. Da kommt nur wieder ein Problem der Verfügbarkeit auf.
Und ein anderes Problem bei unserer Variante des Lobbyismus sehe ich in der Transparenz. Es wird ja auch schon immer wieder über Lobbyregister diskutiert, die bislang hauptsächlich von der CDU blockiert wurden (gee, I wonder why *salt intensifies*). Generell halte ich das für eine gute Sache, denn wenn man die Beeinflussung schon nicht verhindern kann, dann kann man sie wenigstens öffentlich machen. Damit ist klar, in welchen Interessen die Politiker handeln und argumentieren und man kann das zu Diskussionbasis machen. Auf der anderen Seite ist auch eindeutig klar, welche Konzerne und Interesseverbände sich wie stark hinter eine Angelegenheit oder einen Politiker stellen (hier auch wieder Laien-Logik).
Bislang geschieht das so einfach nicht und alles, was man darüber hört, wird dank der Medien direkt zu Skandalen hochgepuscht. Von dem her wundert mich das auch nicht, dass der Lobbyismus so einen schlechten Ruf hat, weil ein System ist, was keiner in seiner Gänze und seinem Ausmaß versteht, ohne es studiert zu haben - es wird ja auch ein riesiges Geheimnis darum gemacht - einfach angsteinflößend auf den Otto-Normal-Bürger wirkt. Natürlich wird es dann dämonisiert, wenn es den Eindruck erweckt, die EliteTM kontrolliert die Politiker mit der Macht des Geldes aus den Schatten heraus.
Das Ganze läuft dann in ein anderes, großes Problem über, was ich in unsere Demokratie sehe, und das ist mangelnde Volksnähe. Ich hab halt als normaler Bürger nicht wirklich den Eindruck in der Politik was reißen zu können, vor allem nicht, wenn ich keinen Kontakt zu einem Politiker und viel Geld habe (again, entspricht wahrscheinlich nicht der Realität, ist aber ein Eindruck den viele haben). Da ist auch der Rechtsruck nicht überraschend, denn die AfD spricht diese Emotionen bislang recht erfolgreich an. (Mittlerweile wieder weniger, aber immer noch bei 10%, like waaaaat.)
Ich spiel das Problem jetzt aber auch wieder absichtlich runter, denn - das sollten wir und auch ich nicht nicht vergessen - wir haben jetzt 16 Jahre CDU hinter uns. Und CDU-Politik ist, zumindest in meinem Kopf, noch gleichzusetzen mit Politik. Jetzt könnte sich da aber was tun. Egal, was am Ende dabei rauskommt, die FDP und die Grünen werden wohl mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit in der Regierung sitzen (außer DingeTM passieren und wir kriegen Neuwahlen). Und zumindest die Korruption kam bislang vor allem aus Reihen der CDU (nach dem was ich gesehen habe, gab es bei der SPD bei weitem nicht so viele Korruptions-Skandale) und die Grünen und die FDP sind einfach noch nicht so etabliert.
Ohne den Optimisten zu sehr raushängen lassen zu wollen, denn ich mag keine der Parteien sehr (mit Ausnahme der Grünen, die kommen mir aber wie gesagt stellenweise zu lasch vor), würde ich trotzdem erstmal sagen... gucken was passiert? Vielleicht führen neue Parteien in einer Regierung auch zu einer neuen Politik. Die Grünen und die FDP haben es geschafft meine Generation und auch viele andere Leute zu erreichen. Jetzt bin ich gespannt, was sie draus machen.