Nusma
Zum perfektionierten Menschen:
Heute könnte man genauso sagen, Menschen, die Geld für plastische und funktionelle Chirurgie sowie Hormonbehandlungen haben, seien mehr wert und alle Menschen, die sich so etwas nicht leisten könnten, und ihr Körper damit weniger effektiv sei, wären gesellschaftlich ausgeschlossen.
Auch bei Sport: Personen, die Geld für Doping-Mittel haben vs. welche, die ohne trainieren müssen und dadurch teilweise weniger effektiv sind.
Genauso die Sache: Alle, die Geld für Bildung haben, seien mehr wert, als solche, die keines haben.
Der Unterschied bei den Genen ist, dass man vor den potenziellen Möglichkeiten irgendwie mehr Angst aus dem Unbekannten heraus entwickelt als man bei real stattfindenden Begebenheiten überhaupt entwickelt.
Womöglich wird man spätestens dann registriert haben, dass wirtschaftliche Effizienz nicht mit menschlichem Wert gleichzusetzen ist. Und spätestens dann sollte man begriffen haben, dass Schwäche genauso umarmt werden kann und es keinen Grund gibt, sich für jene zu schämen. Denn das behauptet nur menschlicher Gedankentrend.
Dafür, dass Menschen Angst und Komplexe haben, da sie sich nur bei Effizienz aufwerten und daher dauernd vergleichen müssen, statt in sich froh zu sein, ist genetische Forschung nicht verantwortlich.
Wenn man sich wirklich nur Profis holen würde (die überhaupt erst Lust hätten, mitzumachen), hätte man womöglich Ressourcen-Möglichkeiten so gut ausgebaut, dass man sich arbeitstechnisch eher zur Seite legen könnte.
Die Leistungsgesellschaft, vor der man solche Angst hat, sind wir bereits. Die wird nicht erst durch Genspielerei geschaffen, sondern ist schon lange, lange da. Und daran hat keine Genspielerei Schuld, sondern rein die eigenen Wertvorstellungen.
Man fühlt sich doch schon heute mies, oder es wird einem zumindest vermittelt, wenn man nicht besser als der Rest ist. Was würde sich denn ändern? Dass man sich noch mieser fühlen würde? Irgendwann würde das für einen auch keinen Unterschied mehr machen.
Bis man eben von dieser Sicht ablässt. Man muss keine Umstände ändern, es reicht auch, wenn man eine andere Einstellung entwickelt.
Das, was das Problem ist, ist Angst aus Komplexen heraus, die in einem verhindert, dass man viele Möglichkeiten, die das Leben bietet, sich abspricht, statt sie freudig empfangen zu können.
Es ist die eingebläute Angst, im Vergleich nicht gut genug zu sein und sich dadurch herabzuwerten, da man primär in sich vorwiegend wirtschaftlichen Nutzen als ehrenswert sieht, der dann dem Ego entfallen würde. Weil man das so gelernt und beobachtet hat. Wer sagt, man müsse das so stehenlassen? Und warum sollte man es denn auch mit anderen aufnehmen müssen?
Die gleichen Konkurrenzgedanken verhindern, dass man anderen hilft und sich ergänzt. Der andere könnte ja besser werden und ich müsste mich dadurch schlechter fühlen. Müsste ich das wirklich oder bilde ich mir das nicht eher ein?
"Btw. würde ich meiner Tochter Beinhaare genetisch entfernen lassen, wenn's nicht zu teuer wäre. Ist praktischer als sich jahrelang zu rasieren. Und wenn sie's nicht mag, gibt's noch Chirurgen."
Das Losen der Natur ist in Ordnung, das Umbasteln aber nicht. Warum? Wieso sollte man nicht modifizieren, wenn man's kann? Wer gibt der Natur das Recht allein zu entscheiden, mit welchen Bedingungen man zu leben hat und wieso sollte man es dem Menschen genetisch absprechen, aber chirurgisch erlauben? Ist es wirklich so viel schlimmer als das Losen der Natur oder kratzt es nicht eher an eigener Angst?
Medikamente und künstliche Hüftknochen sind auch nicht vom Himmel gefallen und bei den ersten Dampfmaschinen sind Menschen schreiend weggerannt.
Bei Gängigkeit lässt so etwas nach, wird normal und wirkt nicht mehr so schlimm. Da "schlimm" subjektiv ist, ist es dann auch aus Gewohnheit nicht mehr so schlimm.
Ich wüsste auch nicht, warum man anderen neue Möglichkeiten abspricht, nur weil nicht alle direkt davon profitieren müssen.
Wenn alle durch die Natur gleich benachteiligt sein können, ist es okay. Wenn sich einige aus dem Zyklus rausstehlen, ist es ein Skandal.
Das erinnert mich an den Spruch von Hirschhausen:
Es gab mal einen Versuch bezgl. Zufriedenheit. Es wurden einer Person 50€ mehr beim Gehalt angeboten, wenn sie dafür hinnähme, dass alle anderen eine Gehaltserhöhung von 100€ bekämen. Alle, die das gefragt wurden, verzichteten lieber auf die 50€ als dass sie anderen die 100€ gönnen würden.
Dass man sich Quasimodos züchten würde, bezweifle ich ebenso. Man gießt sich durch unsere Chemie-Möglichkeiten ja auch nicht massenweise an jeder Ecke Säure auf die Knochen, nur weil's geht. Selbst Atombombenmäßig bekriegen wir uns nach dem verheerenden Beispiel aus dem WWII nicht mehr - einfach weil die Masse so etwas nicht mehr will.
Der Bedarf genetisch zu pfuschen besteht gewöhnlich nicht. Und die Forscher, die daran teilnehmen, haben meist weder Extra-Geld für so riesige Einzelprojekte noch Interesse daran, für so riskante, wenig bringende Spielereien, die ganze Wissenschaftslaufbahn zu zerstören und von der ganzen Welt geächtet zu werden. Und so fanatische Forscher, die eben doch so denken, haben meist nicht die finanziellen Möglichkeiten dafür und würden so etwas schlecht umsetzen können ohne ein großes, reiches Institut, das das duldet.
An manchen Orten dieser Welt wird man noch gesteinigt oder es werden einem Glieder weggebombt. Ich glaube kaum, dass Genetik da noch vieles schlimmer machen kann - gerade auch weil der Zugriff aus den Möglichkeiten heraus beschränkt und kontrolliert wäre.
Wie sich aber Genetik im zerstörerischen Sinne als Erpressung eignen würde, wüsste ich grad nicht.
Spätestens dann, wenn es gehen sollte, gäbe es wohl einen Konsens wie bei Atomwaffen. Auch wenn dieser Vergleich doch ziemlich übertrieben wirkt.
Ich will nur damit sagen: So viel Gefährliches kommt auf uns dieses Mal nicht zu. Dieses Mal ist es viel mehr eine Sache der Vergleichsvorstellung vom eigenen Ansehen und weniger einer Gefahr wie beschrieben. Die wirkliche "Gefahr" herrscht diesmal im Kopf aus Konkurrenzlastigkeit der Gedanken.
Edit:
Ehrlich gesagt, glaube ich ohnehin, dass diese Entwicklung im Bereich der Genetik früher oder später kommt. Und, dass es nicht so schlimm wird, wie sich manche ausmalen.