Wie OoT die Neugier weckt

  • Hallo zusammen,


    mir ist letztens wieder etwas aufgefallen, was ich an Ocarina of Time sehr schätze und auf diese Art in wenigen anderen Zelda-Spielen erlebt habe, auch nicht in Breath of the Wild.


    Und zwar macht OoT für jemanden, der das Spiel noch nicht gespielt hat oder am Anfang steht, extrem neugierig auf das was kommt. Bei mir ist das schon mindestens 20 Jahre her - aber trotzdem: Allein die Titelsequenz mit einem erwachsenen und reitenden Link auf einem großen freien Feld hat mich damals total gefesselt und mich träumen lassen von dem, was das Spiel wohl alles zu bieten haben wird.


    Man verbringt einen großen Teil des Spiels als Kind. Zwar bekommt man nach dem Dekubaum direkt Zugriff auf die Hylianische Steppe. Zumindest bei mir hat das aber dennoch eine ganze Weile gedauert und vom "groß sein" und reiten ist man dann immer noch weit entfernt. Umso bemerkenswerter finde ich es, dass Nintendo einen so späten Abschnitt des Spiels zur Einführung zeigt. Immerhin ist allein der Umstand, dass man später im Spiel "groß" wird, ein Plottwist, wie er für die Zelda-Serie selten ist.


    Ich fand diese Einführung in das Spiel mit der Titelsequenz immer fantastisch, weil Sie die Fantasie anregt und hungrig auf mehr macht. Außerdem kam mir das Spiel damals - vielleicht auch dadurch - extrem riesig vor. Auch, dass man Epona als Jüngling zwar zu Gesicht bekommt und auf andere Art mit dem Pferd interagieren muss, hat mit der Neugier gespielt, denn zumindest ich dachte immer: Ich will den Gaul jetzt reiten - wann darf ich endlich? :D

    Andere Beispiele sind der Eingang zum Schattentempel, der schon beim ersten Besuch des Friedhofs zu sehen ist, obwohl man erst viel weiter in der Story fortschreiten muss, bis er tatsächlich relevant wird. Gleiches gilt für den Waldtempel, dessen geheimnisvolle Ruine man schon am Anfang des Spiels zu sehen bekommt, während man Salias Lied erlernt. Auch gibt es z. B. in Goronia einen Raum, der sich zunächst nicht überqueren lässt, weil vor der gegenüberliegenden Tür ein kleiner Magmasee liegt. Das war für mich damals das erste mal, dass ich überhaupt einen Magmasee im Spiel gesehen hatte. Und es sollte noch eine ganze weile dauern (genauer bis zum Fanghaken), bis man dort weiterkam. Dieser ist beim ersten Goronia-Besuch noch in weiter ferne. Solche Beispiele gibt es in OoT sehr viele.


    Ich vermisse solche vorübergehend unlösbaren, mysteriösen Orte in den neueren Zelda-Spielen. Gleichzeitig muss es sich in meinen Augen die Waage halten - wenn es zu viele solcher Orte gibt, an denen man nicht gleich weiter kommt, kann das gewiss sehr unübersichtlich und vielleicht frustrierend sein. In BotW erhielt man alle Fähigkeiten von Anfang an und in der offenen Spielwelt kann man prinzipiell sofort alles machen, was man möchte. Das ist einerseits erfrischend, andererseits wird aber auch wenig der Fantasie überlassen.


    Wie seht ihr das? Empfindet ihr ähnlich für OoT und ggf. auch für andere Spiele? Würdet ihr euch solche Situationen auch im neuen TotK wünschen oder gehts nur mir so?


    LG Gizmo

  • Das ist ein sehr interessantes Thema, vor allem weil ich unter diesem Gesichtspunkt auch noch nie so wirklich über OoT nachgedacht habe. :thinking_face: Aus Designsicht ist es auch eine sehr interessante Entscheidung, weil sie nicht nur mit der Neugier des Spielers spielt, sondern auch Orientierung durch markante Points of Interest schafft.


    Weitere Beispiele sind für mich da auch die Shortcuts aus den Verlorenen Wäldern nach Goronia bzw. in Zoras Reich. Nicht nur fand ich die als Kind immer spannend, weil ich dadurch Goronia angeteased bekommen habe, noch bevor ich im Schloss war, sie helfen auch ungemein bei der Navigation durch den Wald. Man kann sich einfach besser merken, dass man vor dem Goronia-Shortcut den Weg nach Links nehmen muss. (Ich hoffe es war links, in einem beispiellosen Exempel vom Vorführeffekt hab ich es jetzt selber vergessen...)


    Die Gebiete in OoTs Welt sind sehr stark miteinander verwachsen. Die Verlorenen Wälder mit ihren Shortcuts sind da ein gutes Beispiel, aber es gibt ja auch Zugänge von Zoras Reich und dem Gerudo-Tal zum Hylia-See. Nicht zuletzt die Steppe ist ein großes Areal, das einen Zugang zu jeder anderen Region schafft. Das weckt natürlich die Lust aufs Erkunden.

