Jetzt schon der 3. Post von mir im PC& Webdesign-Forum, aber egal.^^
Wer den Windows 8-Thread gelesen hat weiß ja, dass ich das Thema für interessant halte.
Meine Grundthese ist:
Sowohl bei Smartphones, PCs, Software als auch im Internet sieht man, dass alles vercasualisierter wird. Damit meine ich immer übersichtlicher und intuitiver, aber gleichzeitig aber auch im System geschlossener um das ganze für den "Casual-Nutzer" einfach zu halten.
Könnt ihr dieser These zustimmen? Was denkt ihr warum das so ist? Ist das eher gut oder eher schlecht?
Zustimmen kann ich ihr ja auf jeden Fall, es ist ja meine These...
Meines Erachtens nach sieht man einen deutlichen Unterschied zwischen der PC-Nutzerschaft heute und vor 10 Jahren. Ich selbst sehe es so, dass es im Laufe des letzten Jahrzehnts so zwischen 2006 und 2008 einen deutlichen Knick gab.
Vor diesem "Knick" waren (zumindest in meinem Umfeld) Leute die in ihrer Freizeit mehr als ein oder zwei Stunden am Tag am PC und am Internet saßen sehr PC-affin und von der Außenwelt ein wenig als PC-Geeks betrachtet. Jeder meine Freunde (inklusive mir selbst) der so war, hatte ein gewisses Grundverständnis von Software und Hardware. Schon allein wegen unseren LANs kannten wir uns mit Netzwerkerstellung aus, als Gamer konnten wir eigene PCs zusammenschrauben mit Betriebssystem bespielen und auch am Bios, in der Registry etc. arbeiten. Rudimentärste Kenntnisse von HTML, FTP-Servern hatte jeder der eine Clanpage erstellt hat oder auch regelmäßig Dateien für andere hochgeladen hatte. Die wenigsten dieser Leute machen heute beruflich etwas das auch nur annähernd in diesem Bereich liegt. Als Gamer und/oder Nerd dieser Zeit konnte man sowas einfach. Ich denke die meisten der Leute die zumindest älter als 18 sind wissen genau was ich meine, denn das sind genau die Leute die heutzutage immer noch in Diskussionsforen abhängen.^^
Dann kam wie gesagt der Knick. Zurückführen würde ich den auf mehrere Sachen. Noch stärkere Verbreitung des Internets vor allem das durch WLAN alle Computer im Haus mit dem Internet verbunden sind ist erstmal die Grundvoraussetzung. Weiterhin kamen immer mehr populäre Massendienste. Youtube wird immer populärer und auch illegale Filme werden immer mehr gestreamt und nicht mehr in Tauschbörsen getauscht. Die zwei größten Faktoren sind denke ich jedoch Smartphones und soziale Netzwerke. Inzwischen sind die meisten Leute unter 50 doch alle dauerhaft online. Sehr viele Leute dieser Casual-Nutzer die ich kenne da auch zu 90% nur auf Youtube, Kino.to und Facebook.
Diese Nutzer sind heutzutage die interessante Masse, die der Markt bedient (natürlich neben dem Markt in dem PCs im beruflichen Sektor genutzt werden). Da sie (neben der beruflichen bzw. schulischen Nutzung) fast nur in sozialen Netzwerken und auf Videoseiten sind und nebenbei noch Musik, Bilder und Videos verwalten brauchen sie auch nicht mehr. Je einfacher und intuitiver es geht umso besser. Deswegen ist Apple doch so beliebt obwohl es als System unglaublich restriktiv und geschlossen ist. Es ist schnell, sieht gut aus und einfach zu bedienen. Wenn diese Konsumentengruppe den Markt bestimmt dann richtet dieser sich auch nach ihr...
Als Nutzer "der auch die alte Zeit kennt" sehe ich das ganze überwiegend schlecht, obwohl es natürlich sehr viel Nutzen hat. Ich selbst benutze einen Sony Laptop mit Windows 7 und habe ein Android Smartphone mit einer Custom Rom. Ich bin froh, das ganze nach meinen Wünschen so individualisieren zu können sodass mir der Hersteller so wenig wie möglich vorschreibt was ich nutzen muss.
