Vercasualisierung der PC-Technik

  • Jetzt schon der 3. Post von mir im PC& Webdesign-Forum, aber egal.^^


    Wer den Windows 8-Thread gelesen hat weiß ja, dass ich das Thema für interessant halte.


    Meine Grundthese ist:
    Sowohl bei Smartphones, PCs, Software als auch im Internet sieht man, dass alles vercasualisierter wird. Damit meine ich immer übersichtlicher und intuitiver, aber gleichzeitig aber auch im System geschlossener um das ganze für den "Casual-Nutzer" einfach zu halten.


    Könnt ihr dieser These zustimmen? Was denkt ihr warum das so ist? Ist das eher gut oder eher schlecht?


    Zustimmen kann ich ihr ja auf jeden Fall, es ist ja meine These...


    Meines Erachtens nach sieht man einen deutlichen Unterschied zwischen der PC-Nutzerschaft heute und vor 10 Jahren. Ich selbst sehe es so, dass es im Laufe des letzten Jahrzehnts so zwischen 2006 und 2008 einen deutlichen Knick gab.
    Vor diesem "Knick" waren (zumindest in meinem Umfeld) Leute die in ihrer Freizeit mehr als ein oder zwei Stunden am Tag am PC und am Internet saßen sehr PC-affin und von der Außenwelt ein wenig als PC-Geeks betrachtet. Jeder meine Freunde (inklusive mir selbst) der so war, hatte ein gewisses Grundverständnis von Software und Hardware. Schon allein wegen unseren LANs kannten wir uns mit Netzwerkerstellung aus, als Gamer konnten wir eigene PCs zusammenschrauben mit Betriebssystem bespielen und auch am Bios, in der Registry etc. arbeiten. Rudimentärste Kenntnisse von HTML, FTP-Servern hatte jeder der eine Clanpage erstellt hat oder auch regelmäßig Dateien für andere hochgeladen hatte. Die wenigsten dieser Leute machen heute beruflich etwas das auch nur annähernd in diesem Bereich liegt. Als Gamer und/oder Nerd dieser Zeit konnte man sowas einfach. Ich denke die meisten der Leute die zumindest älter als 18 sind wissen genau was ich meine, denn das sind genau die Leute die heutzutage immer noch in Diskussionsforen abhängen.^^
    Dann kam wie gesagt der Knick. Zurückführen würde ich den auf mehrere Sachen. Noch stärkere Verbreitung des Internets vor allem das durch WLAN alle Computer im Haus mit dem Internet verbunden sind ist erstmal die Grundvoraussetzung. Weiterhin kamen immer mehr populäre Massendienste. Youtube wird immer populärer und auch illegale Filme werden immer mehr gestreamt und nicht mehr in Tauschbörsen getauscht. Die zwei größten Faktoren sind denke ich jedoch Smartphones und soziale Netzwerke. Inzwischen sind die meisten Leute unter 50 doch alle dauerhaft online. Sehr viele Leute dieser Casual-Nutzer die ich kenne da auch zu 90% nur auf Youtube, Kino.to und Facebook.
    Diese Nutzer sind heutzutage die interessante Masse, die der Markt bedient (natürlich neben dem Markt in dem PCs im beruflichen Sektor genutzt werden). Da sie (neben der beruflichen bzw. schulischen Nutzung) fast nur in sozialen Netzwerken und auf Videoseiten sind und nebenbei noch Musik, Bilder und Videos verwalten brauchen sie auch nicht mehr. Je einfacher und intuitiver es geht umso besser. Deswegen ist Apple doch so beliebt obwohl es als System unglaublich restriktiv und geschlossen ist. Es ist schnell, sieht gut aus und einfach zu bedienen. Wenn diese Konsumentengruppe den Markt bestimmt dann richtet dieser sich auch nach ihr...


    Als Nutzer "der auch die alte Zeit kennt" sehe ich das ganze überwiegend schlecht, obwohl es natürlich sehr viel Nutzen hat. Ich selbst benutze einen Sony Laptop mit Windows 7 und habe ein Android Smartphone mit einer Custom Rom. Ich bin froh, das ganze nach meinen Wünschen so individualisieren zu können sodass mir der Hersteller so wenig wie möglich vorschreibt was ich nutzen muss.
    Meine Freundin hat ein Macbook und ein Iphone und ist somit im Apple Kosmos. Ihr Kalender, ihre Mails, ihr Kontaktbuch, ihr Browser, ihr Musik und Videoplayer ist alles von Apple und auf beiden Geräten die gleiche Software. Die Software untereinander harmonisiert super auf beiden Geräten und die vollste Synchronisation ist auch für jeden User gewährleistet egal wie wenig Ahnung er hat (sie hat jedoch sehr viel Ahnung). Ich der meine Kontakte am PC in Thunderbird und hat kann diese nicht so einfach mit Android synchronisieren, man merkt das nicht alles so schön aufeinander eingreift. Das nimmt mir Komfort und brummt mir im Alltag Arbeit auf.


