Ich habe mir mal die Mühe gemacht, meine Vorstellungen einer Dystopie bzw. einer Utopie zusammenzufassen, so wie ich das vor einer Weile angekündigt habe. Ich hoffe, dass dies den Leuten, die mich danach gefragt haben, verdeutlicht, wie ich mir diese jeweiligen Szenarien ausmale und vielleicht bringt das ja auch den ein oder anderen dazu, hier mal seine Vorstellungen aufzuschreiben. Ich weiß, das ist ne ganze Menge Text, aber ich hab auch viel zu erzählen. Ein paar Dinge aber noch vorweg.
Zum einen verdeutlicht das nur, wie ich mir ein solches Szenario vorstelle. Welches der beiden ich für wahrscheinlicher halte, wie ich sie beurteile und ob ich überhaupt denke, dass eines dieser beiden Szenarien Wirklichkeit wird, lass ich jetzt mal außen vor.
Zum anderen soll das auf keinen Fall den Eindruck einer wissenschaftlichen Abhandlung erwecken, auch wenn viele Fremdwörter und teils fies verschachtelte Satzbauten drin sind. Mit Wissenschaft hat das herzlich wenig zu tun. Das Ganze ist rein hypothetisch und basiert einzig und allein auf meinen Erfahrungen, meinen Beobachtungen und den Schlussfolgerungen, die ich daraus ziehe, sowie den Gedanken, die ich mir über alles mache.
Nun ja...lasst euch von der Masse an Text nicht einschüchtern, ich hab extra auf korrekte Zeichensetzung und sowas geachtet, damit das auch wirklich verständlich ist und hab nicht mal Schimpfwörter benutzt, Jade und Jeanne können also unbesorgt sein^^
Viel Spaß beim Lesen.
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Fangen wir mit der Dystopie an.
Auch wenn die Idee des urbanen Molochs und der totalen Industrialisierung, wie man sie zum Beispiel aus „Blade Runner“ oder „Das Fünfte Element“ kennt, eine sehr literarische Vorstellung einer Dystopie ist, denke ich, dass uns etwas vergleichbares eher nicht bevorsteht. So etwas könnte ich mir in Amerika vorstellen oder in Japan, wo es ja jetzt schon solche unglaublich großen Metropolen gibt wie Mexico City, New York, L.A. oder Tokio. In Europa halte ich es für unwahrscheinlich, dass unsere vergleichsweise kleinen Metropolen wie Paris, London oder Berlin zu solchen massiven Stadtregionen heranwachsen. Nicht einmal das völlig von Industrie verbaute Ruhrgebiet.
Ich denke, wenn uns ein Dystopia erwartet, dann eher ein ideologisches, wie eben in „1984“, „Schöne Neue Welt“ oder „Equilibrium“. Der erste Schritt wird wohl die totale Überwachung sein, denn das ist der Punkt, von dem wir am wenigsten entfernt sind. Schon heute kann man uns, wenn man will, auf Schritt und Tritt verfolgen, es ist nachvollziehbar, was wir im Internet machen, was wir kaufen, mit welchen Leuten wir verkehren und wem wir welche SMS schreiben. Gerade die in „1984“ als Voraussetzung beschriebene Präventivangst vor Terror, Krieg und Inflation, kann man bei uns schon heute sehr stark beobachten. Das führt dazu, dass immer mehr Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, um uns vor eventuellen Katastrophen zu schützen. Irgendwann kommt dann der Punkt wo das Ganze kippt, vermutlich eher durch einen oder mehrere Terroranschläge auf unser Land als durch einen Putsch oder einen Angriff eines unserer Nachbarländer. Von diesem Punkt an wird die präventive Überwachung zu einer totalen, um uns scheinbar vor weiteren Anschlägen dieser Art zu schützen. Da das Volk verängstigt ist, wird es sich darauf nur zu gern einlassen.
