ZitatUnd diese Sichtweise ist genauso wenig präzise, wie "rechts" zugleich mit "ausländerfeindlich" gleichzusetzen.
Selbstverständlich ist diese Sichtweise beschränkt, immerhin ist es nur ein Auszug aus meinem Kompletten Post, wo ich andere Probleme der kommunistischen Weltanschauung dargelegt habe; zudem war mein Post nicht sonderlich lang, und dementsprechend werden die Argumente zusammengefasst geschrieben sein. Doch hiermit hoffe ich, den Post etwas ausarbeiten zu können und die Sichtweise etwas zu stabilisieren. Dennoch schon einmal vorweg: danke für eine gut durchdachte Argumentationsgrundlage und dem Beginn einer ausführlichen Diskussion.
ZitatIn der Theorie ist der Kommunismus genauso ein Modell zur Stabilität wie der Kapitalismus, allerdings mit fundamentalen Unterschieden (ich kapriziere mich hierbei auf kein Modell und auf keine spezifisch politische Sicht).
Sicherlich, beide Theorien sind Modelle, die in der tatsächlichen Umsetzung angepasst werden müssen. Allerdings gibt es schon von vornherein einige markante Unterschiede: Kapitalistische Systeme haben sich mit der Zeit entwickelt und stammen ganz ‚natürlich‘ aus der Entwicklung der westlichen Welt. Natürlich gibt es einige Meilensteine an politischer/wirtschaftlicher Literatur dazu (z.B. Adam Smith, Wealth of Nations), aber die Grundprinzipien, Werte usw. haben sich dennoch entwickelt. Kommunismus hingegen ist ein auf Rationalität basiertes Modell, welches so erfunden wurde wie wir es kennen. Das muss natürlich noch nicht heißen, dass es besser oder schlechter ist; es ist aber doch ein markanter Unterschied alleine schon auf Ebene der Entstehung der Modelle.
ZitatWenn uns die Geschichte eines lehrt, dann sind es stets die Folgen der Konflikte, die zwischen zwei oder mehreren Gruppen entstehen - irrelevant ob auf nationaler oder supranationaler Ebene. Wir, als Folgegenerationen, bekommen die jene mit und sie erwirken sich auf unser Tun, Denken und auch auf unsere Systeme und deren kulturellen Hintergründe - sie sind unsere kulturellen und teilweise auch geistigen Vermächtnisse. Ob die vorangegangenen Taten nun gut oder schlecht waren, spielt hierbei zunächst keine Rolle: eine Ereigniskette führt dazu, dass wir uns - stets mit dem chronologischen Rückblick begleitend - zu dem weiterentwickeln, was "uns" durch früher auferlassen wurde.
Das ist logisch, und dem ist nichts entgegenzusetzen. Und an dieser Stelle kann man bereits den markanten Unterschied zwischen dem Nationalsozialismus und Kommunismus machen: die Nazis begannen einen Weltkrieg, haben verloren, die Ideologie wurde durch die Entnazifizierung als grundlegend ‚böse‘ abgestempelt (und das mit recht). Der Kommunismus fiel in sich zusammen, diejenigen, die für die Untaten (allein von der Zahl her wesentlich grausamer als der Nationalsozialismus) verantwortlich waren, sind unbeschadet davongekommen, und es fand keine ‚Entkommunisifizierung‘ statt. Dementsprechend ist das geistige Vermächtnis dem Kommunismus gegenüber wesentlich sympathischer als dem Nationalsozialismus. Faschismus an sich ist den Meisten heutzutage kein Begriff; sie setzen fälschlicherweise den Nationalsozialismus damit gleich.
ZitatDarunter zählen auch die negativen Ausprägungen, die jedwede Systemmodelle mit sich bringen mögen. Der Kommunismus ist ein solches Modell und jenes wird, genauso wie der Kapitalismus, durch gewisse Dinge von seiner ursprünglichen Ausrichtung bzw. Definition verändert bzw. "anders gelebt" - sie verändern sich deduktiv und dieser Vorgang ist stets systemimmanent. Durch diese deduktive Entwicklung wurden (und werden sehr häufig) anfänglich normative Gleichnisse zu deskriptiven und entsprechend verändern sich Systeme, (Hoch-)Kulturen, Normen, moralische Werte als Urteilsfundamente und noch viele andere Dinge.
Selbstverständlich kann man ein Modell nicht direkt in der wirklichen Welt umsetzen, und dementsprechend stellt sich die Frage, in wieweit meine Theorie standhält. Dementsprechend ist es vonnöten, dass man feststellt, wie unmittelbar die Einflüsse des Marxismus auf umgesetzte kommunistische Systeme sind. Im Falle Bolschewismus wurde dieses Unterfangen glücklicherweise bereits von Alexander Solschenizyn durchgeführt, in seinem Meisterwerk Der Archipel Gulag in 1973, für das er auch den Literaturnobelpreis erlangte. In diesem umfangreichen Werk legte er unter anderem dar, wie die Theorien des Marxismus direkt zum totalitären System der Kommunisten geführt hat – es war die logische Konsequenz des Marxismus (so wie ich in Kurzform den Leninismus dargelegt habe in Bezug auf die unmittelbare Revolution).