    Jedoch ist diese Arbeit einen Preis den ich gerne bereit bin zu bezahlen. Google besitzt eigentlich alle großen Internetdienste außer Facebook und Twitter. Mit eigener Hardware und eigenen Betriebssystemen wurde zuerst der Smartphone-Markt erobert. Das Pixelbook und Chrome OS (welches als Betriebssystem das Paradebeispiel der Casualisierung ist) zeigen den Vorstoß bei den Betriebssystemen im PC-Bereich. Google Chromecast wird so günstig verkauft um den Markt am Fernseher (der auch immer wichtiger wird, das sieht man vor allem in den USA) zu erobern. Apple hat das Iphone, die Macbooks und Imacs sowie die Apple TV-Box. Die Xbox One soll DIE Multimedia Box im Wohnzimmer werden und Windows 8 das Betriebssystem was den Fernseher, PC und Smartphone Markt vereint und die Synchronisation von Apple auch bei Windows gewährleistet. Wenn man bei allem in einem Betriebssystem bleibt ist es bequem, man wirkt aber auch abhängig und es bilden sich zu starke Monopole. Wenn man Jahre lang das ein und selbe System nutzt ist alles so verankert, dass man kaum noch umsteigen kann. Der Cloud-sei-Dank haben diese Dienste nicht nur die Account Daten sondern in Zukunft alle Daten, die immer wertvoller werden. Je mehr Nutzer auf eine Plattform umsteigen je schwächer werden die anderen bis alle nur noch ein System verwenden.


    Man stelle sich folgendes Horrorszenario vor:
    Windows wird mit Windows 8 so erfolgreich, dass 90% der Elektronik Nutzer ein Windows 8 Smartphone, eine Xbox One und einen Windows 8 PC haben. Durch diese große Marktmacht konnten sie sich Facebook, Google und Amazon einverleiben. Alle unsere Daten die wir haben werden in der Windows 8 Cloud gespeichert. Microsoft speichert aufgrund der Synchronisation alle unsere Passwörter, Kredikartendaten etc. GPS ist dauerhaft am Handy an. Mit Kinect das dauerhaft an der Xbox verbunden ist die dauerhaft online ist (ich weiß beides ist nicht mehr Zwang, aber es ist ja schließlich ein bewusst übertriebenes Horrorszenario) kann der selbe Konzern sich dauerhaft in unsere Wohnung schalten.
    Microsoft weiß alles. Was wir online kaufen, sehen, spielen, lesen und hören. Auch wann wir es machen. Microsoft weiß dauerhaft wo wir sind und was wir machen und kann jederzeit in unser Zuhause reinschauen. Wenn man an die Smarthomes denkt weiß es auch wann wir in welchen Raum sind und wann wir duschen und Wäsche waschen. Microsoft bestimmt welche Software auf ihren Geräten läuft und welche Webdienste populär sind. Durch das bewusste Steuern der Werbung und Angebote der Produkte auf Google, Amazon, Facebook etc. bestimmt Microsoft auch was wir lesen, schauen und auch denken. Der Durchschnittsmensch findet das alles super weil alles so bequem und einfach ist. Pizza wird schon über das Internet bestellt und in Großstädten auch Taxis. Alle diese Dienste aus einer Hand wird immer bequemer. Wer sich diesem Konzern verweigert kann eigentlich gar nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Man hat also die Auswahl zwischen totaler Überwachung und dem Einsiedlerleben. Wenn man jetzt die Kooperation der NSA mit Microsoft oder auch die geplabte Drosselung des Internets bei der Telekom (bis auf "Premiumdienste" wie Youtube etc.) betrachtet merkt man, das man dadurch auch politische jegliche Öffentlichkeit und Opposition in Keim ersticken kann wenn wir das Internet und die Hardware in die Hände weniger Konzerne geben.


