Priest - koreanisches Meisterwerk

  • Also da ich mir gerade die letzten drei Bände (nicht abgeschlossen, aber pausiert) dieser glorreichen Reihe gekauft und zu Gemüte geführt habe, wollte ich euch mal auf meinen Lieblingscomic aus dem Fernen Osten aufmerksam machen.




    Allgemein
    Priest ist ein Manhwa (koreanischer Manga) vom Autor und Zeichner Min-Woo Hyung. Bisher hat die Reihe 16 Bände zustande Gebracht, normales Manga-Format, 6,50€ pro Band. Die Reihe ist momentan unterbrochen - angeblich hat der Autor momentan keine Lust, den Comic weiterzuführen, was wirklich schade ist. Insgesamt soll es wohl eine Anzahl an Bänden in den mittleren 20ern sein.


    Visuell
    Ich persönlich finde den Stil von Min-Woo Hyung einfach großartig. Es ist realistisch, keineswegs "typisch Manga" (mit großen Augen und bunten Haaren), hat aber trotzdem seinen eigenen Stil - die Anatomie der Figuren ist etwas unproportioniert, das passt jedoch gut in den recht "dreckigen" Stil des Manhwas. Priest hat einen großen Anteil an Gewalt, die zum Teil sehr explizit, aber wirklich stilvoll eingesetzt wird. Was die Splatter-Sequenzen angeht, erinnert es an Filme wie "Hellraiser" oder diverse Zombie-Flicks, mit einem Touch Diablo. Die Cover und das generelle Layout der einzelnen Bände sind sehr ansprechend und stilvoll, und sind allesamt in einem hübschen Rostbraun gehalten, mit zum Teil exzellenten Cover und Back-Cover Artworks.



    Story
    Und hier kommen wir zur großen Stärke des Manhwas, jedoch auch zum kritischsten Faktor. Der Hauptstrang der Story ist im Grunde eine Art "Wild West Zombie Movie" mit einer Prise Religiösität. Es spielt in den USA zur glorreichen Wild West Zeit und handelt über einen untoten Priester namens Ivan Isaacs, der mit einer Shotgun und einem verfluchten Messer auf Zombiejagd geht, permanent ein höllisches Grinsen auf den Lippen. Schon nach wenigen Bänden bemerkt man aber den starken christlichen Unterklang der Geschichte - der Bösewicht ist ein gefallener Erzengel, der mit seinem unheiligen Kult einen Krieg gegen die Menschen anzettelt. Trotzdem fühlt es sich alles sehr authentisch an, man fühlt sich nie wie in einer platten Fantasygeschichte á la Constantine oder ähnlicher Beispiele, sondern wir haben prinzipiell den Badass Priester, der irgendwelche düsteren Gestalten und deren untote Diener bekämpft. Das das eine gefallene Engel sind und der Protagonist die Hälfte seiner Seele an einen Dämonen verkauft hat, das ist interessant, trübt aber nicht den Eindruck.
    Nach einiger Zeit wird es allerdings verwirrend: es laufen bald mehrere Zeitebenen parallel, und werden zum Teil in solcher Länge behandelt, dass man am Ende vergessen hat, was überhaupt in der Hauptstory gerade passierte. Da gibt es die Vorgeschichte von Ivan, dann eine Geschichte zu Zeiten der Kreuzzüge, die den Hintergrund des Erzengels näher beleuchtet, einen Storystrang in der modernen Zeit über einige Priester, die Ivans Tagebuch gefunden haben, etc. etc. Alles sehr interessant, wer aber Probleme mit verstreuten Storylines hat, könnte hier etwas stocken.
    Insgesamt geht es aber um die Atmosphäre, und die ist in Priest einfach unglaublich dicht und packend. Wer sich ohnehin ein bisschen für Mythologie oder Himmel-Hölle-Engel-Teufel-Themen interessiert, und noch dazu Western und/oder Zombiesplatter mag, der ist hier definitiv an der richtigen Adresse!


    Fazit
    Ich sag's nochmal: Priest ist seit langem mein Lieblings"manga", anfangs schlicht wegen der guten Action und dem sympathisch-fanatischen Hauptcharakter, später wegen der enormen Handlungstiefe und interessanten religiösen Ebene. Außerdem werden Thematiken wie "Wer ist eigentlich gut und wer ist böse? Wessen Absichten sind tatsächlich rechtschaffen?" und besonders das Thema Fanatismus auf interessante Weise behandelt.
    Leider leider hängt man nach Band 16 ziemlich im Leeren, aber ich gebe meine Hoffnung nicht auf, dass Hyung sich irgendwann zu einer Fortsetzung durchringen kann.



    P.S.: Es wird auch eine Verfilmung produziert... von der ich JEDEM abrate. Der ganze religiös-verschwörerische Aspekt wird auf ein simples "Pfarrer tötet Vampire (!!!) um seine Freundin zu retten" zugestampft. Igitt!

  • "Manhwa (koreanischer Manga)"
    ?
    Manga = japanische Bildergeschichten (bzw. mit jap. Zeichen im Jap. allg. für Bildergeschichten) & Manhwa = koreanische Bildergeschichten (bzw. mit koreanischen Zeichen im Koreanischen wohl allg. für Bildergeschichten).
    Mit "Manhwa = koreanischer Manga" hätte man dann "koreanische japanische Bildergeschichten" und das macht 1. nicht so viel Sinn und 2. entspricht es nicht dem Begriff.
    Des Weiteren heißt es:
    "Anime & Manga: Ob Neuerscheinungen, Klassiker oder ein Geheimtipp - alles, was es über Anime und Manga, der beliebten Kunst aus Japan, zu berichten gibt, kann hier munter besprochen werden.".
    Nach der Beschreibung wären hier nichtjapanische Bildergeschichten fehl am Patz und dann wäre wohl "Literatur" der passendere Bereich.


