NFTs haben es binnen eins Jahrs geschafft den Internet Diskurs zu dominieren. Viele Firmen versuchen auf den Zug aufzuspringen nur um dann von irgendwelchen Mobs mit Fackeln und Mistgabeln eines Besseren belehrt zu werden. Ich habe mich kürzlich auf die virtuelle Reise begeben, herauszufinden was NFTs für viele so Interessant macht und warum Menschen bereit sind so viel Geld in sie zu investieren (spoiler alert: ich weiß es immer noch nicht). In diesem Thread möchte ich gerne meine Einsichten mit euch teilen und mit euch darüber diskutieren. Zuerst gehe ich auf die technische Grundlage der NFTs ein und was NFTs überhaupt sind und erörtere später die größeren Zusammenhänge.
Tl;dr;: Mir ist nicht klar warum NFTs so hoch im Kurs stehen, wenn ihre technischen und gesetzlichen Grundlagen viele der Attribute, die man NFTs zuschreibt, gar nicht unterstützen.
Disclaimer: Bei meinen technischen Beschreibungen habe ich manchmal die Verständlichkeit der Präzision vorgezogen, daher verzeiht mir, wenn gewisse Sonderfälle nicht berücksichtigt werden.
Was ist die Blockchain?
Eine Blockchain ist eine verteilte Datenbank. Viele Computer auf der ganzen Welt haben eine Kopie dieser Datenbank und einigen sich auf deren Inhalt, was dazu führt, dass jede Kopie dieser Datenbank überall den gleichen Inhalt hat. Die Verfahren, die zum Erhalt dieses Konsenses beitragen heißen Proof of Work[1] und Proof of Stake. Der Energiebedarf und andere Einzelheiten dieser Algorithmen sind nicht Gegenstand dieser Diskussion, aber ist aktuell erheblich. Ethereum will Mitte des Jahres auf ein Proof of Stake Modell wechseln[2], das den Energiebedarf der Blockchain deutlich reduzieren sollte. Im Allgemeinen Fall von Kryptowährungen wird diese Datenbank dafür verwendet, abzuspeichern, wer wie viel Währung an wen übertragen hat. Im Grunde eine riesige Liste an Transaktionen; ähnlich, wie bei einer Bank. Diejenigen, die den Konsens der Datenbank aufrechterhalten, werden Miner genannt, weil sie durch ihre Arbeit die Blockchain erhalten und im Gegenzug Währung dafür erhalten.
Was sind Smart Contracts?
Man kann Blockchains aber auch für andere Zwecke verwenden als nur zum Speichern von Transaktionen. Man kann auch Programme in der Datenbank hinterlegen, die unter gewissen Umständen von dem Netzwerk ausgeführt werden. Die Programme werden mit einer gewissen Menge Währung aufgeladen, die diejenigen erhalten, die das Programm ausführen. Man kann es sich vorstellen wie ein Getränkeautomat[3]. Man wirft Geld rein, die Maschine arbeitet und am Ende passiert etwas – das Getränk fällt heraus. Diese Programme heißen Smart Contracts und haben nichts mit Verträgen im herkömmlichen Sinne zu tun. Der „Vertrag“ ist vielmehr eine Art Kaufvertrag: Der Käufer kauft Rechenzyklen vom Netzwerk indem er den Vertrag mit Geld auflädt und der Vertrag berechnet dann seine smarten Dinge auf eine kryptografisch nachweisbare Art.
Was sind NFTs?