    Klar ist dies bei weitem nicht Realität und wird es so von heute auf morgen auch nicht werden. Vor allem, da Google, Facebook, Amazon, Microsoft etc. ja alle in Konkurrenz stehen und sich so schnell nicht vom anderen schlucken lassen werden.
    Doch man merkt, dass trotzdem es immer mehr in den Richtung geht, dass alle Dienste aus einer Hand kommen. Jeder der sich auch nur ein wenig mit Wirtschaft auskennt, weiß das es im Kapitalismus nicht das Ziel ist das beste Produkt anzubieten welches am kundenfreundlichsten ist und auch die Rechte des Kundes sichert. Gute Produkte sind nur das Mittel zum Zweck. Das Ziel ist es Profit einzufahren und der größte Garant dafür ist Marktmacht durch Monopol (inzwischen gibt es ja bis auf alternative Produkte ja fast nur noch Oligopole) sowie die bewusste Steuerung der Nachfrage durch Steuerung des Angebots (was ja nur bei Monopolstellung möglich ist).
    Das Ziel eines Staates wiederum ist es sich selbst zu erhalten. Ein guter Weg ist natürlich die Bürger darin so weit wie möglich zufriedenzustellen. Ein anderer ist es die eigene Sicherheit durch Überwachung und Restriktion in der Innenpolitik und Imperialismus in der Außenpolitik zu gewähren. Man siehe die Politik der USA.
    Wenn man sich den NSA Skandal sowie die Koperation der Konzerne mit der NSA anschaut sieht man, das wir zwar noch nicht bei dem Horrorszenario sind, es aber das Interesse von einigen Staaten und Konzernen ist das wir so werden. Wir werden nicht in den orwellschen Überwachungsstaat gezwungen, durch Dessinteresse und Konsumzwang begeben wir uns freiwillig dahin...


    Jetzt habe ich wahrlich ein großes Fass aufgemacht, doch zum Fazit will ich wieder zur Casualisierung kommen.
    Natürlich ist die Casualisierung nicht an alle dem Schuld, aber sie ist meines Erachtens nach ein wichtiges Rädchen in der Maschine. Zugunsten der Bequemlichkeit geben wir in der Technik an vielen Stellen Rechte, Einsicht und Pluralität ab.


    Es kann gerne alles einfach und intuitiver werden, aber es darf meines Erachtens nicht auf Kosten der Vielfalt gehen (was es aber oft macht). Daher sind offenes Internet, Open Source, (und auf Dauer auch eine Neugestaltung des Urheberrechts) zentrale Aspekte die bewusst gestärkt werden müssen um diese Vielfalt zu erhalten.


    OT:
    Wenn man sieht, dass Sachen wie der NSA-Skandal und die Verwicklung der Konzerne und so vieles mehr den Leuten egal ist merkt man, das sie es auf die harte Tour lernen müssen. In keinem mörderischen, diktatorischen oder faschistischen System leiden die etablierten Schichten solange sie im Sinne des Systems leben, das war auch in der DDR oder der Nazi-Zeit so. Wenn die Massen dies in unseren previligierten westlichen Ländern nicht bald begreifen, müssen sie es wohl auf die harte Tour erfahren.


    In my time we didn't depend on hi-tech gadgets like you do, we didn't need a mechanical washing unit to wash our clothes, we just used a washing machine. [Philip J. Fry]

  • Ja naja, was will man machen? Wenn die Möglichkeiten sich erweitern, dann werden die großen Firmen diese natürlich nutzen, um sich ihre Vorteile zu verschaffen. Je einfacher sie es den Leuten machen, desto besser können sie Dinge hereinschmuggeln, da sich immer weniger Leute dafür interessieren. Warum zum Beispiel sollte sich ein Google-Kunde darum kümmern, dass nicht nur er Zugriff auf seine Daten hat, sondern eben auch der Konzern? Ein wenig Werbung juckt ihn ja nicht und die Synchronisierung all seiner Daten bringt eine Menge Komfort statt umständlichem Jonglieren mit seinen Daten. Warum nicht mal eben alles in die Cloud schicken? Da kann man dann ja schließlich von allen Rechnern drauf zugreifen, und einfach ist es auch. Man sieht das Problem: Aus der Sicht eines Ottonormalverbrauchers ist an der ganzen Casualisierung absolut nichts schlechtes dran, und wenn ein Experte kommt und all die Lücken aufzeigt, die solche Systeme haben, dann gibt es in den seltensten Fällen Lösungen, die ähnlich bequem sind, wie das, was ein Nutzer gewohnt ist, aber sicherer. Geeks und Nerds werden diese dann natürlich (nicht nur innerlich) auslachen, man ist ja schließlich selbst Schuld, wenn man im Jahre 2013 nicht OpenBSD als Betriebssystemkern benutzt, seine Mails bei Google lässt und dann auch noch per PayPal statt mit BitCoins zahlt – oder nicht? Klar, wenn man Ahnung hat, dann ist vieles für einen logisch und man macht sich gerne den Aufwand, aber mit der zunehmenden Casualisierung gibt es eben, wie gesagt, immer mehr Leute, die nichts als ihren Komfort wollen. Und wie man sieht ist selbst nach den ganzen Enthüllungen rund um die kriminellen Geheimdienste kaum jemand bereit, seine Routine zu ändern, auf schwierigere Alternativen umzusteigen – und ich denke, die breite Masse wird man da wohl nie zum Umdenken bekommen. Möchte man solcherlei Dingen entgegenwirken, dann müssen Lösungen geschaffen werden, welche auch für nicht-technikaffine Leute praktikabel sind und natürlich müssen diese verbreitet werden. Das größte Hindernis stellen dort sicherlich die sozialen Netzwerke dar, denn selbstverständlich bringt es einem recht wenig, ein freies, offenes System zu nutzen, wenn sonst niemand aus dem Umfeld dies tut. Meiner eigenen Meinung nach lohnt sich umsteigen dennoch, schließlich muss immer irgendjemand den ersten Schritt tun.

