The Outlaw of Fives
CD-Rezension
Genre: Synth Rock
Erscheinungsdatum: 11. Januar 2012
http://www.morlocks.net
Morlocks sind:
Strauss (vox, keys, programming, trumpet)
Logos (guitars, keys, programming, back vox)
Innocentius Rabiatus (guitars, back vox)
CaVenus (vox – nicht mehr dabei)
„…last time we were here for your pleasure…“
Eine Band, deren musikalisches Schaffen sich partout nicht einordnen lässt und mit einer Biographie daherkommt, welche ebenso verwirrend wie vom Nebel der Zeit verschleiert ist: Seit Anfang der Neunziger treibt sich die schwedische Ausnahme-Combo bereits in der skandinavischen Musiklandschaft herum und betritt nun, nach vielen musikalischen Metamorphosen, Brüchen und personellen Veränderungen, mit ihrem zweiten Longplayer „The Outlaw of Fives“ auch endlich das internationale Parkett. Big business. Wir bewegen uns, grob umrissen, in einem Dunstkreis aus Elektronik, Bombastik und Riffs. Musikkulturelle Neologismen wie „Symphonic Synth Rock“ fallen mir spontan ein, würden jedoch der vollen Bandbreite der CD keinesfalls gerecht werden. Sagen wir einfach mal: Es klingt arschgeil.
Im Gegensatz zum ausverkauften Debütalbum „…for your pleasure?“ (2001) gelingt der Spagat zwischen verschiedenen Musikstilen auf dem Nachfolger leichtfüßig und fast wie von selbst, vor allem dadurch, dass die Band sich selbst endlich auf eine ungefähre Stilrichtung geeinigt hat. Die lange Entstehungszeit, der eine Bandauflösung und –neugründung mit fast komplett anderer Besetzung vorausging, ist beim Anhören der Stücke deutlich zu spüren. Im positiven Sinne. Denn aus jedem Song wurde das Letzte herausgeholt, ständig passiert etwas, nie hat man das Gefühl, den Morlocks seien mittendrin die Ideen ausgegangen. Der lupenreine Sound, das instrumentale Können und die rasiermesserscharf pointierten Texte voller Wortspielereien und Seitenhiebe lassen dieses Album an der Konkurrenz (sofern sie denn in ihrem nicht vorhandenen Genre welche hätten) mit einem müden Gähnen vorbeiziehen.
Gesanglich wird hier alles aufgefahren, was die Kehle hergibt: cleaner Gesang, Chöre, Shouting, männliche und weibliche Growls— alles ist eingebettet in ein musikalisches Konglomerat aus wahlweise sägenden oder schmeichelnden Gitarren, beißenden Beats, mächtigen Orchestralpassagen, und einer Unzahl an Filmsamples, die sich perfekt in die Dramaturgie der Songs einfügen. Was Leadsänger (und Trompeter!) Johann Strauss hier mit seinen Mannen zu Gehör bringt, ist bisweilen unbeschreiblich: Morlocks spielen sich querbeet durch ihre in der Regel überlangen Songs voller Stimmungswechsel und überraschender Kontrapunkte und scheuen sich mit Non Trigger Man auch nicht, einen alten Hit im neuen Gewand zu präsentieren, an dessen pop-rockiger Hitverdächtigkeit sich manch einer verschlucken dürfte. Auch das ausladende Whistling In The Dark, dem trotz der irritierend mainstreamigen Sisters of Mercy-Bassline ein tiefes Gefühl von Abschied und Vergänglichkeit innewohnt, ist ein gutes Beispiel für die dargebotene Vielfältigkeit. Und selbst dann, wenn die Füße wie in Lover/Enemy mal vom Gas genommen werden, entsteht nicht etwa ein Gefühl von Einfallslosigkeit, wie es Musikern, die einen Song mit gediegenem Tempo darbieten wollen, ja bisweilen widerfährt. Denn selbst eine Ballade ist im Morlocks-Kosmos eben doch irgendwie keine Ballade, sondern in diesem Falle vielmehr eine weitschweifige Metapher um die Vereinigung von Liebe und Hass am Beispiel eines Mannes, der seinem Ich aus der Vergangenheit einen Spiegel vorhält.
Und wer bis jetzt noch denkt, dass ihm das alles viel zu aufbäumend und auf-die-Fresse ist, ja, selbst für den gibt es noch Hoffnung: Die beiden letzten Songs, The Conflict Synthesis und Consecration, schlagen wiederum in eine ganz andere Kerbe: Während ersterer, als längster Song des Albums, sich in seinem Verlauf mehrmals gewaltig aufbäumt, nur um wieder in sich zusammenzufallen und seine Energie in einem gewaltigen Schlussteil zu entladen, ist letzterer ein längeres Outro, das den geneigten Hörer nach der Wucht dieser Scheibe mit sanften Synthie- und Gitarrensounds wieder zurück in die Realität befördert-- oder in das, was er dafür hält.
Textlich ist das Album ebenso breit gefächert: Die Gefahren der nuklearen Kriegsführung (Midnight Report), der Massenmedien (Happy Day in Zombietown) und der Durchstrukturierung der Welt sind ebenso Inhalt wie natürlich die Principia Discordia im zweiteiligen opus magnum The Grand Dividing Theory (meinem persönlichen Lieblingstrack), dem auch der Albumtitel entlehnt ist. Das Schwanken zwischem prophetischem Ernst und for the lulz gelingt hier wie von selbst und sorgt für eine Mischung aus in Ehrfurcht erstarrtem Staunen und breitem Grinsen. Freunde von rockigen Sounds mit elektronischen und orchestralen Elementen, die Wert auf durchdachte Texte legen, bekommen hier einen wahren Leckerbissen geboten.
Was bleibt also noch zu sagen? Wohl nur: Anschaffung lohnt sich! Morlocks sind einzigartig, in jeder Hinsicht. Bei zwei Alben in zwanzig Jahren Bandgeschichte muss man sich hierbei auch nicht wundern, dass sie noch immer als Geheimtipp gelten. Reinhören in das neue Album „The Outlaw of Fives“ könnt ihr übrigens auf amazon.de, wo es auch als Download angeboten wird. Für einen direkten Kauf der CD lässt sich die Band auch gern direkt per E-Mail kontaktieren. Spread the word, spread the love.
Hail Eris.
9,5 / 10