Ich hab nicht so viel Zeit und eure Beiträge gerade auch nur überflogen, mir scheint aber, dass ich eine eher etwas entgegengesetzte Erfahrung gemacht habe. Als eher introvertierter Mensch, der sich in sozialen Situationen schnell unter Druck gesetzt fühlt, habe ich die gesetzlich verordnete Isolation zunächst sogar ein bisschen genossen - wenigstens am Anfang. Was für mich aber vor allem geblieben ist, auch jetzt, wo die Pandemie vorbei ist, ist mehr Rücksicht auf ein Bedürfnis, allein zu sein. Wo ich mich früher schwer getan habe zu sagen, dass ich lieber zu Hause bleiben will, oder nicht so lange bleiben oder auch mal spontan abzusagen, weil ich mich einfach grade nicht nach Party fühle, wird mir da heute gefühlt mit mehr Verständnis begegnet und leicht akzeptiert, dass es jedem mal so ginge, egal ob aus Angst vor Krankheit, realer oder erlebter Ansteckungsgefahr oder einfach sozialer Überlastung. Den meisten Menschen war während und unmittelbar nach der Pandemie in Menschenansammlungen und Gruppen wahrscheinlich etwas mulmig, sodass sie nun vielleicht eher nachvollziehen können, dass man das nicht immer will und das nichts Persönliches ist.
Ein verwandter Punkt ist, dass ich erlebe, dass auch Leute, die früher jedes psychische oder emotionale Unwohlsein als “reif für die Klapse” gewertet haben, jetzt bereiter sind, anzuerkennen, dass psychische Erkrankungen und Probleme jeden treffen können und echt sind - vielleicht weil viele davon sich während der Pandemie zum ersten Mal selbst in psychischen Ausnahmesituationen befunden haben.
Ich bin mir nicht sicher, inwieweit ich die von Rina beschriebene soziale Verwahrlosung erlebe. Was ich aber auf jeden Fall erlebe ist dieser positive Effekt des gesteigerten Verständnisses für die emotionale Situation der Anderen. Und ich wollte nicht, dass dieser Punkt als potentielle positive Folge der ansonsten einschneidenden und ggf. auch gesellschaftlich traumatisierenden Situation der Pandemie übersehen wird.