  • Du hast vollkommen Recht ohne Alternativen wird sich nichts ändern. Es ist wie beim Vegetarismus etc., es ist löblich und moralisch es zu machen und rein theoretisch könnte man durch Boykott das System ändern, doch den Massenboykott wird es nie geben, die Alternativen müssen her.


    Auch wenn Ubuntu und vor allem die Ausrichtung der letzten Jahre kritisiert wird ist denke ich der richtige Pfad. Es muss eine Massenkompatible Lösung geben, die aber trotzdem offen und frei ist damit diese nicht ebenfalls den Weg der anderen Technikriesen geht.


    In my time we didn't depend on hi-tech gadgets like you do, we didn't need a mechanical washing unit to wash our clothes, we just used a washing machine. [Philip J. Fry]

  • Hm naja, Ubuntu macht schon eine Menge falsch in letzter Zeit, und ich habe das Gefühl, dass Shuttleworth viel mehr als Open Source als Geschäftsmodell steht als wirklich auf Freie Software. Von dem erwarte ich daher nicht viel und kann mir sogar vorstellen, dass Canonical irgendwann einen ähnlichen Weg wie Google gehen wird – Open Source nur da fördern, wo es etwas nützt. Als Beispiel lässt sich hier der komplette alleingang bei der Entwicklung eines Display Servers nennen, ebenso natürlich die seit geraumer Zeit eingesetzte und nur bei Ubuntu wirklich nutzbare Desktop-Oberfläche Unity. Ansonsten ist Ubuntu aber natürlich ganz gut, es führt die Leute erst einmal an alternative Betriebssysteme heran, und wenn man erst einmal damit klarkommt, dürfte es auch kein allzu großes mehr Problem geben, beispielsweise auf OpenSUSE oder Fedora umzusteigen. Ich warte aber Sehnsüchtig auf den Tag, an dem GNU/HURD ein verwendbarer Kernel auch für Standard-PCs ist, das größte Hindernis hierbei ist natürlich die Vielzahl an Proprietären Treibern für Grafik, Netz und sonstige Peripherie, da nicht wirklich abzusehen ist, dass die Hardware-Hersteller selbstständig quelloffene Treiber veröffentlichen und die Nachkonstruktion ist auch meist eher so ein schlechter Mittelweg. Von daher ist ein weiterer wichtiger Punkt, dass auch Startups für Hardware entstehen, welche dann mit freien Treibern laufen und dazu auch noch gut dokumentiert sind.


    tl;dr: Ich vertraue Canonical nicht, als Einstieg eignet sich Ubuntu aber ganz gut. Lieber wäre es mir aber, wenn man im Alltagsgebrauch ganz freie Software einsetzen könnte, dazu muss aber erstmal freie Hardware her.

  • Hmmm …


    Also ich seh das nicht ganz so dramatisch. Ärgerlich ist für mich vor allem die technische Abhängigkeit von einem einzelnen Anbieter, weshalb ich auch mein iPhone gegen ein Samsung ausgetauscht habe. Da ist zwar ’ne Menge Google-Scheiß drauf, aber den kann man ja größtenteils umgehen.


    Die sogenannte Datensammelwut ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits sammeln solche Konzerne viele Daten, die sie wirklich nicht brauchen. Andere jedoch, z. B. die Google-Suchhistorie eines Benutzers, sind für bestimmte Funktionen einfach erforderlich, z. B. für die Ausgabe am ehesten gesuchter Websites und Umsortierung der Suchergebnisse nach den wahrscheinlichsten Wünschen des Benutzers. Die Software kann ja keine Gedanken lesen (den Göttinnen sei Dank!). Problematisch wird das Ganze m. E. erst, wenn damit Schindluder getrieben wird, z. B. die Daten verschachtert werden, um dem Benutzer Ärgernisse zu bereiten oder ihn zu manipulieren.