    Außerdem betritt man viele Gebiete mindestens zweimal im Verlauf der Story - meistens einmal als Kind und einmal als Erwachsener. (Es gibt ein paar Ausnahmen: Gerudofestung, Gespensterwüste, Schloss Hyrule und Ganons Schloss z.B.). Jeder Besuch bietet außerdem immer etwas Neues, weil Story-Progression oder kürzlich erhaltene Items neue Wege freischalten. Dadurch erschließen sich dann neue Wege und Mysterien, die sich einem als Kind eröffnen, werden als Erwachsener gelüftet (was ich auch für eine ziemlich nette Metapher halte, jetzt wo ich so drüber nachdenke.)


    Andere Spiele habe eine solche Designphilosophie glaube ich nicht mehr direkt so aufgegriffen, zumindest tu ich mich da im Augenblick schwer sie wiederzuerkennen. Die meisten Spiele waren recht modular aufgebaut, mit voneinander abgetrennten Bereichen, die man einmal erkundet und später vielleicht noch für Herzteile oder andere Sammelitems aufsucht.


    Majoras Mask hatte seinen Drei-Tages-Zyklus, durch den man Bereiche per Definition mehrmals aufsuchen konnte, aber auch hier waren diese Bereiche eigentlich in sich geschlossen. Es gab nicht viele Elemente (oder jedenfalls fallen mir grade keine ein), die einem bestimmte Elemente als Entdeckungen angeteased hat, aber erst viel später im Spiel aufgeklärt wurden. Anders ausgedrückt, wenn man erstmal eines der Gebiete betreten konnte, konnte man dann auch alles in dem Gebiet machen.


    Wind Waker war da recht ähnlich, weil jede Insel ein in sich geschlossenes Puzzle dargestellt hat. Zwar gab es hier und da Rätsel auf den Inseln, die sich erst später mit dem Erhalt neuer Items geklärt haben, aber es gab nicht viel davon, was Hauptstory Relevanz hatte. Einzige Ausnahme hierfür wäre der Tornado, die Terra/Zephir-Insel und die Eis/Feuer-Inseln, die man bereits früher passieren konnte, ohne aber hier was tun zu können. Teilweise findet man die Philosophie wieder, aber die Mysterien kamen mir so im Allgemeinen weniger groß vor als in OoT. Twilight Princess war auch wieder sehr modular.


    Skyward Sword hat davon aber tatsächlich noch Gebrauch gemacht, wenn auch auf andere Weise. Die Regionen waren Modular, hat aber durchaus einige Abschnitte, die man nicht betreten konnte, bis man mehr Story erledigt hat. Ich denke zum Beispiel an das Tor zu den Wasserfällen im Wald, oder dem Abschnitt in den Bergen, wo man anfangs nicht durchkam, ohne Feuerschaden zu nehmen. Die Sturmwolke im Himmel ist auch ein guter Punkt (wobei man da wohl streiten könnte, da sie nicht unbedingt begehbar aussieht, aber zumindest ich hab mich schon gefragt, wie man da eigentlich reinkommt). Allgemein war es trotzdem noch weniger eingebaut als in OoT, vor allem weil es meistens immer Story-Progress war, den man gebraucht hat, und meistens keine spezifischen Items. Aber das Mysterium hab ich doch an vielen Punkten im Spiel recht deutlich gemerkt.


    Und um auf Breath of the Wild zurückzukommen: Ja, das Spiel hatte das Mysterium nicht mehr wirklich. Man hatte recht bald zu Anfang bereits Links kompletten Item-Pool verfügbar, sodass es eigentlich kaum etwas gab, was man nicht von Anfang an erreichen konnte. Breath of the Wild hatte hier auch eine andere Herangehensweise an Exploration, die weniger mit Mysterien und eher mit Masse gearbeitet hat. Trotzdem hatte Breath of the Wild für mich viele Stellen, die meine Neugier auf andere Weise geweckt haben. Eine interessante Stelle in der Landschaft zu sehen und dort hin zu wollen, war für mich meistens schon ausreichend - auch wenn es aus der ganzen Sache kein großes Mysterium wie in OoT gemacht hat. Ist natürlich nicht dasselbe, aber eine andere Philosophie.

  • Dennoch ist es sehr schade, dass OoT irgendwie nur "halb fertig" wirkt. Man erfährt einfach zu wenige Dinge, als wäre man unter Zeitdruck gewesen. Okay, war man ja auch - sonst hätte es ja auch einen Tempel für den "fehlenden Weisen" gegeben (Also Rauru)


    Und wie Ganondorf die Herrschaft ergreifen konnte, bleibt auch recht geheim. Erst heißt es, er muss zwingend die Ocarina haben, dann reicht der Zugang zum Tempel ... Wenn das reicht, würde es Hyrule schon recht geschehen, was in der Zukunft passiert.

