Was ist Kunst? Und was Talent? - Zusammenhänge

  • Eine Frage die mir irgendwie durch den Kopf geschossen ist. Hab schon die SuFu untersucht und hoffe natürlich nicht, dass ich ausversehen einen Klon erstellt habe, aber mir ist es ein großes Bedürfnis dieses Thema mal anzusprechen, da ich mich hobbytechnisch viel damit beschäftige. Ich weiß, dass hier viele kreative Köpfe in dem Forum sind und vielleicht könnt ihr mir ja auf die Sprünge helfen, denn für mich ist das Wort "Kunst" so schwer begreiflich, denn steckt nicht in jedem ein kleiner Künstler? Wo ich auch wieder auf das Wort Talent stoße. Wie kann man das Wort definieren?


    Ich selber bezeichne mich ja in vielen Dingen immer noch als Amateur. Gerade wenn ich so manche Vorbilder von mir sehe. Die kriegen es schon Halbschlaf hin ein wunderbares Bild zu zaubern. Da seh ich richtiges Talent. Trotzdem wurde mir schon oft gesagt, dass ich Talent hätte. Also was genau ist dieses Talent? Ich selber denke, dass da schon ne Menge Fleiß und Arbeit dahinter stecken muss, denn gerade bei manchen Hobbys die ich schleifen lasse, merke ich doch schnell, dass ich mich dann wieder mehr dahinter klemmen muss. Während es Hobbys gibt die ich scheinbar bis aufs Blut beherrsche.


    Habt ihr euch damit schon mal auseinander gesetzt? Und auf welchem Punkt seit ihr gekommen? Das sind zwei so verschiedene Themen. Ich weiß nicht ob es gut wäre sie voneinander zu trennen, aber grade Kunst und Talent scheinen sehr stark aneinanderzuhängen. :) Hab kurz mal auf Wikipedia gesucht und das gefunden: eine bestimmte große Fähigkeit für etwas, die jmd. nicht durch Lernen oder Ausbildung erworben hat, sondern bereits von Geburt an besitzt.


    Ich kenne ja auch viele talentierte Menschen. Da muss ich nicht viel nachdenken. Ich denke mal die kennt jeder. Aber wer sagt einem, dass das Talent ist was man hat? Vieles kann man sich ja auch mit viel Geduld und Fleiß erarbeiten. Für mich ist es schwer da eine Grenze zwischen Talent und Nicht-Talent zu ziehen. :unsicher:


    Zum Thema Kunst: Ich finde es schwer Kunst zu definieren, da sie für mich viele Begriffe hat. Vielleicht können mir hier ja ein paar helfen, denn Wikipedia hat mir in diesem Falle nicht wirklich weiter geholfen und ich finde es immer schön, dass mit eigenen Worten zu hören. =)


    Würde mich über ein paar Antworten freuen.

  • Ich halte beide Begrifflichkeiten für grundverschieden, jedoch kann man auch einen Zusammenhang sehen, allerdings ist jener keine Pflicht bzw. es lässt sich daran kein allgemeiner Satz ableiten.
    Somit muss nicht zwingend von einem reziproken Verhältnis ausgegangen werden - soll heißen: Talent setzt sicherlich kein künstlicherisches Verständnis voraus, ebenso wenig Kunst Talent voraussetzen muss. Allerdings können sich beide durchaus bedingen, auch wenn es beim Talent ein wenig schwieriger ist, Kunst dessen vorauszusetzen.
    (Fußnote: Sprechen wir allerdings von noch unentdeckten Potenzialen, die in uns schlummern, ist das eventuell wieder eine andere Geschichte - aber das nur am Rande.)


    Da Kunst nicht zwangsläufig auf ein Talent zurückführen muss, ist Kunst also vielleicht eher auf eine subjektive Ebene zugeordnet. Hierbei könnte man nun mit der subjektiven Wertlehre anfangen, welche grob besagt, dass jedweder Wert nicht über ein objektives Kriterium festgesetzt wird - also ein Preis -, sondern viel mehr vom Betrachter selbst vergeben wird.
    (Fußnote: der Preis kann dennoch ein objektives Kriterium an dieser Stelle sein, wenn ein Betrachter ein Gut für sehr knapp hält - soll heißen, dass die Preisfunktionen auch bei der subjektiven Wertlehre nicht unbedingt wegfallen müssen.)
    Die Frage warum "Was ist Kunst?" nur subjektiv beantwortet werden kann, ist auf verschiedene Hintergründe zurückzuführen. Laut John Dewey, seines Zeichens einer der Reformpädagogen, der viele epochale Dogmen erlebt hat und den ich sehr schätze, ist Kunst mit einer Erfahrung gleichzusetzen.
    "Erfahrung" ist allerdings ein sehr dehnbarer Begriff und um es an dieser Stelle mal grob zu erklären, warum Kunst als "Erfahrung" gesehen wird, lässt sich sogleich der Erfahrungsbegriff bei Dewey näher kontrastieren:


    • Eine Alltagsefahrung ist bei Dewey nicht gerade förderlich für den Geist und lässt den Denkapparat in sich verkümmern. Das bedeutet also, wenn wir bei einer Erfahrung nicht wirklich nachdenken müssen (er spricht auch von "Gewohnheitserfahrung"), so verkümmert unsere geistige Leistungsfähigkeit und eine solche Erfahrung wirkt in sich "abgebrochen". Wir führen sie nicht zuende und sie verpufft in der unendlichen Menge an geistigen Eindrücken und Wahrnehmungen, die wir im Alltag so machen. Sie bringen uns nicht weiter.


    • Hingegen spricht er bei einer ästhetischen Erfahrung davon, dass jene besonders ist, da wir diesen Gedankengang zuende führen und uns dabei weiterentwickeln, auch wenn wir es nicht merken. Dieser Gedankengang bleibt uns auch noch in Jahren enthalten und formt uns in gewisser Hinsicht.