    Oh, da waren wir bei der Beschreibung des Unterforums wohl etwas ungenau. Sie ist jetzt geändert, so dass man hier auch jederzeit über Manhwa und ähnliches reden darf. Es passt doch besser hierher als in den Literaturbereich.


    Entschuldige den Edit, ich möchte nur weiteres Off-Topic hier vermeiden.


    - Jeanne

  • Durch ungeklärte Umstände habe ich zufällig den ersten Band dieser Reihe in die Finger bekommen - und bin überwältigt! Ich hatte beim Lesen bisweilen eher den Eindruck, ich würde einen Western sehen, als ein Buch in der Hand zu haben. Die Bilder "wechseln" schnell, mal sind's größere Aufnahmen, mal detaillierte Close-Ups; und die haben's in sich. Die Optik des Manwha ist dreckig, an einigen Stellen irgendwo auch grotesk, trotzdem aber kann man ihm einen gewissen Realismus nicht absprechen. Wie Arawn sagte, hat dieses Werk nicht unbedingt viel mit klassischem japanischen Manga-Stil zu tun, jedoch seinen ganz eigenen und fesselnden Charme. Dazu gehört in meinen Augen auch, dass die einzelnen Bilder nicht durch scharfe Linien voneinander getrennt sind - was man vielleicht erwarten würde -; stattdessen werden sie in einen schwarzen Hintergrund eingebettet, die einzelnen Übergänge sind dabei fließend. Das fügt sich in den (Erzähl-)Stil des Manwha ausgezeichnet ein und sorgt für ein überraschend beklemmendes Gefühl, wenn die Lage sich zuspitzt. Dazu trägt auch die Hauptfigur Ivan bei, der nicht nur schlagkräftig (auch verbal) austeilen kann, sondern dazu auch noch selbst eine äußerst interessante Hintergrundgeschichte besitzt. Sehr stark!


    Das zwar nur als erster Eindruck, aber ich werde die Geschichte auf jeden Fall weiterverfolgen - ich steh auf Western, ich steh auf Untote, und für coole Charaktere hab ich sowieso was übrig. Wenn der Manwha sich so weiterentwickelt, wie er im ersten Band beginnt, oute ich mich jetzt schon als Fan!

  • Zitat

    Original von Haidjer
    Durch ungeklärte Umstände habe ich zufällig den ersten Band dieser Reihe in die Finger bekommen...


    Muahahahahar! Ich bin ein ausgekochtes Genie! :ugly:


    Kleines Update zum Verlauf dieser Reihe:


    Der Film ist inzwischen schon seit einer Weile draußen und wie erwartet nicht nur vollkommen grottig, sondern auch total abgekoppelt vom Quellenmaterial und hat mit dem Manhwa wirklich NICHTS mehr gemein. Schade eigentlich...


    Und leider hat sich auch mit einem etwaigen Band 17 bisher noch nichts getan, was wirklich wirklich zu schade ist. Der Autor scheint offenbar inzwischen keine Motivation mehr zu besitzen, die Reihe weiterzuführen, was man bei jenem schrecklichen Ausflug nach Hollywood aber auch ganz gut verstehen kann.


    Trotzdem sollte man sich davon nicht abschrecken lassen, denn auch die ersten 16 Bände haben es wirklich in sich und lohnen sich in jedem Fall, mal reinzuschmökern. ^^

  • Hab mir nun auch die ersten 4 Bände zu Gemüte geführt und kann mich soweit Haidjer in allen Punkten anschließen. Was man ebentuell noch erwähnen könnte, dass ich mich sehr oft an Hellboy erinnert gefühlt habe, insbesondere Zeichenstil und Atmosphäre betreffend, auch wenn bei Hellboy insgesamt ja eher weniger geredet wird.
    Auf jeden Fall wirklich großartig! Die restlichen 12 Bände werden auf jeden Fall noch rangekarrt.

  • Der Zeichner arbeitet nicht mehr weiter an Priest sondern an seinem Projekt "Ghostface". Er gab in einem Interview aber an, nach diesem Projekt eventuell zu Priest zurückkehren zu wollen um "eine oder zwei wichtige Fragen" zu klären.


    Neben den bisher erwähnten Hellboy-Comics erinnert mich Priest vor allem an die Werke von Chet Zar. Sie sind ähnlich detailverliebt und grotesk und präsentieren sich oftmals auf einem ähnlich hohen Niveau, obwohl Zar fiktive Portraits zeichnet während Priest nun einmal eben ein Comic ist. Die Action welche in diese Bilder gepackt wird ist phänomenal und die Story, wenn auch stark von "Paradise Lost" abgekupfert, kann sich sehen lassen. Vor allem die Szenen im Kampf gegen Achmodes Chimären sind perfekt in Szene gesetzt. Auch die Zeitsprünge sind, wenn auch anfangs etwas eigenwillig, sehr schnell zugänglich und hervorragend in das Gesamtgeschehen eingeführt. Ein echter Geheimtipp, wenn man so will.

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