Meine Freundin hat ein Macbook und ein Iphone und ist somit im Apple Kosmos. Ihr Kalender, ihre Mails, ihr Kontaktbuch, ihr Browser, ihr Musik und Videoplayer ist alles von Apple und auf beiden Geräten die gleiche Software. Die Software untereinander harmonisiert super auf beiden Geräten und die vollste Synchronisation ist auch für jeden User gewährleistet egal wie wenig Ahnung er hat (sie hat jedoch sehr viel Ahnung). Ich der meine Kontakte am PC in Thunderbird und hat kann diese nicht so einfach mit Android synchronisieren, man merkt das nicht alles so schön aufeinander eingreift. Das nimmt mir Komfort und brummt mir im Alltag Arbeit auf.
Jedoch ist diese Arbeit einen Preis den ich gerne bereit bin zu bezahlen. Google besitzt eigentlich alle großen Internetdienste außer Facebook und Twitter. Mit eigener Hardware und eigenen Betriebssystemen wurde zuerst der Smartphone-Markt erobert. Das Pixelbook und Chrome OS (welches als Betriebssystem das Paradebeispiel der Casualisierung ist) zeigen den Vorstoß bei den Betriebssystemen im PC-Bereich. Google Chromecast wird so günstig verkauft um den Markt am Fernseher (der auch immer wichtiger wird, das sieht man vor allem in den USA) zu erobern. Apple hat das Iphone, die Macbooks und Imacs sowie die Apple TV-Box. Die Xbox One soll DIE Multimedia Box im Wohnzimmer werden und Windows 8 das Betriebssystem was den Fernseher, PC und Smartphone Markt vereint und die Synchronisation von Apple auch bei Windows gewährleistet. Wenn man bei allem in einem Betriebssystem bleibt ist es bequem, man wirkt aber auch abhängig und es bilden sich zu starke Monopole. Wenn man Jahre lang das ein und selbe System nutzt ist alles so verankert, dass man kaum noch umsteigen kann. Der Cloud-sei-Dank haben diese Dienste nicht nur die Account Daten sondern in Zukunft alle Daten, die immer wertvoller werden. Je mehr Nutzer auf eine Plattform umsteigen je schwächer werden die anderen bis alle nur noch ein System verwenden.
Man stelle sich folgendes Horrorszenario vor:
Windows wird mit Windows 8 so erfolgreich, dass 90% der Elektronik Nutzer ein Windows 8 Smartphone, eine Xbox One und einen Windows 8 PC haben. Durch diese große Marktmacht konnten sie sich Facebook, Google und Amazon einverleiben. Alle unsere Daten die wir haben werden in der Windows 8 Cloud gespeichert. Microsoft speichert aufgrund der Synchronisation alle unsere Passwörter, Kredikartendaten etc. GPS ist dauerhaft am Handy an. Mit Kinect das dauerhaft an der Xbox verbunden ist die dauerhaft online ist (ich weiß beides ist nicht mehr Zwang, aber es ist ja schließlich ein bewusst übertriebenes Horrorszenario) kann der selbe Konzern sich dauerhaft in unsere Wohnung schalten.