    Kunst ist also dann eine Erfahrung für uns, wenn sie uns gewissermaßen prägt. "Prägung" sollte allerdings nicht repetitiv sein, sondern besonders. So ist vielleicht das erste Zelda-Spiel noch eine künstlerisch sehr wertvolle Erfahrung, allerdings beim nächsten Spiel geht schon einiges von diesem Charme verloren - man stelle es sich wie eine degressiv ansteigende Nutzenkurve vor. Konsumiert man stets einen konstanten Wert, dann bringt es pro zusätzlicher Einheit immer weniger Nutzen (--> der Grenznutzen nimmt ab).
    (Das bedeutet nun nicht unmittelbar, dass bei der Erhöhung des Konsums der Nutzen nun wieder zunehmen muss - eine Besonderheit im Kontext von Kunsterfahrungen und dem daraus resultierenden Nutzen.)


    In Kunst verschmilzen für Dewey sich ansonsten sehr antagonistisch zueinander verhaltende Elemente, die auf den Betrachter einwirken. Das kann unter anderem etwas sein, was neu und zugleich alt ist, etwas individuelles und zugleich universelles oder oberflächlich und zugleich sehr tiefes. Kunst ist also für Dewey die universellste Form der Kommunikation die es gibt, da sie selbst sehr ambivalente Elemente miteinander verknüpfen kann und zugleich zum Ausdruck bringt. Der Quell dieses "Gefühls" ist dabei beim Betrachter, bei seinen bisherigen Erfahrungen und auch beim Schöpfer und seinen Erfahrungen, sowie beim schöpferischen Prozess des Kunstobjektes enthalten.
    Und um beim Schöpfungsprozess des Kunstobjektes mal zu bleiben:
    Man siehe beispielsweise einen Stuhl, der komplett aus harten Mehl besteht. Beim Prozess des Erstellens ist dem Schöpfer sicherlich einiges durch den Kopf gegangen und er hat es in dieses Werk einfließen lassen. Du als Betrachter bist ihm dabei wohlmöglich durch den Kopf gegangen, der Einfluss seiner Ideen während des Erstellungsprozesses (bezüglich des Materials), sowie auch seine vorhergegangenen Erfahrungen - wer weiß? Vielleicht sah er die Mona Lisa vorher und jene war ihm zu langweilig, also wollte er etwas Neues ausprobieren?
    Kunst ist also ein dynamischer Prozess: nicht nur im Erstellungsprozess, sondern auch in der Wirkung danach. Was sie mit dir anstellen wird, definiert deine in diesem Moment daraus resultierende Erfahrung und auch deine Vorerfahrung, dein erster Eindruck und deine langfristige Wahrnehmung.


    Ein Talent betrachte ich als besondere Ausprägung einer natürlichen Fähigkeit. Jedoch muss man dabei vorsichtig sein, denn dieser Gedanke hegt den unbehaglichen Aspekt des Vergleiches. Habe ich im Vergleich zu meinen übrigen Fähigkeiten nun ein Talent oder im gänzlichen Vergleich mit anderen Personen? Wenn wir uns dieser Frage widmen, dann kann man ein Talent zunächst nicht unbedingt leicht definieren, es sei denn, es ist etwas höchst seltenes und besonderes. Ich kann mich beispielsweise an einen Herrn erinnern, der in Köln jeden Sommer sich auf die Domplatte stellte und dort einen ganzen Kasten Wasser trank - der Typ kannte kein Ende und sein Bauch wuchs immer weiter an. Der Kasten war fast ganz leer, da spuckte er es sukzessive wieder aus. Wir nannten das immer "Aquaknarre", denn der Kerl würgte es nicht hoch, sondern spuckte willentlich und nach Bedarf aus.
    Das ist sicherlich ein "Talent", wenn man es mit seinen Mitmenschen vergleicht, wie auch mit seinen übrigen, individuellen Fähigkeiten. Dennoch muss man festhalten, dass dies auf einen Fehler in seinem Inneren zurückgeht, denn ich meine mich zu erinneren, dass dies auf fehlende "Schlucktüren" zurückzuführen ist - der genaue Begriff für diesen anatomischen Teil des Menschen ist mir nicht geläufig. Soll heißen: der Kerl konnte bei Bedarf alles schlucken und zugleich ausspucken. Diese "Türen" sind eigentlich dazu da, damit ein Mensch nicht (während des Schlafens) an seinen eigenen Nahrungsmitteln erstickt.
    Ist dies noch immer ein Talent? Oder muss ein Talent auf eine spezielle Ausprägung einer Fähigkeit zurückzuführen sein, die jedem zugänglich ist? Letzterem stimme ich eher zu und spreche mich bei dem Typen dafür aus, dass er eher eine Art "Gabe" hat - ohne allerdings nun einen religiösen Hintergrund damit zu assoziieren. Es ist also ein genetischer Fehler, den er zu seinem Gunsten ausnutzen kann, was für mich aber fernab eines Talents ist - ebenso wenig wie Inselbegabung (wobei man hierbei differenzieren muss, aber dies nur am Rande). Darüber lässt sich aber sicherlich auch streiten, wie beispielsweise über meine Wahl des Begriffes "Gabe".
    Ein Talent sehe ich also als eine besondere Ausprägung einer Fähigkeit, die jedem natürlich zugänglich ist - sei es beispielsweise das Talent des schnellen Kopfrechnens. Diese Definition ist für mich persönlich auch weitaus befriedigender, denn so weiß ich, dass ich selbst einen sehr talentierten Menschen mit meinem versteckten Potenzial und viel Training erreichen kann - und das begrüße ich sehr! Talent ist somit nicht unerreichbar, und auch keine Sache, auf die man stolz sein kann - es ist nur ein netter Bonus bzw. ein großzügiges Startkapital. Es zeugt eher von daraus resultierenden Stolz, was man aus diesem Talent alles rauszuholen weiß und wie man es trainiert, ebenso wie man effizient sein Startkapital nutzen/anlegen sollte, statt es seinen Wert verlieren zu lassen. Leistung statt Ausruhen auf dem Talent - und Kunst kann auch aus Leistung entstehen, nicht zwangsläufig nur aus Talent.