Diese Programme können in die Blockchain schreiben und können auch andere Gegenstände zwischen Accounts übertragen als nur Währung. Non-Fungible Tokens (NFTs)[4] sind solche Gegenstände. Non-Fungible bedeutet so viel wie nicht austauschbar. Im Gegensatz zu einem Bitcoin ist ein NFT nicht austauschbar mit einem beliebigen anderen NFT. Ein Smart Contract kann einen solchen Token erstellen und einer Adresse bzw. einem Konto übertragen. Jedes Mal wenn ein User den Token an einen anderen User übertragen möchte, muss er das auch über dieses Programm tun. Ein Token besteht dabei aus einer ID (jedes Programm kann eine ID nur ein Mal vergeben) und aus Metadaten. Die Metadaten enthalten in der Regel einen Namen und eine Beschreibung des Tokens sowie eine URL zu dem Bild, das mit dem NFT verknüpft ist. Wichtig: Sie enthalten nicht die Daten des Bildes selbst, sondern nur den Link. Technisch gesehen könnten sie die Daten des Bildes enthalten, allerdings würde das Erstellen des NFTs infolgedessen extrem teuer werden (1MB kostet ca. 32 Ethereum ~ 86.000 EUR).
Wie erstellt man NFTs?
Als Nutzer der Plattformen ist es sehr einfach einen NFT zu erstellen. Man vergibt einen Namen, eine Beschreibung, lädt ein Bild hoch und kann je nach Smart Contract noch ein paar andere Eigenschaften vergeben. Der Anbieter schreibt diesen Token dann entweder sofort in die Blockchain (auf Kosten des Erstellers), oder erst beim ersten Verkauf (auf Kosten des Käufers). Das Festhalten in der Blockchain nennt man auch Minting. Mit dem richtigen technischen Know-How kann man sich auch selbst einen Smart Contract schreiben[3], der NFTs minten kann. Die Kosten für das Minten sind einmalig und müssen später nicht noch einmal gezahlt werden.
Wie handelt man NFTs?
Wenn man einen NFT auf einer Plattform wie OpenSea oder Raribles ersteigert, oder kauft, befiehlt man dem Smart Contract der jeweiligen Platform indirekt, den Besitzer des jeweiligen Tokens auf einen neuen Besitzer umzuschreiben und das Geld auf das Konto des bisherigen Besitzers zu übertragen. Ein Konto ist hier eine Wallet. Man kann sich so ein Wallet in der Regel sehr einfach erstellen. Für Ethereum ist z.B. Metamask sehr weit verbreitete.
Nicht alle Programme unterstützen eine Weitergabe der Tokens, aber das sind Ausnahmen und sind auch immer im Voraus bekannt.
Manche Contracts verlangen bei einem Weiterverkauf sogenannte Royalties. Im Grunde verdient der ursprüngliche Ersteller des Tokens mit Royalties an jedem Weiterverkauf einen Anteil des Verkaufspreises.
Wie erhalten NFTs ihren Wert?
Der Preis eines NFTs definiert sich primär durch Versteigerung. Nutzer der jeweiligen Handelsplattform überbieten sich, bis die Frist der Versteigerung vorbei ist. Der Token wird dann dem Höchstbietenden verkauft. Alternativ, wenn der Besitzer den NFT zum Verkauf freigibt, kann er ähnlich wie bei Ebay, einen Sofort-Kauf Preis einstellen. Es kann auch beide zugelassen werden. In der Regel werden diese Beträge in der Währung bezahlt, zu der die jeweilige Blockchain gehört. Der Wechselkurs der Währung in die eigene Fiat-Währung spielt bei dem erzielten Preis auch eine Rolle. Die Preishistorie des Tokens kann den wahrgenommen Wert des Tokens auch beeinflussen, da der Käufer dann eine hohe Nachfrage vermutet. Allerdings kann es sein, dass ein Verkäufer sich seinen Token selbst abkauft, um einen hohen Wert vorzutäuschen, oder einer zu niedrigen Versteigerung zu entgehen. Durch die Anonymität und mangelnden Regulierung der Blockchains ist es sehr schwierig solche Tricks zu verhindern, zu erkennen oder sogar zu ahnden.
