ZitatOriginal von bereth
Mir geht es ja nicht einmal so sehr um die Tatsache, dass man weder die Existenz noch die Nichtexistenz Gottes beweisen kann (das wäre auch im Detail eher für den allgemeinen Religions-Thread geeignet), sondern darum, dass wir Staat und Kirche trennen. Und auf einmal kommt ein Papst daher und quatscht den Bundestag zu? Das ist doch völlig unsinnig und der Verfassung (!) entgegengerichtet. Eben weil er als Vertreter Gottes auf Erden gesprochen hat. Schlimm, müssen wir uns jetzt auf eine Figur besinnen, um uns sicher zu fühlen? Brauchen wir das? Müssen wir knapp 30 Millionen Euro zum Fenster rausschmeißen? Für moralische Keulen, die sich jeder selbst ausdenken kann?
Jedem war klar, dass der Papst wohl kaum eine "weltliche" Rede halten wird, sondern mehr ins Philosophische eindringen würde. Was er gesagt hat, kann man für Gut oder für Schlecht halten. Ihm allein aus dem Grund, dass er das Oberhaupt einer Kirche und zugleich eines Staates ist, den Mund verbieten zu wollen, ist allerdings Nonsense. Das Parlament war sich damals (vor einem Jahr? Vielleicht auch ein wenig länger) einig, dass man den Papst nach Deutschland holen und ihn vor dem Bundestag sprechen lassen sollte, als moralische Instanz in unserer heutigen, doch sehr rationalen Welt. Ich sehe darin nichts Falsches, und erst recht nichts Verfassungswidriges. Immerhin ist der Papst kein deutscher Staatsmann, unsere Verfassung gilt für ihn also praktisch nicht.
Überhaupt kommt es mir so vor, als wärest Du einer dieser Anti-Papst-Fundis. Ich selbst stehe der Kirche ja auch eher kritisch gegenüber, aber für Dich scheint die katholische Kirche einzig und allein auf den Ausprägungen des Vatikans zu beruhen. Wann warst Du denn das letzte Mal in einer Messe, sei es eine katholische oder eine protestantische? Weißt Du überhaupt, wovon Du da redest? Nur weil der Papst im Vatikan die Einführung der lateinischen Messe erlaubt, bedeutet das nicht, dass plötzlich überall in den Kirchen nur noch der Rücken des Priesters angestarrt und das Vater Unser auf Latein runtergebrabbelt werden kann.
Um es klarer auszudrücken: Es steht wohl außer Frage, dass der Besuch des Papstes ordentlich etwas gekostet hat. War der Besuch von Obama, dem Dalai Lama oder eines anderen staatlichen oder religiösen Oberhauptes dagegen billiger? Nein. Hat man ihnen die gleichen Rechte eingeräumt wie dem Papst? Nein - aber das liegt an unserer christlichen Vergangenheit, und die kann man nicht von heute auf morgen über Bord schmeißen. Ist die Kirche auch heute noch eine sinnvolle Institution? Jawohl, das ist sie - sobald man sich von dem fehlgeleiteten Denken trennen kann, dass alles, was der Papst sagt, eins zu eins umgesetzt wird, denn das ist Schwachsinn.
Und bezüglich der moralischen Keulen war der Papst ja wohl beileibe nicht das erste Staatsoberhaupt, das uns Deutsche an unsere Pflichten und Verantwortungen erinnert hat. Das macht eigentlich jedes Staatsoberhaupt, das bei uns vorbei schaut.
Wie Du vorhin so schön gesagt hast: Erst nachdenken, dann schreiben.