    Und zum Abschluss nochmal:
    Ich unterscheide deshalb die Begrifflichkeiten "Talent" und "Kunst", obschon beide aufeinander Einfluss nehmen können. Talente lassen sich trainieren, ebenso kann ich mich auf das Niveau des Talentierten bringen. Kunst kann ein Resultat dessen sein, muss es aber nicht, denn Kunst kann auch fernab von Talent entstehen.
    Tränen sind ja auch nicht stets das Resultat von Trauer, auch wenn sie stets damit assoziiert werden - was allerdings auch naheliegend ist. Doch Trauer können Tränen bedingen, ebenso wie fremde Tränen uns zu Trauer führen können - doch hierbei sollte man stets das Modalverb "kann" verwenden ...

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    6 Mal editiert, zuletzt von Herr der Zeiten ()

  • Über den Kunst-Begriff habe ich mir lange Zeit nicht allzu viele Gedanken gemacht, obwohl ich jemand bin, der auch im "künstlerischen Bereich" tätig ist. Ich wurde immer von allen Seiten "Künstlerin" genannt, habe mich selbst aber nie als solche gesehen, da ich das Wort "Kunst" immer mit etwas Hochtrabenden, Besonderen in Verbindung gebracht habe, während ich das Zeichnen eher aus Spaß an der Freude betreibe.
    Inzwischen stehe ich diesem Begriff aber nicht mehr ganz so distanziert gegenüber. Im Gegenteil, inzwischen bin ich der Meinung, dass Kunst wirklich im Auge des Betrachters liegt und dementsprechend nichts Elitäres sondern vielmehr etwas ist, was jedem zugänglich ist. Somit halte ich es für äußerst schwierig, da eine allgemeingültige Aussage bzw. Definition zu finden. Das genze Konzept Kunst hat auch viel mit Ästhetik und den damit verbundenen Gedanken und Gefühlen zu tun, die ja selbstverständlich differieren können. Nicht nur von Betrachter zu Betrachter, sondern auch von Künstler zu Betrachter. Eine Aussage, die in einem Kunstwerk steckt, ist für den Künstler und für einige Betrachter vollkommen klar, während sie jemand anderem überhaupt nicht aufgehen mag oder einfach ganz anders interpretiert wird. Ich bin auch der Meinung, dass es bei solch einer Interpretiation kein wirkliches "richtig" oder "faslch" gibt, zumindest nicht für einen persönlich. Klar, kann man komplett an der Intention des Künstlers "vorbei interpretieren", aber man kann genau so wenig genau richtig liegen, da Interpretation ja schon die persönliche Komponente voraus setzt. Soll heißen: Was der Künstler sich mit einem Werk dachte, weiß am Ende nur er selbst wirklich, während der Betrachter es höchstens erahnen kann, schließlich ist er ja nicht der Künstler und kann somit nicht den vollständigen Hintergrund nachvollziehen. Kunst ist eben, wie Herr der Zeiten bereits aufführte, auch eine Art der Kommunikation.
    Eine große Rolle spielt bei dem ganzen nicht nur der persönliche Hintergrund, sondern auch der zeitgeschichtliche, bzw. gesellschaftliche. Nicht umsonst spricht man in Kunst- und Literaturgeschichte von Epochen, deren Werke sich von Antike bis Neuzeit stark unterscheiden mögen. Und dennoch sind sie auf ihre ganz einzigartige Art und Weise Kunst, auch wenn manch einer heute vor beispielsweise einem expressionistischen Kunstwerk steht und sich nur fragt, was in aller Welt das darstellen solle. Es ist wohl, der scheinbaren Undefinierbarkeit des grundlegenden Kunstbegriffes zum Trotz, durchaus sinnvoll Unterteilungen in Epochen zu unternehmen, wobei sie mir doch manchmal etwas starr vorkommen mögen. Wenn ich mich beispielsweise als Kind der Neuzeit eher dem romantischen Grundgedanken hingezogen fühle und dementsprechend Werke produziere, die "typische" Epochenmerkmale der Romantik aufweisen (vielleicht auch in gewisser Weise neu interpretiert), zählen diese dann zur Neuzeit oder Romantik oder etwas ganz anderem? (Wobei einem das als Künstler persönlich an dieser Stelle u.U. wahrscheinlich recht egal ist, mich würde das einfach mal interessieren.) Am Ende sollte man soetwas wohl eher als grobe Richtlinie als wahrhaftigen Maßstab sehen.


    Zum Thema Talent hab ich persönlich ein recht gespaltenes Verhältnis, aber das ist eine etwas andere Geschichte. Talent ist wieder so ein schwammiges Konstrukt ähnlich wie Kunst, wobei ich denke, dass es bei der Festlegung des Talentbegriffes weniger auf das Berücksichtigen individueller Sichtweisen und Gefühle ankommt als vielmehr, das Wort an sich "greifbarer" machen zu können.
    Talent ist zwar klar von "harter Arbeit und Fleiß" aka. erworbenen Eigenschaften zu trennen, aber nicht komplett gegensätzlich und es schließt sich erst recht nicht gegenseitig aus. Ich denke umgekehrt aber auch nicht, dass man Talent von Geburt an haben kann, aber das hängt wohl auch sehr mit der Vorstellung von Schicksal oder aus wissenschaftlicher Sicht mit Genetik zusammen und beides sind bisweilen keine allzu verlässlichen Argumentationsbasen (das eine aus philosophischer Sicht, das andere schlicht aus dem aktuellen Wissensstand heraus). Talent ist auch definitiv nicht die Voraussetzung zum Erwerb einer Fähigkeit, sondern vielmehr würde ich es als einen Wegbaustein sehen, sowie es auch die "harte Arbeit", also das intensive Auseinandersetzen mit der Thematik, Mechanik, etc. ist. In diesem Zusammenhang finde ich auch wieder das Bild des "Startkapitals", dass Herr der Zeiten erwähnt hat, durchaus passend, ohne jetzt genau sagen zu können, woher genau dieses Startkapital genau stammt. Gleichzeitig würde ich sagen, dass jeder ein gewisses Startkapital besitzt in allerlei Dingen, der andere mehr, der andere weniger. Talent sollte man nicht als etwas Absolutes sondern eher als etwas Relatives sehen.