    Einen Orwellstaat befürchte ich nicht. Sicher kann man bei Google und Konsorten schon von extremer Überwachung sprechen, aber Kameras in jedem Zimmer und was es da noch alles gibt, halte ich für unrealistisch. Immerhin haben wir diverse Paragrafen in unserem Grundgesetz, die dem Bürger Rechte und Freiheiten einräumen. Das kann man auch nicht so einfach umgehen, wie manche Verschwörungstheoretiker befürchten, zumindest nicht, wenn der betreffende Bürger sich wirklich dagegen wehrt. Eine Änderung der spezifischen Paragrafen halte ich auch nicht für durchführbar. Zuerst einmal sind Art. 1 und 20 geschützt, die können per Art. 79 nicht geändert werden. Andere Paragrafen auszuhebeln erfordert auf jeden Fall eine Mehrheit im Bundestag, welche genau, weiß ich nicht. Für umfassende staatliche Überwachung wären also umständliche Umgehungen nötig, eine viele Hundert Personen umfassende Verschwörung: Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident, Bundesverfassungsgericht etc. Spätestens dann greift früher oder später Snowden’s Law und irgendjemand tanzt aus der Reihe. Derjenige veröffentlicht dann Daten über diese Machenschaften via Internet, insbesondere Facebook, Twitter und wie sie alle heißen. Das dann wieder aus dem Netz zu tilgen halte ich für unmöglich. Irgendjemand wird ja doch noch eine Sicherheitskopie auf seinem unvernetzten Rechner haben.


    (Hoffentlich habe ich jetzt wirklich alles gelesen und verstanden.)


    Open Source find ich aber gut und nutze es auch weitgehend. Und auch sonst schau ich mir bei Programmen immer die Einstellungen an, ob es da irgendwelche Häkchen gibt, die man ausklicken kann, um den Datenkraken die Arbeit nicht zu erleichtern. „Dürfen wir Nutzungsdaten zur Verbesserung des Services erheben?“ – „Nö!“

  • Zur Datensammelwut:


    Wie du selbst gesagt hast wird es problematisch wenn damit Schindluder getrieben wird. Es ist jetzt schon offensichtlich, dass es das auch wird, denn Beispiele gibt es zu genüge. Da ich nicht unendlich Zeit habe google es selbst wenn du mir nicht glaubst.
    Einige Beispiele sind NSA-Zugriffe auf die Daten von Microsoft, Facebook und Google. Auch deutsche Behörden haben in tausenden Fällen bei Facebook angefragt und bei über 2/3 der Fälle gab Facebook auch alle Daten die sie haben (Freunde, Nachrichtenverlauf, Geodaten) an die Behörden heraus. Das ist alles mit verifizierten Quellen recherchierbar.


    Natürlich gibt es keinen Orwellstaat in dem Sinne, dass alles 1:1 wie in 1984 ist, das habe ich auch nie so geschrieben.
    Das Beispiel mit den Kameras war A ja nur ein Horrorszenaria und B vor allem geht es darum, dass man Kinect zwangsweise an der Xbox hat und Microsoft dauerhaft auf diese Kamera zufreifen kann (ein Großteil der Konsolen ist doch sowieso dauerhaft mit dem Internet verbunden und anfangs gab es ja auch die Hintertür, dass man ja alle 24 Stunden einmal online sein muss). Das heißt rein technisch hat Microsoft die Möglichkeit mit der Kamera das Wohnzimmer zu durchleuchten, wenn man Sprachaktivierung will auch im Standby-Betrieb. Hinzu kommt, dass man ja dank Snowden weiß, wie einfach die NSA auf Microsoft-Daten zugreifen kann.
    Folglich habe ich nicht von Kameras überall gesprochen aber davon, dass wir jetzt schon ironischerweise die möglichkeit selbst zulassen, dass die NSA uns durchleuchten kann.



    Einschränkung der persönlichen Freiheitsrechte:

    Zitat

    Original von Phorgo
    Immerhin haben wir diverse Paragrafen in unserem Grundgesetz, die dem Bürger Rechte und Freiheiten einräumen. Das kann man auch nicht so einfach umgehen, wie manche Verschwörungstheoretiker befürchten, zumindest nicht, wenn der betreffende Bürger sich wirklich dagegen wehrt.