Der Mehrwert von NFTs für Künstler
Was NFTs so interessant macht, ist dass sie in der Regel einzigartig, als auch übertragbar sind. Wenn jemand also einen NFT erstellt, der sehr beliebt ist, kann er diesen für einen hohen Preise weiterverkaufen. Mit einem Royalty-behafteten NFT profitiert er sogar von jedem Weiterverkauf. Das macht NFTs für Verkäufer sehr attraktiv, da sie ohne Mehraufwand eine digitale Kopie von etwas verkaufen können, das sie bereits haben. Die am weitesten verbreitete Art der NFTs ist natürlich das Bild, daher kommt der Aufwand für die Erstellung des Bildes hinzu. Manche sogenannte „generative artworks“ sind prozedural erstellt und ermöglichen es einfach tausende einzigartige Bilder zu erstellen. So gesehen ist der Verkauf von NFTs eine großartige Einnahmequelle für Künstler aller Art.
Vergleich mit echten Kunstwerken
Wenn man herkömmliche Kunstwerke kauft, ist jedes dieser Kunstwerke ein Unikat und kann nicht ohne Weiteres vervielfältigt werden. Selbst wenn der Künstler ein Bild mehrfach zeichnet, ist jedes davon einzigartig. Es ist ihre Ästhetik und Einzigartigkeit, die Kunstwerken ihren Wert verleiht. Im Gegensatz zu digitalen Tokens haben Kunstwerke auch Masse und Präsenz in der echten Welt. Ihre Existenz ist nicht bedingt durch die Existenz einer Blockchain.
NFTs sind oftmals ebenso ästhetisch, wie ihre physische Repräsentation, aber reicht das allein, wenn man das Bild auch einfach so herunterladen kann? Es gibt beispielsweise viele bösartige Memes über das simple „Rechtsklick -> Speichern unter…“ von NFTs.
Interessanterweise gibt es Frankreich sogar eine verpflichtende Royalty an den ursprünglichen Künstler[5], wenn man sein Kunstwerk weiterverkauft. Zudem erwirbt man in einer Kunstauktion nicht das Recht an der z.B. Vervielfältigung des Bildes, sondern darf es nur ausstellen, oder weiterverkaufen. Ausstellen käme im Internet dem Präsentieren auf einer Website oder dem Setzen als Profilbild gleich.
Vergleich mit Sammelkarten
Eine andere Perspektive auf NFTs wäre noch sie als eine Art Sammelkarte zu betrachten. Sammelkarten haben oftmals viele verschiedene Bilder im gleichen Stil und können beliebig oft vervielfältigt werden. Die Fähigkeit von Tokens eine eigene begrenzte Menge zu haben, bedeutet, dass es auch limited Editions geben kann. Bei Sammelkarten in limitierter Auflage, muss es auch das Vertrauen des Käufers in den Produzenten geben, dass er die Karte nicht zu einem späteren Zeitpunkt weiter vervielfältigt. Zudem hat man bei Sammelkarten nicht das Recht am aufgedruckten Bild. Spiele wie Spellfire verwenden NFTs sogar in dieser Kapazität. Bei Sammelkarten haben aber die Karten selbst wiederum einen Nutzen im Kontext des Spiels und bieten dem Spieler neue Optionen das Spiel zu spielen. Mir sind keine Sammelkartenspiele bewusst, wo der Besitz einer vollständigen Sammlung das einzige Ziel ist.
Mögliche Schwachstellen
Der Prozess hat auch eine Vielzahl an Schwachstellen, die man nicht bzw. teilweise nur mit Mehraufwand abdecken kann. Der Autor des Smart Contracts könnte einen Bug in seinem Programm haben, oder sogar mit bösen Absichten handeln. Dies könnte dazu führen, dass die Transaktion nur einseitig ausgeführt wird, oder das Geld das man für den Token bezahlt hat, übertragen wird, aber der Token nicht den Besitz wechselt.
Der Code des Programms ist zwar in der Blockchain einsehbar, aber niemand hat die Zeit, Lust und das Know-How, um jeden NFT Smart Contract zu studieren, bevor er ein NFT dieses Contracts kauft. In vielen ähnlich unregulierten Feldern läuft das über den Ruf einer Person, doch in einer so anonymen Umgebung und dieser Vielzahl an Smart Contracts ist so eine Regulierung fast nicht anwendbar.