    »Ein Gelehrter in einem Laboratorium ist nicht nur ein Techniker,
    er steht auch vor den Naturvorgängen wie ein Kind vor einer Märchenwelt.«


    ~ Marie Curie

  • Kunst und Talent haben für mich nur wenige Zusammenhänge. Zwar spricht man gerne davon, dass jemand Talent hat, wenn er besonders ansprechende Kunst erschaffen kann, jedoch würde ich diese Formulierung aus meiner Perspektive als inkorrekt bezeichnen.


    Zunächst mal: Was ist Kunst? Kunst ist in meinen Augen ein kreativer Schaffungsprozess, an dessen Ende ein fertiges Produkt steht, wobei der Erschaffer selbst bestimmt, wann es fertig ist. Deshalb können viele Dinge aus Kunst angesehen werden, gleichzeitig aber auch nicht, was im Prinzip auf Schrödingers Katze hinausläuft. Allgemein betrachtet ist etwas gleichzeitig Kunst und nicht Kunst, solange bis sich jemand hinstellt und sagt, dass es Kunst ist, oder eben nicht.
    Für viele Leute hat Kunst aber immer einen bestimmten Anspruch und hängt damit zusammen. Auf ihre Kinderkritzeleien sind viele Vorschüler so unheimlich stolz, dass sie sofort an den Kühlschrank gehängt werden müssen, werden von Erwachsenen aber eher belächelt. Das Gemälde eines bekannten Malers würde von dem Erwachsenen dagegen als Kunst interpretiert werden, wohingegen das Kind sich vielleicht sagt: "Kann ich auch." Ich würde sagen, wir neigen eher dazu das als Kunst zu interpretieren, was wir uns nicht zutrauen würden auch selbst zu erschaffen. Wir wollen in gewisser Weise von Kunst beeindruckt werden und das geht leichter, wenn wir niedrige Anforderungen an die Kunstwerke haben.
    Kunst wird außerdem gern als etwas Absolutes dargestellt (vor allem von den "Künstlern" die heutzutage so rumlaufen und Abfallberge als Kunstwerke darstellen *hust hust* Klischeé), weshalb Kritik an Kunst häufig als ein Tabu gilt, solange man nicht selbst in der Lage ist Kunst zu erschaffen, die den Künstler auf seinem eigenen Gebiet beeindruckt. Erst dann nimmt man gewillt die Kritik an (man will sich ja verbessern), belächelt sie zuvor aber, wenn man davon ausgeht, dass der andere nicht Vergleichbares im Stande ist zu leisten. Hängt aber natürlich auch damit zusammen, dass Kunst sehr relativ gesehen werden kann und was dem einen missfällt, kann vom Künstler ja durchaus Absicht gewesen sein.
    Wenn man jedoch will, dass Kunst nicht kritisiert wird, sollte man sie ohne Kontext hinstellen und nicht etwa dazu sagen, dass es das und das darstellen soll. Denn dann kommt die Kritik, wenn der Tiger nicht aussieht wie ein Tiger, sondern wie ein Zebra. Daraus sollte sich ableiten lassen, das Kunst gar nicht absolut sein kann, denn dann muss meine Darstellung eines Tigers ja der Darstellung jedes anderen Tigers entsprechen, sodass jeder zustimmen kann: "Ja, das ist zu 100% ein Tiger."
    Andersherum, wenn ich aber sage: "Das kann ein Tiger sein, kann aber auch ein Zebra sein", dann verliert die Kunst ihren Absolutheitsanspruch ohnehin.
    Fazit: Kunst ist nicht absolut, kann damit nur als relativ angesehen werden und liegt im Auge des Betrachters, sowohl oberflächlich, als auch im Bezug auf ihre Aussage. Wenn jemand die Mona Lisa kritisieren will, weil sie eher nach einem Gnu aussieht, dann darf er das tun.


    Nächste Frage: Was ist Talent? Talent ist zunächst mal nur eine Veranlagung für ein Handwerk, sei es künstlerisch oder nicht. Jedes Gehirn ist anders, deswegen funktionieren Lernprozesse in unterschiedlichen Gehirnen unterschiedlich gut. Deswegen fällt es den einen leichter, ein Instrument zu lernen, während andere Probleme damit haben.
    Talent sagt aber nur etwas darüber aus, wie schnell man in der Lage ist ein Handwerk zu erlernen. Jemand mit Talent lernt Blockflöte vielleicht in zwei Jahren, jemand ohne braucht drei Jahre dafür. Aber im Endeffekt ist jeder Mensch mit genügend Übung im Stande das gleiche zu leisten.
    Ich denke folgenden Dialog kennt jeder
    A: "Boah, du kannst voll gut zeichnen. Bin voll neidisch."
    B: "Warum lernst du es dann nicht."
    A: "Neee, liegt mir eh nicht/hab ich kein Talent für."
    So gesehen ist "Kann ich sowieso nicht" keine Ausrede. (Ja, weiß ich selber, ich sag's trotzdem ständig. Gottverdammte kognitive Dissonanz.) Nur kann ich es mir gut vorstellen, dass Menschen mit Talent auch mehr Spaß an einem Handwerk haben, was ihnen liegt, weil sich die Entwicklung deutlicher nachvollziehen lässt. Jemand, bei dem das nicht der Fall ist, wird vielleicht schneller aufgeben es zu lernen, weil er einfach weniger schnell lernt.
    Abgesehen davon glaube ich, dass eine gewisse Veranlagung für Alles in jedem für uns vorhanden ist, eigentlich müsste man daher nur eine sehr starke Ausprägung dieser Veranlagung für ein bestimmtes Handwerk als Talent ansehen.