  • Aber gibt es nicht einen Tempel für Rauru? Nachdem Link das Masterschwert aus dem Stein gezogen hat und sieben Jahre durch die Zeit reist, nimmt Gandorf unterdessen ja das Fragment der Kraft an sich und kommt an die Macht. Und nachdem Link im Tempel des Lichts (?) erwacht und mit Rauru redet, offenbart dieser ja, dass die übrigen Tempel entweiht wurden, nur der Tempel des Lichts wurde vom Übergriff verschont.

    »So do all who live to see such times, but that is not for them to decide.

    All we have to decide is what to do with the time that is given to us.«
    - J.R.R. Tolkien: The Lord of the Rings -

  • [...]


    Andere Beispiele sind der Eingang zum Schattentempel, der schon beim ersten Besuch des Friedhofs zu sehen ist, obwohl man erst viel weiter in der Story fortschreiten muss, bis er tatsächlich relevant wird. Gleiches gilt für den Waldtempel, dessen geheimnisvolle Ruine man schon am Anfang des Spiels zu sehen bekommt, während man Salias Lied erlernt. Auch gibt es z. B. in Goronia einen Raum, der sich zunächst nicht überqueren lässt, weil vor der gegenüberliegenden Tür ein kleiner Magmasee liegt. Das war für mich damals das erste mal, dass ich überhaupt einen Magmasee im Spiel gesehen hatte. Und es sollte noch eine ganze weile dauern (genauer bis zum Fanghaken), bis man dort weiterkam. Dieser ist beim ersten Goronia-Besuch noch in weiter ferne. Solche Beispiele gibt es in OoT sehr viele.

    Hachja, Ocarina of Time ist nicht ohne Grund einer der besten Videospiele aller Zeiten, was Erzählweise und eine kohärente Spielwelt angeht.

    Zunächst einmal hast du das sehr gut herausgearbeitet. Ich kann dir auch sagen, dass sich all diese Beispiele auf einen bestimmten Aspekt zurückführen lassen: Es handelt sich hierbei in unterschiedlichen Variationen um eine epische Vorausdeutung (oder im englischen "foreshadowing"). Der Begriff stammt aus dem Bereich der Drehbuchliteratur und bezeichnet eine Erzähltechnik, bei welcher zukünftige Ereignisse direkt oder indirekt "vorgedeutet" werden.

    Ich verfasse gerade ein halbes Buch zu OoT, in welchem ich das komplette Spiel analysiere in allen möglichen Aspekten. Dementsprechend habe ich auch zur Erzählstruktur geforscht und wie sich die Erzählung in der Spielwelt manifestiert.

    Epische Vorausdeutungen werden meistens aus zwei Gründen verwendet: Erstens, um Spannung zu erzeugen, da man mit den Hinweisen meistens zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nichts anfangen kann. Zweitens, um das Werk (um was auch immer es sich genau handelt) besser in sich abzuschließen und abzurunden. Tatsächlich findest du in der Spielwelt, wie du exakt beschrieben hast, immer wieder Orte, an welchen indirekt etwas vorausgedeutet wird, man aber noch keine Ahnung hat, was das eigentlich überhaupt ist. Das findest du allerdings nicht nur in der Spielwelt, sondern vor allem auch in Cutscenes o.ä.

    Beispielsweise wird direkt in der ersten Minute des Spiels in Links Albtraum eine Szene dargestellt, die nach dem dritten Dungeon exakt so passiert, nämlich die Flucht von Zelda und Impa vor Ganondorf. Nur, dass du direkt zu Beginn des Spiels KEINE AHNUNG hast, wer diese ganze Charaktere sind und was das alles soll. Das Treffen auf den Deku-Baum deutet das Treffen auf den Deku-Sprössling heraus. Das Treffen auf die Eule Methusa deutet Rauru voraus. Es gibt unzählig viele Beispiele dafür und fast kein Spiel kriegt dieses Foreshadowing so gut hin wie dieses hier, weil es literally an jeder Ecke ist. Die Erzähltechnik wird halt einfach aus den zwei oben genannten Gründen verwendet und scheint ja bei dir extrem anzukommen; Du empfindest es als mystisch und meinst, dass es einfach spannend ist. Jetzt hast du eine Erklärung :D

    Wie bereits erwähnt schreibe ich gerade an einem Essay zu OoT. Bräuchte eventuell ein paar hilfsbereite Beta-Tester, die mal etwas drüberlesen. Sind ca. 80 DINA4 Seiten mit Schriftgröße 12, also wirklich ein Mammutsprojekt. Da habe ich unter anderem auch das näher analysiert. Könnt euch ja gern mal melden bei Interesse. :)

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