Ein bösartiger Plattformbetreiber könnte auch spontan entscheiden, alle bei ihm gehosteten NFT Bilder mit Dickbutt zu ersetzen. Er kann zwar nicht die URLs in den Tokens verändern, aber wer auch immer über Kontrolle über das Ziel der URL, oder die Domain hat, kann das Bild des Tokens beliebig verändern. Er könnte auch das Geld für die Käufe einziehen, ohne es über die Smart Contracts abzuwickeln.
Darüber hinaus muss man dem Künstler, der das Bild als NFT verkauft hat, vertrauen, dass er dasselbe Bild nicht noch einmal verkauft – digitale Dateien können schließlich perfekt unendlich vervielfältigt werden.
Anreize zum Besitz
Wenn man annimmt, dass ein Käufer, sich all diesen Aspekten bewusst ist und der NFT nicht in eine eigene Anwendung eingebunden ist, die ihm Sinn gibt, bleibt für mich nur noch ein Motiv für einen solchen Kauf übrig: Unterstützung des Künstlers. Hierfür gibt es allerdings weit direktere Methoden. Beispiele hierfür sind Comissions, Patreon, oder ein schlichtes Erwerben des Bildes auf traditionelle Art. Nehmen wir also an, dass ein Käufer einfach den Künstler unterstützen möchte. Warum sollte nun aber eine dritte Person wiederum diesen Token erwerben wollen? Wenn auf dem NFT-Verkauf keine Royalties erhoben werden, kann er damit den ursprünglichen Künstler nicht unterstützen.
Gesetze ohne Gesetze
In den TOS von OpenSea wird in keinem Wort erwähnt, dass der Erwerb eines NFTs dem neuen Besitzer irgendwelche Nutzungsrechte oder Urheberrechte einräumt. Meine einzige Idee, wie das ganze Sinn ergeben würde, ist wenn all diese fehlenden gesetzlichen Grundlagen einfach nur angenommen werden. Dass also die Annahme besteht, dass der Erwerb eines NFTs gleichzusetzen ist mit dem Erwerb eines z.B. Gemäldes, oder zumindest einer Sammelkarte, obwohl die Gesetzliche Grundlage dafür nicht existiert. Die kollektive Ethik der NFT Community sorgt dafür, dass keiner, der einen NFT anbietet, hinterher den Käufer verklagt, weil er das Bild des Tokens als Profilbild verwendet. Ich bin kein großer Freund des Urheberrechts im digitalen Zeitalter, aber was passiert, wenn ein Dritter das Bild schlicht herunterlädt und selbst als Profilbild verwendet? Nach aktuellem Stand vermute ich, dass nur der ursprüngliche Autor des Bildes das Recht hätte, Klage gegen die dritte Person einzulegen. Wer sollte denn das Recht zur Klage haben? Nur der Künstler, oder auch der aktuelle Besitzer? Ein interessanter Move von Twitter war kürzlich das Einführen von einer Verifikation von NFT Profilbildern[6], die es für die Twitter Mobs einfacher macht, ihre kollektive Ethik bezüglich NFTs „durchzusetzen“, wie auch immer die dann aussieht.
Was also soll das ganze? Könnt ihr mir helfen hier Licht ins Dunkle zu bringen? Bin ich schlicht jemand, der im Gegensatz zu Ubisoft[7] NFTs nicht versteht? Für mich ist es einfach nicht nachvollziehbar, wie man NFTs so einen Wert zusprechen kann. Ich sehen ihr Potential, aber die Rahmenbedingungen machen es meiner Meinung nach schwer das Potential richtig auszuschöpfen.
Referenzen
[1] Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System
[2] Proof of Stake FAQ
[3] Introduction to Smart Contracts
[4] ERC-721 Non-Fungible Token Standard
[5] Resale Right in Frankreich
[6] Twitter NFT Profilbilder
[7] Ubisoft CEO Interview