    Heißt im Umkehrschluss: Jemand, der gute Kunst schafft, muss nicht zwangsläufig Talent haben, sondern hat vielleicht einfach nur jahrelang intensiv geübt. Da Talent nur im Lernprozess liegt, spielt sie beim entstandenen Produkt und dem Prozess nur eine untergeordnete Rolle. Allerhöchstens wird Talent dann relevant, wenn es um die Dauer des Prozesses bis zum fertigen Produkt geht oder anders formuliert, wie lange es dauert, bis der Künstler (eingeschlossen des Lernprozesses) braucht, um das Kunstwerk nach seinen Vorstellungen gestaltet zu haben. Talent lässt sich per se aber nicht am fertigen Produkt erkennen.
    Wie bereits anfangs gesagt, die Verbindung zwischen "Kunst" und "Talent" ist gering.

  • So, jetzt finde ich endlich Zeit und Muße, hier auch zu antworten.^_^ Zunächst werde ich mal auf ein paar von euch genannte Punkte eingehen. Vermutlich werde ich dabei etwas ausschweifen. Verzeiht mir das bitte. Ich werde versuchen, mich zurückzuhalten! :D


    Zu Herr der Zeiten
    Die Unterscheidung zwischen Alltagserfahrungen und ästhetischen Erfahrungen erscheint mir sinnvoll. Das Konzept war mir in dieser konkreten Definition noch nicht bekannt, scheinbar intuitiv bin ich aber auch schon zu dieser Einteilung gelangt. Dein Beispiel, dass verschiedene Zeldaspiele immer weniger Eindruck machen können, je mehr Teile man selbst gespielt hat, ist gut gewählt.
    Um das mit einem persönlichen Beispiel zu untermauern: Als junger Teenager hielt ich Dragonball für ein phänomenales Epos. Mittlerweile habe ich die Elemente der Comics so oft an anderer Stelle und besser gemacht gesehen, dass ich diese Bewertung geändert habe. Auf der anderen Seite habe ich über die letzten Jahre gemerkt, dass mich die neuen Vertreter des Genres immer weniger ansprechen. Seven Deadly Sins etwa habe ich nach wenigen Folgen abgebrochen, Fairy Tail hat mich irgendwann auch nicht mehr halten können. Die Serien sind an sich nicht schlechter...in vielerlei Hinsicht, aber ich habe das einfach alles schon zu oft gesehen, als dass es für mich eine tatsächliche ästhetische Erfahrung sein könnte.
    Davon ab ziehe ich hier auch eine Parallele zu Demenzerkrankungen, die zwar nicht kuriert, aber durch die konstante Beschäftigung mit neuen und auch durchaus herausfordernden Informationen in ihrem Verlauf verlangsamt werden können. Demenzerkrankungen sind deshalb auch ein Teufelskreis: Diese Beschäftigung wird zunehmend anstrengender. Man verdrängt die schwindende geistige Leistungsfähigkeit gerne. Die Folge ist ein immer stärkerer Rückzug bis in die vertrauteste Umgebung, die Isolation von so ziemlich allen Eindrücken, die das Gehirn tatsächlich stimulieren und fit halten würden. Aber gut, hier schweife ich jetzt ab. :D
    Worauf ich eigentlich hinaus wollte war: Diese Definition spricht sehr für die Relevanz des subjektiven Eindrucks in der Bewertung eines vermeintlichen Kunstwerks. Somit relativiert sich der Begriff hochgradig.


    In Bezug auf das Talent finde ich den von dir angebrachten Punkt interessant, dass man ein Talent entweder an einem Individuum oder an einer größeren Vergleichsgruppe festmachen kann. Da ich im sonderpädagogischen Bereich unterwegs bin, halte ich das für einen wichtigen Gedanken. Die Frage nach fairen Vergleichsgruppen ist hier besonders schwer, da ohne die passende Förderung einzelne Defizite nicht ohne weiteres durch andere Talente kompensiert werden können. Insbesondere bei Menschen mit einer geistigen Behinderung (MmgB) wäre es meist nicht gerecht, sie in z.B. Mathematik mit einem Menschen ohne Behinderung zu vergleichen. Das muss aber nicht heißen, dass sie kein Talent für Mathematik hätten. Möglicherweise hat ein MmgB ein besonderes Interesse an Mathematik und ist im Vergleich zu seinen sonstigen Fähigkeiten auch von Anfang an besonders talentiert darin. Ungeachtet der Frage, ob dieser Mensch mit der richtigen Förderung irgendwann als Mathematiker für technische Unternehmen arbeiten könnte: Sollte man ihm ein Talent für Mathematik absprechen, weil er an Stellen Probleme hat, die für andere keine Hürde darstellen? Oder müssen wir vielleicht besonders hier Talent erkennen, da trotz widriger Umstände Interesse besteht und Fortschritte gemacht werden? Haben die anderen Menschen vielleicht weniger bis gar kein Talent und nur das Glück, durch eine generell höhere geistige Leistungsfähigkeit ihr mangelndes Talent problemlos ausgleichen zu können?
    Damit kommen wir eigentlich zu dem zentralen Problem: Talent lässt sich nicht messen. Bis dato ist es nur eine menschliche Idee, ein Konstrukt, eine mysteriöse Kraft, die keiner wahrnehmen kann. Wir können sie nur vermuten, indem wir Ergebnisse oder Produkte nach bestimmten Kriterien bewerten. Aber die Qualität kann sich auch auf viel Übung zurückführen lassen.