    Gustl Mollath wurde von 2006-2013 zwangsmäßig in der Psychiatrie untergebracht obwohl er unschuldig war, die Rahmenbedingungen in denen das passiert ist nutzten alle Grauzonen aus um es möglich zu machen und verstoßen gegen so ziemlich alle geltenden Freiheitsrechte.
    Der Sozialwissenschaftler Andrej Holm wurde festgenommen aufgrund des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Dieser Verdacht wurde daran festgemacht, dass er bei Suchanfragen im Internet öfters die Begriffe "Gentrification" und "Prekarisierung" googelte, das waren Wörter die auf schwarzen Listen stehen und ihn verdächtig machen. Das Andrej Holm Sozialwissenschaftler ist und die Recherche innerhalb wissenschaftler Schriften getätigt wurden wurde nicht berücksichtigt, genauso wie der Fakt, dass er Akademiker ist ohne Vorstrafen oder Verbindungen zu offiziell als Terroristen eingestuften Leuten. Folglich wurde er festgenommen weil er bei Google die falschen Begriffe eingegeben ha, die wenn man sie aber kennt alleine sowieso keinen terroristischen Hintergrund haben.
    Schau dir mal wie es in Frankfurt den Blockupy Demonstranten ging. Oder noch schlimmer in Genau Italien bei den G8 Demonstrationen.


    Natürlich gibt es keinen Schießbefehl, keine Gestapo oder Vollüberwachung mit Kameras in allen privaten Wohnräumen. Das heißt jedoch nicht, dass Rechtsbrüche an der Tagesordnung sind. Wenn man in starker Opposition zu den gängigen Praktiken des Systems steht dann schlägt es sehr wohl gegen einen zu. Sich dagegen zu wehren bringt seltenst etwas.
    Wenn man auch nur ein bischen was von Psychologie und Soziologie versteht, dann weiß man, dass die Polizeigewalt durch geltende Gesetze und verfahrensweisen vorprogrammiert ist. Die entscheidenden Stellen wissen das auch und daher ist es auch gewollt. Denn sowas hält Leute klein.


    Bewusst bin ich nicht auf Tätigkeiten von Geheimdiensten etc. eingegangen die sich nicht direkt verifizieren lassen aber sehr wahrscheinlich sind. Da kann man wirklich eine Menge erschreckender Beispiele finden wenn man sich dafür interessiert.


    Aktuelle Gesetze:

    Zitat

    Original von Phorgo
    Eine Änderung der spezifischen Paragrafen halte ich auch nicht für durchführbar. Zuerst einmal sind Art. 1 und 20 geschützt, die können per Art. 79 nicht geändert werden. Andere Paragrafen auszuhebeln erfordert auf jeden Fall eine Mehrheit im Bundestag, welche genau, weiß ich nicht. Für umfassende staatliche Überwachung wären also umständliche Umgehungen nötig,[...]


    Nur zur Info, diese Mehrheit wäre eine 2/3-Mehrheit.


    Neben diesen gängigen Rechtsbrüchen von denen man sich nicht einfach so wehren kann gibt es einerseits viele Gesetze die eine totalitäre Überwachung ermöglichen und andererseits gibt es viele bewusste Grauzonen in denen ebenfalls viel Spielraum möglich ist.


    Auf deutschem Boden darf nicht flächendeckend überwacht werden. Jedoch überwachen uns NSA und GCHQ vollkommen (NSA kann das sogar auch in Deutschland machen, da deren Militärbasen ja kein deutscher Boden sind, nämlich US-amerikanische Exklaven). Das streiten die Politiker noch nicht einmal wirklich ab. Genauso offenkundig ist es, dass unsere deutschen Geheimdienste die Daten von den Briten und Amerikanern bekommen, daher ist die Überwachung schon da. Seit Snowden wissen wir ja, das alles was wir bei Facebook, Google Diensten und mit Microsoft Software tätigen von der NSA überwacht werden kann. Demnach ist es sehrwohl ein Großteil deiner ganzen Kommunikation und per Ortung (egal ob regulär über Handyempfang oder GPS der Facebook-App) auch Bewegung die als Metadaten sowieso gespeichert und ausgewertet wird und bei Bedarf auch im Deteil überwacht werden kann. Das alles ist vollkommen erlaubt.