Microsoft weiß alles. Was wir online kaufen, sehen, spielen, lesen und hören. Auch wann wir es machen. Microsoft weiß dauerhaft wo wir sind und was wir machen und kann jederzeit in unser Zuhause reinschauen. Wenn man an die Smarthomes denkt weiß es auch wann wir in welchen Raum sind und wann wir duschen und Wäsche waschen. Microsoft bestimmt welche Software auf ihren Geräten läuft und welche Webdienste populär sind. Durch das bewusste Steuern der Werbung und Angebote der Produkte auf Google, Amazon, Facebook etc. bestimmt Microsoft auch was wir lesen, schauen und auch denken. Der Durchschnittsmensch findet das alles super weil alles so bequem und einfach ist. Pizza wird schon über das Internet bestellt und in Großstädten auch Taxis. Alle diese Dienste aus einer Hand wird immer bequemer. Wer sich diesem Konzern verweigert kann eigentlich gar nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Man hat also die Auswahl zwischen totaler Überwachung und dem Einsiedlerleben. Wenn man jetzt die Kooperation der NSA mit Microsoft oder auch die geplabte Drosselung des Internets bei der Telekom (bis auf "Premiumdienste" wie Youtube etc.) betrachtet merkt man, das man dadurch auch politische jegliche Öffentlichkeit und Opposition in Keim ersticken kann wenn wir das Internet und die Hardware in die Hände weniger Konzerne geben.
Klar ist dies bei weitem nicht Realität und wird es so von heute auf morgen auch nicht werden. Vor allem, da Google, Facebook, Amazon, Microsoft etc. ja alle in Konkurrenz stehen und sich so schnell nicht vom anderen schlucken lassen werden.
Doch man merkt, dass trotzdem es immer mehr in den Richtung geht, dass alle Dienste aus einer Hand kommen. Jeder der sich auch nur ein wenig mit Wirtschaft auskennt, weiß das es im Kapitalismus nicht das Ziel ist das beste Produkt anzubieten welches am kundenfreundlichsten ist und auch die Rechte des Kundes sichert. Gute Produkte sind nur das Mittel zum Zweck. Das Ziel ist es Profit einzufahren und der größte Garant dafür ist Marktmacht durch Monopol (inzwischen gibt es ja bis auf alternative Produkte ja fast nur noch Oligopole) sowie die bewusste Steuerung der Nachfrage durch Steuerung des Angebots (was ja nur bei Monopolstellung möglich ist).
Das Ziel eines Staates wiederum ist es sich selbst zu erhalten. Ein guter Weg ist natürlich die Bürger darin so weit wie möglich zufriedenzustellen. Ein anderer ist es die eigene Sicherheit durch Überwachung und Restriktion in der Innenpolitik und Imperialismus in der Außenpolitik zu gewähren. Man siehe die Politik der USA.
Wenn man sich den NSA Skandal sowie die Koperation der Konzerne mit der NSA anschaut sieht man, das wir zwar noch nicht bei dem Horrorszenario sind, es aber das Interesse von einigen Staaten und Konzernen ist das wir so werden. Wir werden nicht in den orwellschen Überwachungsstaat gezwungen, durch Dessinteresse und Konsumzwang begeben wir uns freiwillig dahin...
Jetzt habe ich wahrlich ein großes Fass aufgemacht, doch zum Fazit will ich wieder zur Casualisierung kommen.
Natürlich ist die Casualisierung nicht an alle dem Schuld, aber sie ist meines Erachtens nach ein wichtiges Rädchen in der Maschine. Zugunsten der Bequemlichkeit geben wir in der Technik an vielen Stellen Rechte, Einsicht und Pluralität ab.
Es kann gerne alles einfach und intuitiver werden, aber es darf meines Erachtens nicht auf Kosten der Vielfalt gehen (was es aber oft macht). Daher sind offenes Internet, Open Source, (und auf Dauer auch eine Neugestaltung des Urheberrechts) zentrale Aspekte die bewusst gestärkt werden müssen um diese Vielfalt zu erhalten.
OT:
Wenn man sieht, dass Sachen wie der NSA-Skandal und die Verwicklung der Konzerne und so vieles mehr den Leuten egal ist merkt man, das sie es auf die harte Tour lernen müssen. In keinem mörderischen, diktatorischen oder faschistischen System leiden die etablierten Schichten solange sie im Sinne des Systems leben, das war auch in der DDR oder der Nazi-Zeit so. Wenn die Massen dies in unseren previligierten westlichen Ländern nicht bald begreifen, müssen sie es wohl auf die harte Tour erfahren.