    Trotzdem ist die Idee eines Startkapitals natürlich nicht ganz abwegig. Jemand mit einer Familie besonders athletischer Menschen wird vermutlich Gene in sich tragen, die eine Entwicklung hin zu einem athletischen Körper begünstigen, während jemand mit einer Familie von Trinkern mit einem höheren Risiko geboren wird, selbst irgendwann zum Alkohol zu greifen. Abseits dessen stellt sich aber noch immer die Frage, wie viel die Eindrücke, die wir vor der Geburt und in der Zeit, bevor wir immer bewusster an unseren Fähigkeiten feilen, zu unseren "Talenten" beitragen. Das Gehirn entwickelt sich in dieser Zeit so rasant und so abhängig von äußeren Eindrücken, dass so etwas wie ein rein genetisches "Talent" für mich schwer vorstellbar ist. Dass wir unsere Sprache sprechen können ist eigentlich schon ein Wunder und nur möglich, weil unser Gehirn schon früh damit anfängt, alle sprachlichen Eindrücke zu speichern und immer mehr zu ordnen. Dies gilt natürlich auch für andere Bereiche. Von musikalischem Talent zu sprechen, weil jemandes Eltern in jedem Zimmer mindestens 3 verschiedene Instrumente stehen hatten und täglich die unterschiedlichste Musik gespielt haben, klingt irgendwie seltsam.


    Zu Kria
    Zum Talentbegriff habe ich vieles, was du erwähnt hast, jetzt eigentlich auch schon ausgeführt. Macht Sinn, weil ich mich ja auch auf das Startkapital bezogen habe.
    Zu deinen Ausführungen zum Kunstbegriff habe ich nun wenig hinzuzufügen, möchte aber kurz auf die Epochen und deine Verwirrung, wie genau man bestimmte Dinge einordnen sollte, eingehen.
    Wie du schreibst, sind diese Unterteilungen nie ganz genau und es gibt fast immer Künstler, die vom Stil her eher vergangenen oder den kommenden Epochen zugeordnet werden könnten. Oft überlappen sich Kunstepochen auch für ein paar Jahre, und natürlich gibt es immer eine Übergangszeit, in der Künstler mit neuen Elementen experimentieren, die dann mehr und mehr zum Standard werden. Dass wir heute mehr oder weniger bewusst von zahlreichen vergangenen Epochen beeinflusst werden können, ist eigentlich ein Kennzeichen unserer Epoche: Noch nie war es so einfach, sich in kürzester Zeit so viele Werke aus vergangenen Epo...ichte zu informieren. Natürlich übernimmt man dabei Elemente, die einem gefallen. Man ist aber nicht nur von diesen Epochen beeinflusst, sondern auch von seiner Gegenwart. Und das wird sich in deinem Stil sicherlich niederschlagen. Allein die Vermischung unterschiedlicher vergangener Stile ist aber eigentlich schon ein Merkmal deiner Zeit, weil das in der Form vorher nicht möglich gewesen wäre. Die Themen, die du künstlerisch behandelst, gehören in meinen Augen ebenfalls zu diesen Merkmalen. Kaum jemand wird heute Ludwig den XIV porträtieren, ebenso wenig die jemand die französische Revolution malen würde. In der Kunst bilden wir meist die Ereignisse unserer Zeit ab, um zu verarbeiten, Stellung zu beziehen und andere zum Nachdenken zu bringen. "Meist" ist hierbei vielleicht ein guter Begriff, denn Kunstepochen beziehen sich natürlich immer auf den Mainstream. Jedes Werk jedes Künstlers mit einzubeziehen wäre vermutlich enorm unpraktisch, wenn nicht unmöglich.
    Aber ja, so viel dazu.^^


    Zu Adi
    Du gelangst in deiner Argumenation zum Konstruktivismus: Kunst ist dann Kunst, wenn jemand sie als solche Wahrnimmt, sie also in seiner Konstruktion der Wirklichkeit so beschreibt. Ich teile diese Meinung, möchte aber noch ein bisschen näher auf die Aussage eines Kunstwerks eingehen, da du dich sehr auf die äußeren Merkmale eines Kunstwerks bezogen hast.
    Ein Künstler möchte mit seinem Werk in der Regel etwas ausdrücken. Ein Kunstwerk wird dann um diese Aussage herum erschaffen, und das auf eine Art, die dem Künstler bedeutungsvoll oder besonders aussagekräftig erscheint. Natürlich gibt es auch Kunstwerke, die schlicht etwas abbilden sollen, das der Künstler schön findet, und das keine tiefere Bedeutung haben muss. Da wären wir wieder bei dem Tiger und dem Zebra, aber auch bei keiner Diskussion, weil die Abbildung vermutlich eindeutig wäre. Mit diesem Versuch, Aussagen zu treffen, ist Kunst heute an einem interessanten Punkt angelangt. Der von dir genannte Berg Mül...liches Können sicherlich nicht entstanden wäre. Ich denke, dass diese Argumentation Kunst nicht als den neutralen Begriff sieht, der sie ist. Wichtig ist aus meiner Sicht an einem Kunstwerk, dass damit bewusst eine Aussage getroffen wird. Ferner denke ich, dass es eine Metaebene geben muss. Ob das Kunstwerk nun gut aussieht, ob es jemandem gefällt oder ob man es für wertvoll erachtet, das ist wieder enorm subjektiv. Daher stimme ich mit dir darin überein, dass Kunst und Talent nicht zwingend zusammenhängen müssen. Drückt jemand einen Punkt aufs Papier, hat in dem Moment aber einen spontanen Einfall, was er alles mit diesem Punkt ausdrücken kann, dann ist dieser eine Punkt auf dem Papier ein Kunstwerk, dessen Bewertung dem Einzelnen unterliegt. Will jemand damit nichts aussagen, ist es einfach nur ein Punkt. Jemand anderes kann diesen Punkt natürlich trotzdem als Kunst wahrnehmen, wenn er etwas damit verbindet. Konstruktivismus halt. In jedem Fall braucht es für den Punkt kein Talent.