    Durch diverse Gesetzesänderungen kann jeder einzelner vollüberwacht werden oder auch vorläufig festgenommen werden. Der Verdacht auf Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung oder Ausübung eines terroristischen Anschlags reichen vollkommen auf. Bei Bedarf kann man wahrscheinlich schon meine Äußerungen und gleichzeitige Mitgliedschaft in der Linkspartei (die ja in Baden Württemberg wo ich wohne als verfassungsfeindlich eingestuft ist und daher überwacht wird) als ausreichende Begründung nehmen. Das ich nie irgendwie vorbestraft war und erst Recht keine entsprechenden Kontakte pflege ist vollkommen egal. Jeder Linke kennt einen der einen kennt der einen kennt, der irgendwie in der Antifa oder im Autonomen Block ist. Bei Muslimen wird es genauso sein, die kennen auch über 2 Ecken Leute die man als radikale Islamisten einstufen würde selbst wenn man selbst gar nichts mit Religion am Hut hat. Die ausreichende Begründung auf Verdacht die in den letzten Jahren eingeführt wurde und oft nach Anschlägen auch verschärft wird ermöglicht das jetzt schon.
    Der Fall Gustl Mollath zeigt, dass man Leute per Zwangspsychiatrisierung lebenslänglich wegsperren kann.


    Im Fall der Fälle falls es wirklich Maßenproteste gäbe gibt es auch die Notstandsgesetze. Diese erlauben den Einsatz der Bundeswehr im innern und hebeln Grundrechte wie Fernmelde- und Briefgeheimnis oder auch die Freizügigkeit einfach aus.



    Verschwörung:


    Zitat

    Original von Phorgo
    [...]eine viele Hundert Personen umfassende Verschwörung: Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident, Bundesverfassungsgericht etc. Spätestens dann greift früher oder später Snowden’s Law und irgendjemand tanzt aus der Reihe. Derjenige veröffentlicht dann Daten über diese Machenschaften via Internet, insbesondere Facebook, Twitter und wie sie alle heißen


    Wie oft hast du dir schon die Äußerungen von Andreas von Bülow angehört (ehemaliger SPD Staatssekretär im Verteidigungsministerium und ehemaliger Bundesminister für Forschung und Technologie)? Auch Linke- und zum Teil auch Grüne- und SPD-Abgeordnete stellen im Bundestag anfragen zu solch heiklen Themen die ich angesprochen habe. Diese wurden dann von CDU und FDP einfach blockiert (bei großer Koalition auch noch von der SPD). Das passiert täglich und kann jetzt schon im Internet verfolgt werden, es interessiert nur keinen. Wie viele dieser Anfragen kennst du denn?


    Viele Leute interessiert schon der Snowden Skandal nicht, die sagen einfach, dass sie nichts zu verbergen haben. Denkst du es gäbe dann bei sowas einen Aufschrei? Solange die Masse sich im System problemlos arrangieren und ihr Alltagsleben leben kann wird sie alles schlucken, das war auch schon im 3. Reich als auch in der DDR so. So viele glühende Nazis und Kommunisten gab es nicht, die Leute wollten ihr Privatleben verbessern und da hat Hitlers Politik für den Durchschnittsmenschen sehr lange überzeugen können, die DDR wiederrum ist dann von der Masse abgelehnt worden als es gegen Ende möglich erschien seine Lebensbedingungen real tiefgründig zu verbessern. Mehr interessiert den Durchschnittsmenschen nicht und das ist auch heute so.
    Wenn das nicht so wäre würden die Leute nur Grün und Links oder zumindest SPD wählen, da Grundlegende Forderungen wie Abschaffung von Hartz IV, Ausstieg aus der Atomkraft, Mindestlohn, Abzug aller Soldaten im Ausland, Verbot von Waffenexporten überwältigende Mehrheiten in der Bevölkerung haben. Die Leute wählen aber SPD und vor allem CDU weil sie denken, dass es ihnen selbst wirtschaftlich und steuerlich mit diesen Parteien besser geht.


    Vorm Bundesverfassungsgericht kommen doch nur ein Bruchteil der Klagen durch und vieles kommt gar nicht erst so weit. Weiterhin ist ja vieles ja schon gesetzlich erlaubt. Der durchschnittliche Hinterbänkler in Bundestag, Bundesrat und auch im Landtag weiß doch gar nicht was abgeht. Der CDU Mann der im kleinen Kaff in Baden-Württemberg gewählt wird, der kümmert sich darum, dass sein Bezirk ihn wieder wählt und bei allen anderen Abstimmungen stimmt er mit der Partei. Da er nur Parlamentarier ist weiß er gar nicht was Regierung, Geheimdeinste etc. machen sofern er nicht in den Ausschüssen ist, was ja bei einem Großteil nicht der Fall ist.
    Der durchschnittliche Abgeordnete ist ein Querschnitt der Gesellschaft und weiß auch nur so viel wie er wissen will und das ist oft nicht viel. Die Leute die sich dafür interessieren und dagegen opponieren sind dann Linke und manchmal Grüne und SPDler (die wenigen, deren das Gewissen wichtiger als das Gehalt ist) und das wird meistens bei Abstimmungen ignoriert, alle Bundestagsdebatten kann man öffentlich nachvollziehen da kann man das sehrwohl sehen.


