Journalisten-Bespitzelung: BND räumt Fehler ein
Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat mit Zurückhaltung auf einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung" reagiert, wonach in weit größerem Ausmaß als bisher bekannt Journalisten bespitzelt worden sein sollen. "Der ehemalige BND-Präsident August Hanning und sein Nachfolger Ernst Uhrlau haben vor einem halben Jahr das Gespräch mit den betroffenen Journalisten geführt. Damals wurde auch öffentlich erklärt, dass Fehler gemacht worden sind", sagte der BND-Sprecher am Freitag in Berlin.
12.05.2006
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"Man hat sich damals einvernehmlich getrennt."
Regierung: Konsequenzen möglich
Die Bundesregierung schließt Konsequenzen infolge der Bespitzelung nicht aus. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte aber, etwaige disziplinarische Maßnahmen könne nur der BND selbst mitteilen. Dies könne auch nur das Ergebnis von internen Ermittlungen und weiteren Beratungen im geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) sein. Das grüne PKG-Mitglied Hans-Christian Ströbele beantragte eine Sondersitzung des Gremiums. Sie solle schon in den nächsten Tagen stattfinden, so Ströbele.
Steg hob hervor, dass die Bundesregierung ein großes Interesse an einer Aufklärung habe. Er versicherte auch, dass die Bundesregierung das hohe Gut der Pressefreiheit verteidigen werde. Er hob zudem hervor, dass die Bundesregierung keine "unehrenhaften Infiltrationsversuche" billige und dagegen vorgehe, falls es sie gegeben habe.
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"Wir wollen Strafanzeige gegen die Verantwortlichen stellen"
Helmut Markwort, Focus-ChefredakteurJournalistenverband fordert Aufklärung
Das offenbar betroffene Magazin "Focus" protestierte gegen die Bespitzelung und verlangte umfassende Aufklärung. "Wir sind erstaunt, dass der BND Journalisten im Inland überwacht", sagte "Focus"-Sprecher Uwe Barfknecht in München. Das Magazin hat sich nach eigenen Angaben bereits 2005 von einem Mitarbeiter getrennt, der nach Erkenntnissen von "Focus" Kollegen bespitzelte. Chefredakteur Helmut Markwort kündigte rechtliche Schritte an. "Wir wollen Strafanzeige gegen die Verantwortlichen stellen", sagte er. Mitarbeiter des BND seien unter anderem in die Tiefgarage des Burda-Verlages eingedrungen und hätten dort Autokennzeichen aufgeschrieben, berichtete er. "Das ist Hausfriedensbruch, das ist rechtswidrig."
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger übten massive Kritik. Sollte sich bewahrheiten, dass der BND Journalisten bespitzelt und für Informationen bezahlt habe, sei dies "ein skandalöser Vorgang", sagte der DJV-Vorsitzende Michael Konken der "Saarbrücker Zeitung". Er forderte die vollständige Offenlegung des Untersuchungsberichts, den der ehemalige Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof, Gerhard Schäfer, am Mittwoch dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) des Bundestages vorgelegt hatte.
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"Üble Spitzelanwerbe-methoden und das Ausspionieren von Journalisten bis in die Privatsphäre hinein sind ein unverfrorener Anschlag auf die Pressefreiheit"
Claudia Roth, GrüneStröbele fordert Konsequenzen
Das PKG-Mitglied Hans-Christian Ströbele (Grüne) sagte, dann könne das PKG auch entscheiden, ob eine öffentliche Erklärung oder eine Bewertung zu den Vorgängen abgegeben werde. Darin könnten auch Konsequenzen benannt werden. Für die Linksfraktion sagte PKG-Mitglied Wolfgang Neskovic, wenn der Zeitungsbericht zutreffe, dann müsse genau geprüft werden, ob personelle oder sachliche Konsequenzen nötig seien. So müsse untersucht werden, ob klare Dienstanweisungen vorlagen, um eine Zuordnung von Verantwortlichkeiten vornehmen zu können.
Der FDP-Abgeordnete Max Stadler, der dem PKG angehört, sagte, es sei "Sache der Bundesregierung, jetzt öffentlich das Ausmaß der Bespitzelungen einzuräumen". Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sagte, "üble Spitzelanwerbemthoden und das Ausspionieren von Journalisten bis in die Privatsphäre hinein" seien ein "unverfrorener Anschlag auf die Pressefreiheit". Es gehe nicht an, dass die Demokratie zur Geisel eines Geheimdiensts werde. Das Vorgehen des BND sei daher kein Kavaliersdelikt, das mit Entschuldigungen aus der Welt zu schaffen wäre.
Bespitzelung bis Herbst 2005?
Wie die SZ erfahren haben will, belegen die Untersuchungen Schäfers, dass der BND nicht nur einzelne Journalisten beschattet hat. Der BND-Sprecher sagte dazu, der Bericht über die Angelegenheit in der PKG sei der Abschluss der Aufarbeitung dieses Themas gewesen.
Der für die Auslandsaufklärung zuständige Geheimdienst habe Journalisten auch gezielt auf Kollegen angesetzt, um zu erfahren, an welchen Themen diese gerade arbeiteten, schreibt die SZ. Namentlich soll Schäfer fünf Journalisten genannt haben, die entweder selbst Informationen über Kollegen anboten oder vom BND befragt worden seien. Besonders interessiert war der BND demnach an Redakteuren des Magazins "Der Spiegel". Noch im Herbst 2005 habe der BND Informationen über einen bekannten deutschen Journalisten entgegen genommen. Auch Gaststätten, von denen der Dienst vermutete, dass Redakteure dort Informanten trafen, seien überwacht worden, so die SZ.
Praktiken "unverhältnismäßig"
Schäfer habe die Praktiken nach Informationen der Zeitungen als "unverhältnismäßig" und "eindeutig rechtswidrig" bezeichnet. Der Bericht bestätige, dass ein ehemaliger "Stern"-Journalist 1996 beschattet worden sei. Ein Journalist des Magazins "Focus" sei über Jahre hinweg bis ins Privatleben hinein überwacht worden. Auch ein Redakteur der "Südwest Presse" sei ins Visier des BND geraten. Offenbar hätten Mitarbeiter des Dienstes auch umfangreich Akten vernichtet. Schäfers Untersuchungen belegten zudem, dass der BND Journalisten Geld für Informationen gezahlt habe.
Bereits im November vergangenen Jahres hatte sich der BND für jahrelange Bespitzelungen beim Publizisten Erich Schmidt-Eenboom entschuldigt. Der Auslandsgeheimdienst hatte ihn selbst und sein Forschungsinstitut für Friedenspolitik von November 1993 bis März 1996 mit Unterbrechungen observiert. Der damalige BND-Chef August Hanning hatte zuvor bereits öffentlich zugegeben, dass seine Behörde 1993 und 1994 Journalisten bespitzelt habe, um undichte Stellen im eigenen Apparat aufzudecken.
Mit Material von dpa, REUTERS, AP, AFP