    So, in meinen Antworten/ Ausführungen habe ich jetzt eigentlich auch schon das meiste erwähnt. Vielleicht ein kurzes Fazit und anschließend eine kleine Anekdote zu einem Kunstwerk, das ich mal fast erschaffen hätte:
    Kunst ist für mich ein vom Menschen geschaffenes Werk, das mit einer bestimmten Aussage im Sinn erstellt wurde und diese über eine Metaebene trifft.
    Talent ist für mich eine abstrakte Idee. Ich bin mir nicht sicher, ob es Talent gibt. Eine direkte Messung von Talent scheint nicht möglich, und wenn ein Mensch bewertbare Produkte fertigen oder Ergebnisse erzielen kann, mit denen sich Aussagen über deine Fähigkeiten treffen lassen, unterlag er bereits so vielen Umwelteinflüssen, dass niemand mehr darüber entscheiden kann, wie viel davon allein auf seine genetische Ausstattung zurückzuführen ist. Hierbei ergäbe sich außerdem die Frage, ob Talent an einer Vergleichsgruppe oder an den unterschiedlichen Fähigkeiten eines einzelnen Menschen gemessen werden sollte.


    Die Anekdote
    Ich hatte mal die Idee, eine vertrocknete Zimmerpflanze in die Sonne zu stellen, sie zu fotografieren und anschließend dieses Foto in die Sonne zu legen und zu filmen. Ich meine, dass ich damit die Vielschichtigkeit zeigen wollte, mit der Menschen den Tod wahrnehmen und erleben. Die Distanz, die wir dazu aufbauen, durch die abgefilmte Fotografie, also eine sehr indirekte Wahrnehmung; die Alltäglichkeit durch die Zimmerpflanze --> hat fast jeder; die untrennbare Verbundenheit mit dem Leben durch den Sonnenschein; der Sonnenschein sollte auch zeigen, dass es auch in Todesfällen immer viel Licht im Leben eines Menschen gibt. Interessant hieran ist, dass ich nicht mehr zu 100% dafür bürgen kann, all diese Aussagen ursprünglich treffen zu wollen. Das meiste ja, aber vielleicht hab ich ein wenig dazugedichtet und etwas anderes dafür vergessen.

  • Wow, erst mal wollte mich bei euch allen bedanken die sich so intensiv mit diesem Thema beschäftigen. Ich bin mit vielem, dem ihr sagt, einer Meinung, denn ich finde es heutzutage immer noch schwer Kunst als solches zu definieren. Wo ich dann doch meine Grenzen setze bei "Kunst" ist wenn es um menschliches oder Tierleben geht, denn da sind schon manchen "Künstlern" die Sicherung durchgebrannt und sie haben etwas als Kunst dargestellt, was eigentlich unter menschenunwürdigen Verhalten und Tierquälerei fällt, aber darauf wollte ich grade gar nicht eingehen. :)


    Ich versuche jetzt einfach mal meine Denkweise zu diesem zu äußern, obwohl vieles was Herr der Zeiten, JaffarAnjuhl und Kria gesagt haben auch meiner Sichtweise entsprechen. Wenn das okay ist versuche ich es jetzt einfach mal mit meiner persönlichen Sichtweise der Dinge.


    Kunst ist wirklich ein Begriff für sich. Ich meine es wird noch heute darüber gestritten ob Spiele Kunst sind oder nicht, obwohl ich es immer für eine Form der Kunst gehalten habe. Um es noch tiefer zu rücken... ich finde es faszinierend wie man aus Daten und Überarbeitung (ich selber kenne mich im Spiele erschaffen nicht so gut aus) der Strukturen ein ganzes Spiel erschaffen kann. Wenn man sich das als Mensch nicht vorstellen kann ist das so etwas für mich wie "Magie" gewesen. Als Kind kam mir das alles noch sehr fremdartig vor und ich wollte entdecken, probieren und mich darin erleben wie ich Fehler mache, aber auch Neues lerne. Alleine die Aktion von Controller zum Bildschirm war für mich eine Form der Kunst, denn ich kenne kein Gemälde was mir dieses Gefühl der Freiheit, der Trauer, der Freude und all seinen Emotionsbreiten, wiedergeben kann wie ein Spiel in das man sprichwörtlich eintaucht. Man hat das Gefühl die Dinge einfach anders wahrzunehmen und in dem Fall gehör ich wohl zu den Personen die auch Spiele als eine Form der Kunst ansehen. Eine Harmonie aus Bildern, Farben, Klängen und sogar einem Stück, dass seinen Ausklang nimmt (je nachdem ob das Ende offen ist, zu Ende geht oder sich auch fortsetzt kriegt man dabei natürlich verschiedene Gefühle dabei).