ZitatWenn wir das Resultat aus solch zwar zeitlich sehr zähen, aber dennoch stets existierenden Korrelationen sind, dann muss man sich rückblickend fragen, wo und vor allem wann die normativ-definitorische Kausa existierte und warum sie sich so verändert hat.
Verteufelt man also heutzutage den Kommunismus, so impliziert man damit - und das meist nicht wissentlich oder doch wissentlich und somit aus gar antagonistischen Gründen -, dass man lediglich die Ausprägungen, welche durch oftmals individuelles Tun erwirkt wurden, nicht gutheißen kann, macht aber damit den Fehler des voreiligen und generalisierenden Urteils auf induktiver Ebene. Entsprechend haben diese Systeme konstruktive Kerne und dürfen nicht unvorsichtigerweise einfach als "menschenverachtend", "intolerant" (bei diesem Begriff wäre ich ohnehin vorsichtig, auch wenn jener hier nicht genannt wurde) oder gar als "falsch" abgestempelt werden.
Wie ich oben erwähnte, muss man also erforschen, wie nahe die Umsetzungen dem ‚echten‘ Marxismus sind. Aber man muss auch danach schauen, inwieweit die konstruktiven Kerne der Kommunisten überhaupt durchzusetzen sind, oder ob sie tatsächlich so rein, so wundervoll sind, wie sie Marxist-Befürworter darstellen würden. Das Urteil ‚menschenverachten‘ ist die Konsequenz nach solchen Überlegungen, einfach weil eine Umsetzung des Marxismus in jedem Fall das Kollektiv über das Individuum legen muss.
ZitatSei es der Leninismus oder auch beispielsweise der Maoismus: all diese Ausprägungen sind Resultate deduktiver und zeitlich entsprechender Gegebenheiten, welche sich zwar anfänglich sehr zäh, aber dann doch dynamischerweise sehr flexibel den jeweiligen Kulturhintergründen angepasst haben und später "überschwappten", wodurch es manchmal sogar zu territorial-politischen Umgestaltungen kam (siehe die Weltkriege).
Siehe alles vorangegangene.
ZitatAlso einfach zu sagen, "Kommunismus = buh!" (auch wenn es hier so wortwörtlich nie gesagt wurde, Implikationen wurden genügend gegeben), so würde ich dringend raten, sich zunächst mit all den Ursprüngen, Eigenschaften und besonders (und das darf nie vergessen werden!) mit den Potenzialitäten auseinanderzusetzen. Gerade Letzteres muss man allerdings auch vorsichtig betrachten, da jene stets zeitlich begrenzt und somit flexibel wirksam sind.
Ich bin mir sicher, mit meiner kurzen Zusammenfassung der Revolution und dem Leninismus dargelegt zu haben, dass ich möglicherweise mehr als nur ‚Kommunismus=buh!‘ schreie.
ZitatEin Beispiel:
Wo nun vielleicht in der Vergangenheit der Kommunismus in den meisten Nationen auf dieser Welt versagt hat, so muss dies nicht für die Zukunft gelten, wenn man sich auf ursprüngliche, normative Eigenschaften beruft und jene nicht - wie stets durch die deduktive Entwicklung gegeben - in wahrhaftig menschenverachtende Erzeugnisse politischer Errungenschaftren ausarten und damit sogar - im Potenzial - gänzliche Nomenklaturen entwickeln. Die Gefahr dafür obliegt manchmal sogar bei einem einzigen Individuum oder nur einer kleinen Gruppe, welche mit ihren geistigen Ausprägungen in entsprechenden Krisenzeiten schon bestehende Systeme empfindsam treffen und verändern können - meistens sehr zum Leidwesen aller.
Der Kommunismus hat in jeder Nation dieser Welt versagt. In jedem Fall führte es in eine totalitäre Diktatur. Der oben genannte Autor hat dargelegt, wie die Konsequenzen direkt aus der Philosophie stammen, nicht unbedingt durch das Handeln einiger weniger Individuen. Natürlich, solche Individuen werden die Gelegenheit nutzen und sich an die Spitze stellen – aber ist es nicht doch etwas aussagekräftig, dass das in jedem kommunistischen System passiert ist? Wie viele Tote muss es denn noch geben, bis wir alle einsehen, wie grausam es ist? An die 130 Millionen sollten reichen, würde ich meinen. Oder würdest du behaupten, wenn du der kommunistische Diktator wärst würdest du die Utopie einführen und alles besser machen? Erstens bist du nicht so rein (so rein ist keiner), und zweitens, wenn du wirklich so rein sein solltest, steht bereits der nächste Stalin hinter dir und schießt dir eine Kugel in den Kopf. Genau das hat Stalin gemacht – alle Anführer der Revolution zusammengeschart und erschossen und sich selbst an die Spitze gestellt.