Der nächste Punkt, dem wir uns auch schon recht schnell nähern, wäre dann die Ruhigstellung des Volkes. Denn der mittlerweile totalitäre Staat will sein Gerüst aus Vorsichtsmaßnahmen ja nicht zusammenbrechen sehen, weil die Bevölkerung unzufrieden ist. Im Moment ist es so, dass Staat und Medien nicht direkt zusammenarbeiten, dennoch kann man deutlich erkennen, dass das Volk durch die Medien manipuliert wird. Es verroht und verliert zunehmend den Kontakt zur Kultur und irgendwann auch zur Realität. Wenn wir oben erklärten Punkt der totalen Kontrolle erreicht haben, wird der Staat direkt in die Medien eingreifen und diese effektiv dazu nutzen, das Volk zu beeinflussen. Wie einfach das ist, hat man im Dritten Reich gesehen und die hatten nur Zeitungen und den Volksempfänger. Nach und nach werden uns die Medien immer mehr einlullen und es wird sicher auch eine ikonenhafte Figur geben (so wie den Vater aus „Equilibrium“ oder einfach Hitler oder Stalin aus der Realität), die immer öfter in Fernsehansprachen zu uns spricht und uns erklärt, dass alles zu unserem Besten ist.
Damit verbunden wird dann auch die Abschottung von der Außenwelt, so wie es die DDR seit 1961 gehandhabt hat. Die Welt außerhalb des dystopischen Reiches wird als bedrohlich und eventuell als lebensfeindlich dargestellt. Dagegen halte ich eine Abschottung zum Schutz vor Verstrahlung und Mutation aufgrund einer atomaren Katastrophe für unwahrscheinlich, einfach aus dem Grund, weil ich denke, ein Atomkrieg oder dergleichen würde zu meiner Vorstellung einer Utopie führen, aber dazu später mehr. Auch halte ich die oft beschriebene Abwendung des Menschen von der Natur, zumindest bei uns, für abwegig.
Die nächste Stufe dieser Vorstellung von Dystopia wäre dann die Gleichschaltung der Menschen, also die Beseitigung des Individuums. Das würde damit anfangen, dass allerlei Dinge verboten werden, die der Gehorsamkeit der Bevölkerung schaden könnten. Zuerst wären das die systemkritischen Künste, auch das haben wir allein im letzten Jahrhundert mehrfach erlebt, im Dritten Reich, in der Sowjetunion und der DDR und so wird das auch jetzt noch in China gehandhabt. Nach und nach würden dann Kunst, Kultur und Religion komplett abgeschafft werden, bis nur noch die Medien existieren, durch die der Staat das Volk gefügig macht. Das heißt Musik, Kunst, Literatur und auch Computerspiele würden abgeschafft und verboten werden und als einziges würden Fernsehübertragungen der Führerfigur(en), Befehle und Ansprachen über öffentliche Lautsprecher und Leinwände sowie eine neue Art der Werbung, die uns weismacht, wie toll alles ist, laufen. Damit einhergehend wäre auch eine neue Form der Architektur, die sich entweder in solchen Prestigebauten zeigt, wie bei Louis XIV. und den Nationalsozialisten oder aber in einer absoluten Minimalisierung, sodass im Endeffekt alles kalt, grau und steril wird.
Durch all das werden die Menschen zunehmend abgestumpfter, so ist es also nur ein kleiner Schritt zur nächsten Phase, der Abschaffung von Gefühlen und Persönlichkeit. Dazu würden die Menschen mit Drogen ruhiggestellt werden, so wie das in „Equilibrium“ der Fall ist. Die Menschen würden zu seelenlosen Hüllen umfunktioniert, deren einziger Zweck es wäre, das System durch ihre Arbeit am Leben zu erhalten. Sie würden funktionieren wie Maschinen. Der oben erwähnte Gleichschaltungsprozess wäre damit abgeschlossen. Zusätzlich kann ich mir gut vorstellen, einfach weil es auch heute schon so anfängt, dass der Hedonismus zur Religion erklärt wird, so wie in „Schöne Neue Welt“. Die Abschaffung der normalen Religionen und des Glaubens wäre ja im vorherigen Schritt schon abgeschlossen. Es gäbe sicher auch die Variante einer Dystopie mit der Kirche als Oberhaupt, aber das kann ich mir ehrlich gesagt schwer vorstellen.
Die Fortpflanzung würde dann der Wissenschaft überlassen werden, da es selbst in einer hedonistischen Gesellschaft ohne Gefühle nicht zu einer natürlichen Vermehrung kommen könnte.