    Ich hab ja oben schon gesagt, dass die "Kunst" für mich dabei aufhört wenn Menschen- oder Tierleben dafür ausgenutzt und misshandelt werden. Momentan fällt mir zwar nur ein Vorfall ein, aber auch als Künstler kann man über die Strenge schlagen. Was sich mir mehr in Frage stellt ist: Ist wirklich jeder Mensch ein Künstler? Ich weiß nicht... das ist jetzt etwas an den Haaren herbeigezogen, aber durch einen Film wurde mir bewusst, dass jeder Mensch die Musik in sich hat (was ja auch eine Form der Kunst ist) und ich glaube das menschliche Wesen handelt oft impulsiv, weswegen ich auch glaube, dass jeder Mensch dazu fähig wäre Musik zu machen, selbst wenn er dabei nicht nach den Noten geht. Dieser innere Impuls ist sozusagen die "innere Musik". Das nicht jeder Mensch malen oder zeichnen kann glaube ich allerdings schon. Ich empfinde es zumindest als schwieriger ein gutes Bild zu malen als Musik zu machen. Das ist mir zumindest in meiner Lebenslaufbahn aufgefallen. Ich hatte oft Musikunterricht in verschiedenen Formen und immer wieder ist mir aufgefallen, dass wirklich jeder sich der Musik bedienen kann und sie auch umsetzen kann. Das ist natürlich nur meine persönliche Sichtweise, doch ich glaube, dass wir alle irgendwo dazu fähig sind die "innere Musik" auch nach außen dringen zu lassen, wenn wir es denn wollten. :)


    Nun kommen wir zum Thema Talent. Diesem Thema steh ich sehr kritisch gegenüber, da ich schon immer ein Mensch war der sich selbst nicht oft genug kritisieren konnte. Das könnte jetzt etwas länger werden, weswegen ich es in Spoiler setze.




    Bei den Musikvideos ist eigentlich genauso. Diese drei Dinge die ich oben aufgezählt habe mache ich seit Kindesbeinen und ich merke immer wieder wie ich bei meinen Videos Farben, Ereignisse, Musik und Emotionen ineinander verschwimmen lasse, bis daraus ein Art "Minifilm" meiner Vorstellung entsteht. Musikvideos sind ein Konzept für sich. Ich glaube es ist schwer zu erklären wie es sich für einen MV-Macher anfühlt. Für manche sieht es wohl von außen merkwürdig aus wenn man da so Szenen zusammenschneidet und daraus etwas bastelt, doch in dem Moment wo ich dieses Musikvideo mache fühle ich diese Realität und hab nur das vor Augen. Ich glaube als Künstler (um nochmal dieses Thema anzunippen) ist es generell so, dass man oft in eine andere Form verschmelzt. Zumindest spüre ich das immer sehr intensiv wenn ich mich in meinen Geschichten, Bildern oder Musikvideos vertiefe. Ich weiß nicht... ich glaube ob du nun Talent besitzt oder nicht... wenn du 100% dahinter stehst und deine Begeisterung auslebst... dann kann es gar nicht falsch sein, egal wie es andere beurteilen.



    Ich hatte nie aufgehört Musikvideos zu machen oder Geschichten zu schreiben oder Bilder zu malen. Auch wenn ich einer von Tausenden bin hab ich das Gefühl dazuzugehören, denn ohne die Kunst fühle ich mich ausgehungert und leer. Jeder hat seine Hobbys und Euphorien und meine ist es die Kunst immer wieder zu fühlen. Es fühlt sich für mich sinnvoll und erfüllend an und deswegen bin ich auch jemanden der sich auch gerne mal mit den Begrifflichkeiten auseinandersetzt.


    Vielen Dank für eure Antworten. Ich freue mich natürlich auf weitere Reaktionen und Interaktionen, aber allein diese Antworten haben mir schon vieles gegeben und ich glaube, dass dieses Wissen auch hier im Forum vielen helfen wird, die sich mal mit dieser Frage auseinander setzen wollen. =)

  • Ach ja, die Kunst. Das einzige, was wir über sie wissen ist doch, dass sie lang ist und kurz unser Leben - so zumindest Goethe.


    Scherz - und Dichter - beiseite, die Definition von Kunst ist eine gar vertrackte Angelegenheit und stellt die Wissenschaft, der ich mich verschrieben habe, vor so manches Dilemma und es wird seit Jahrhunderten gestritten, was dieser Begriff nun bedeute und welchen Wert er habe - und währenddessen hat sich unsere Vorstellung, was ein Künstler und damit respektive Kunst sei, sehr verändert. Gerade das zwanzigste Jahrhundert, das so gerne mit dem Kollektivbegriff der "Moderne" bedacht wird, obwohl es ein nahezu unüberschaubares Gewirr von Ismen, Strömungen, Sub-Strömungen, Gruppen und auch technischen Entwicklungen, so dass es schwierig ist, daraus eine "Epoche" zu formen.


    (Man muss sich an dieser Stelle bewusst sein, dass alle Epochenbegriffe rein arbiträr sind und meist aus der Retrospektive angewandt werden, teilweise auch mit einer ursprünglich pejorativen Intention (z.B. "Gothik"), so dass es stets nur zu einer verkürzten Beobachtung realer Gegebenheiten kommen kann. Epochen und Stilbegriffe sind Hilfsmittel, keine statischen Konstrukte)


    Die banalste Definition von (Hoch-) Kunst ist jene, dass (Hoch-) Kunst jene ist, die museal konserviert wird. Das klingt zwar einleuchtend, stellt uns jedoch vor die Frage der Anwendbarkeit von Kunst. Vieles, was heute Kunst genannt wird, war einst für spezifische Zwecke gedacht (illuminierte Bücher, Besteck, Kruzifixe) und wurde durch die museale Konservierung lange Zeit seines Kontextes beraubt. Da gibt es natürlich auch neue Ansätze, wobei Kritiker der kontextuellen Inszenierung von Kunst im Museum schreien, man würde die Kunstwerke "disneyfizieren" - eine Meinung, die ich zwar verstehe, aber nicht teile - aber im Raum hängt bei vielen Kunstwerken (primär der Neuzeit und des Mittelalters, aber auch bei Werken der Moderne wie Rauschenbergs "Black Market") die Frage, ob die kontextuelle Entfernung sie in ihrer intendierten Wirkung - und damit stellvertretend die subjektive Erfahrung - nicht schwächt.

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