Davon abgesehen kann man die massiven Probleme der Philosophie auch ohne die konkreten Beispiele der Weltgeschichte darlegen. Ein Beispiel war die Revolution und daraus resultierende Hungersnot – oder wäre in deiner Utopie ein friedlicher Wandel möglich? Wer würde sich dem fügen? Eine andere ist z.B. die Tatsache, dass im Kommunismus alle Menschen gleich sind und ihrer Arbeit zugewiesen werden. Welche Motivation hättest du als Mensch, dich weiterzubilden und irgendwo aufzusteigen, wenn du sowieso nie weiterkommen darfst? Natürlich könnte man sagen, dass man doch aufsteigen darf, aber dass der Staat trotzdem alles durchplant. Dass ein selbstregulierender Markt aber wesentlich besser funktioniert – ich gehe davon aus, dass dir das klar ist.
ZitatErgo sind Theorie und Praxis zwei verschiedene Dinge. Wo die Theorie Schlüssel bietet, liegt es an dem Menschen - ob Individuum oder Kollektiv - die richtige Türe zu wählen. Letztlich bestimmt unser Handeln unser öffentlich wahrgenommenes Wesen, unsere Reputation für die Öffentlichkeit und vor allem für die Nachwelt, irrelevant welche theoretischen Gründe des Gutheißens dahinter stecken.
Ich wünschte, das wäre in jedem Fall wahr. Die Realität lehrt uns aber leider, dass oftmals die theoretischen Gründe, bzw. eher die Ideologie eines solchen Systems so mächtig sein kann, dass es das Denken der Massen soweit beeinflusst, dass sie das Handeln der Individuen nicht objektiv einschätzen können – oder selbst dann, wenn sie nicht beeinflusst wurden. Mao, Stalin, Lenin, sie werden noch alle hoch geschätzt und ihren Nationen verehrt. Castro wurde nach seinem Tod von den Anführern vieler Nationen hoch geschätzt – und nicht für seine Verbrechen verachtet.
ZitatDas bedeutet aber nicht, dass diese Gründe je schlecht waren oder sein mussten, wenn es denn obgleich das Tun und Handeln der früheren Generationen war - dieser Schritt muss auf jeden Fall getrennt und darf nicht missinterpretiert werden, denn sonst macht man die gleichen deduktiven Fehler*, die auch einst unsere Ahnen machten.
(Fußnote: Diese Phrasen beziehen sich nun ausdrücklich auf negative Ereignisse und Entwicklungen, können aber ebenso auf positive Entwicklungen gesetzt werden, wenn man vorsichtig ist.)
Nichts auszusetzen oder beizufügen.
ZitatWas hierbei helfen kann, ist eine ausdifferenzierte Betrachtungsweise und auch eine chronologisch angepasste - ganz im Sinne von John Dewey. Damit ist nun nicht gemeint, dass man alle negativen Ereignisse und Ausprägungen bagatellisieren oder gar gutheißen soll, aber man sollte den kognitiven Mut haben, hinter solche Fassaden zu schauen und dort mit Argumenten zu arbeiten. Das ist viel effektiver und zielfokussierter, es sei denn man möchte lediglich eine spezifische Ausprägung kritisieren. Aber auch dann muss man stets viele Faktoren einbeziehen, weshalb die passenden Antworten darauf nie nur mit einem Satz abgetan sind.
Deswegen war es kein Satz, sondern der Schlusssatz nach einem Paragraphen mit mehr Details einer konkreten Ausprägung; aber dennoch war es, natürlich, stark eingeschränkt in der Länge. Danke trotzdem für die doch gut gemeinte Predigt. Man sollte auch den Mut haben, die Theorie als solches durchzudenken und ein Denkexperiment durchzuführen, wenn die Zahlen und die Arbeit anderer Individuen einem noch nicht ausreichend sind – ganz im Sinne Platos.
ZitatP. S.: Ich habe hierbei für nichts gestimmt, da - wie ich schon implizierte - dies nur schwer mit einem Satz oder einem Klick festzumachen ist. Es gibt Punkte, da bin ich so und wiederum andere Punkte, bei denen ich so bin - je nach Gewichtung(sfehler) liegt dann zwar eine Tendenz vor, aber gibt jene denn wirklich das preis, was ich denke zu sein?
(Man siehe sich mal log-normale Verteilungen und deren Disparitäten an ...)
An dieser Stelle eine kurze Entschuldigung wenn es so klingt, als würde ich dich als Befürworter des Kommunismus abstempeln – das liegt nur in der Natur dieser Diskussion, weil du mit meinem vorherigen Kommentar gegen den Kommunismus unzufrieden warst.