Im Endeffekt würde dieses dystopische Reich dann aus willenlosen Hüllen bestehen, die sich in einer sterilen Welt ohne Sinn fortbewegen, ständig überwacht durch Sicherheitssysteme und Polizei, mit einem staatlich geregelten Tages- und Lebensablauf und pausenlos berieselt durch die staatlichen Medien. Anhand der Lebensdauer vergangener Systeme, die auf dem Weg in dieses Szenario waren, sprich unter anderem der DDR und der Sowjetunion, würde ich vermuten, dass (ohne die Präventivmaßnahmen einzuberechnen) vom Zeitpunkt des Auslösers, also beispielsweise eines Terroranschlags, bis zum letzten Punkt eine Zeitspanne von etwa 50 bis 75 Jahren vergehen würde. Dieser endgültige Zustand würde dann vermutlich nochmal maximal 50 Jahre anhalten bis das ganze System vollständig in sich zusammbricht. Entweder durch eine natürliche Katastrophe oder einen Angriff von außen und der damit verbundenen totalen Vernichtung oder aber durch wachsenden Unmut und dem daraus folgenden Umsturz von innen. Was danach kommt, kann ich mir auch nicht vorstellen, vermutlich aber ein radikaler Neubeginn in einer mittelalterlichen Gesellschaft, also mit Tauschhandel und vorwiegend körperlicher Arbeit.
So sieht für mich ein Dystopia aus. Ihr seht, dass ich das Szenario auf Europa beschränke. Ich halte es aber, je nach Entwicklungsstand, für durchaus denkbar, dass das auch auf einer Raumstation oder auf einem anderen Planeten stattfinden könnte, wobei es da auch schon wieder völlig anders aussehen könnte, einfach weil wir Europäer nicht die einzigen Menschen im All sein werden und die ganzen anderen Kulturen und Gesellschaftssysteme da auch noch eine Rolle spielen.
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Kommen wir zur Utopie.
Zuerst möchte ich aber klarstellen, dass ich bei diesem Szenario nur von einem Utopia für wenige Auserwählte ausgehen kann, da mir ein Utopia für alle einfach undenkbar erscheint.
Anders als bei meinem dystopischen Szenario ist es für ein Utopia meines Erachtens völlig unerheblich, wie unser gesellschaftliches und politisches System vor dem Nullpunkt aussieht. Genauso unerheblich ist es, von welchem Ort der Welt wir ausgehen, da dieses Szenario die komplette Menschheit betrifft. Einzige Voraussetzungen sind eine Naturkatastrophe (etwa der Ausbruch eines sogenannten Supervulkans, der Einschlag eines Meteoriten oder ähnliches), eine nukleare Katastrophe (wie etwa in Tschernobyl, nur viel weitreichender) oder ein Atomkrieg, die daraus folgende Vernichtung der Menschheit und eine gewisse Vorwarnfrist und sei es nur von 24 Stunden.
Wie bei solchen Szenarien schon öfter erdacht, wäre es natürlich unmöglich, die komplette Menschheit zu retten. Stattdessen würde nur eine geringe Anzahl an Menschen gerettet werden, die zum Fortbestand der menschlichen Art notwendig sind. Dabei würde jedoch nicht willkürlich eine bestimmte Anzahl an Menschen gerettet werden, sondern sorgfältig ausgewählte, wichtige Vertreter. Darunter würden natürlich zuerst einmal Politiker, Wissenschaftler, Militärs, Ärzte und dergleichen fallen, allerdings auch Menschen, die für den kulturellen Fortbestand wichtig sind, damit sich die Menschheit nicht zu Tieren zurückentwickelt, deren Existenz nur auf Instinkten und dem Drang nach Überleben und Fortpflanzung beruht. Das heißt es würden Maler, Musiker, Autoren, Dichter, Philosophen, Schauspieler, Architekten, Verleger und so weiter gerettet werden. Und zu guter Letzt wäre da ein noch ein Anteil an arbeitender Bevölkerung, also Techniker, Programmierer, Piloten, Soldaten, Astronauten und so weiter, je nachdem welche Spezialbereiche wichtig sind. Der Rest würde dann aus zufällig ausgewählter Zivilbevölkerung bestehen, das wäre allerdings ein verhältnismäßig sehr geringer Anteil. Dass diese ganzen Menschen aus sämtlichen Abstammungen kämen und natürlich auch aus beiden Geschlechtern bestünden, versteht sich von selbst.
Diese ganzen Menschen würden dann in Sicherheit gebracht werden, je nach technischem Fortschritt in eine Unterwasserstadt, einen unterirdischen Bunkerkomplex, auf eine Raumstation oder einen anderen Planeten. Der Rest der Menschheit würde ihrem Schicksal überlassen werden.