    Wirklich Bescheid wissen die Bundesregierung und deren Ministerien sowie der Bundespräsident. Bei Horst Köhler sieht man ja wie schnell ein Präsident geht wenn er das falsche sagt.
    Die Mitglieder der FDP und SPD und vor allem der CDU die so weit oben in der Herachie sind, die finden das was stattfindet gut, daher brauch man keine Verschwörung. Der Großteil ist ja gesetzesmäßig oder in Grauzonen auch wenn es die Vollüberwachung bedeutet, aber der Erzkonservative hält das für richtig. Wenn dann einer auspackt der es weiß wie eben Andreas von Bülow, dann sieht man wie mit ihm umgegangen wird. Wenn man als Vertreter des starken Staates den Großteil dieser Aktionen nun richtig findet überlegt man sich dreimal ob man seine eigene Karriere dafür aufgibt um in Opposition zu gehen die sowieso nichts ändert solange es nur einzelne sind.


    Passend zu der Art und Weise wie du Verschwörungstheoretiker hier erwähnst kann ich mir deine Einstellung ja selbst schon denken. Klar leben wir nicht in der Stasi-DDR und auch nicht in Nordkorera und das wird so schnell nicht kommen (weil das System davon nicht profitiert). Zu Denken, dass nur die anderen Länder wie Russland Recht brechen und verbiegen und im geheimen alle ausspähen ist aber äußerst einseitig gedacht. Leute die das kritisieren als Verschwörungstheoretiker abzustempeln und sich selbst einzureden das hier alle frei sind und alles rechtsmäßig abläuft ist entweder sehr naiv oder schlichtweg Selbstbelügung.


    In my time we didn't depend on hi-tech gadgets like you do, we didn't need a mechanical washing unit to wash our clothes, we just used a washing machine. [Philip J. Fry]

    2 Mal editiert, zuletzt von _Antiheld ()

  • Ääh, tl;dr, sei mir bitte nicht böse. Bei der Einleitung verstehe ich es ja, aber wenn das Thema jetzt auch mit solchen Textmengen weitergeht, klinke ich mich lieber aus, das ist mir einfach zu viel. Sowohl zu lesen, als auch zu schreiben. :tot:

  • Zitat

    Original von Phorgo
    Ääh, tl;dr, sei mir bitte nicht böse. Bei der Einleitung verstehe ich es ja, aber wenn das Thema jetzt auch mit solchen Textmengen weitergeht, klinke ich mich lieber aus, das ist mir einfach zu viel. Sowohl zu lesen, als auch zu schreiben. :tot:


    Ich bin der gewiss nicht böse, ich kenne meine Tendenz zum ausschweifen ja selbst.
    Mir war es wichtig dir nicht batzig oder unreflektiert zu entgegnen sondern dies eher fundiert und untermauert mit belegten Beispielen zu machen.


    Die Kurzfassung ist:
    - Das Schindluder wird ja getrieben.
    - Es gibt sehr wohl eine Menge Eingriffe in die persönliche Freiheit, von denen sehr viel auch Rechtsbrüche darstellt.
    - Sehr vieles was konform mit unseren Gesetzen ist hat trotzdem freiheitsberaubende und totalitäre Elemente.
    - Damit ein Staat totalitär ist bzw. wird, bedarf es keiner Verschwörung. Weiterhin sind die wirklichen Hebel der Macht ohnehin fast nur Bundesregierung und Ministerien.


    So nochmal zum Thema kommend:


    Zitat

    Original von All
    tl;dr: Ich vertraue Canonical nicht, als Einstieg eignet sich Ubuntu aber ganz gut. Lieber wäre es mir aber, wenn man im Alltagsgebrauch ganz freie Software einsetzen könnte, dazu muss aber erstmal freie Hardware her.


    Ich kenne die Probleme ebenfalls auch wenn ich nicht in der Materie eingearbeitet bin.
    Das Problem ist halt, das man sowohl für freie Software und Hardware ein Fundament her muss, dass das ganze massentauglich macht. Eine föderal öffentlich-rechtliche Struktur (zum Beispiel bis hoch in den europäischen Rahmen) müste in meinen Augen her.
    So lange das nicht da ist, ist Ubuntu denke ich ein gutes Massenfundament, wie du es auch schon gesagt hast.


    In my time we didn't depend on hi-tech gadgets like you do, we didn't need a mechanical washing unit to wash our clothes, we just used a washing machine. [Philip J. Fry]

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!