Die Überlebenden würden dann, zum Beispiel auf ihrer Raumstation, eine neue Gesellschaft erschaffen, einfach aus dem Zwang heraus, ihre Art retten zu müssen, weshalb sie sich keine schwerwiegenden Konflikte leisten könnten. Da ein Großteil der Zivilbevölkerung ausgelöscht würde und die neue Menschheit fast ausschließlich aus regierenden, forschenden oder kreativen Menschen bestehen würde, würden sie sämtliche Veränderungen, sämtliche Fortschritte und sämtliche Gesetze, die sie erschaffen, unmittelbar am eigenen Leib zu spüren bekommen, was eine völlig neue Art der Gesellschaft hervorrufen würde. Eine scheinbar höher entwickelte und verbesserte Gesellschaft, die kaum Einschränkungen besäße. In der Wissenschaftler forschen könnten, wie sie wollen, Künstler völlig neue Ausdrucksformen erschaffen könnten und in der unermeßlicher Wohlstand und eine blühende Kultur vorherrschen würden. So in etwa wie Rapture aus Bioshock, nur noch viel krasser.
Diese neue Welt würde sicher eine Weile anhalten, allerdings bei weitem nicht so lange wie das dystopische Szenario. Ich denke, man könnte mit einer Dauer von 50 bis 75 Jahren rechnen, von der Auslöschung der Menschheit bis zum Zusammenbruch Utopias.
Je nachdem wo sich diese neue Menschheit ansiedeln würde, gäbe es verschiedene Auswege aus diesem Utopia. Wenn sie auf eine Raumstation oder einen fremden Planeten fliehen würden, dann wäre es sehr wahrscheinlich, dass sich ein gewisser Teil dieser Menschen von Utopia abspalten und im Weltraum verteilen würde, verschiedene Planeten und Systeme kolonisieren würde und eventuell sogar Kontakt mit außerirdischem Leben aufnehmen würde.
Würden sie sich dagegen für einen unterirdischen Bunkerkomplex oder eine Unterwasserstadt entscheiden, dann bestünde eine geringe Chance, dass sich Splittergruppen im Ozean verteilen würden oder sogar auf die verseuchte Oberfläche zurückkehren würden, um dort die Wurzeln für eine neue Menschheit zu schlagen.
Von welcher Variante wir auch ausgehen, fest steht, dass die Menschheit sich aus diesen Splittergruppen, im Weltraum oder auf der Erde, neu entwickeln würde. Utopia aber würde vollkommen in sich zusammenbrechen und restlos zerstört. Weil der Fortschritt, die Forschung und der Wohlstand irgendwann an Grenzen stoßen würden und würden die überschritten werden, würden Opfer notwendig sein. Der immer größer werdende Drang nach Verbesserung, neuen Erkenntnissen, mehr Macht über andere Menschen und über die Natur, sowie menschliche Eigenschaften wie Gier, Neid und Selbstgefälligkeit würden dafür sorgen, dass sich diese utopische Gesellschaft entweder selbst vernichtet oder aber soweit entstellt, dass es sich nur noch um eine Mutation der menschlichen Art handeln würde. Wobei letzteres nicht im Sinne einer positiven Mutation gedacht ist, sondern im Sinne einer Veränderung in Wesen deren Existenz nur auf oben genannten Drängen und Eigenschaften beruht.
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Das ist meine Vorstellung von Utopia, wie ihr seht unterscheidet es sich doch deutlich von der dystopischen Darstellung. Was beiden gemein ist, ist dass diese Systeme sich irgendwann selbst zerstören und dass daraus ein Neubeginn resultiert.
Ich glaube einer der Hauptunterschiede zwischen den beiden Szenarien ist, dass bei der Dystopie das Individuum abgeschafft wird und die Menschen zu einer konformen Masse geformt werden und bei der Utopie eine große Masse an Individuen in einer kleinen Gesellschaft existiert, was dazu führt, dass diese Individuen immer wieder aufeinanderprallen, was zwar zu einer völlig neuen, wahrscheinlich besseren Art der Gesellschaft führt, allerdings gleichermaßen auch zu deren Scheitern.
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So sieht meine Vorstellung dieser beider Szenarien aus. Wenn ihr Fragen, Kommentare oder bestenfalls eigene Vorstellungen habt, nur raus damit.