Quelle: tz-online.de
Darum soll der Bär sterben
Minister Schnappauf gibt das Tier zum Abschuss frei
Die anfängliche Freude über den ersten frei lebenden Braunbären in Bayern seit 170 Jahren ist der Ernüchterung gewichen. "Der Bär ist zum Problembären geworden. Er ist ganz offensichtlich außer Rand und Band?, sagte Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf gestern. Nach Absprache mit Experten hat er deswegen entschieden: "Der Bär ist frei zum Abschuss!?
Das seit dem Wochenende im Landkreis Garmisch-Partenkirchen umherstreifende zwei bis drei Jahre alte Tier hat in nur zwei Tagen neun Schafe gerissen ? viel mehr als er fressen kann: in Graswang, bei Farchant ? und in der Nacht auf Montag dann in Grainau. Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können, wenn Menschen in der Nähe gewesen wären? "Bären sind normal scheue Waldtiere, so ein Verhalten ist absolut untypisch?, sagt Schnappauf. "Das Risiko ist unkalkulierbar geworden. Der Bär muss raus aus der freien Wildbahn.?
Unterstützung bekommt der Minister von Jörg Rauer, Bärenexperte der Umweltschutzorganisation WWF in Österreich. "Der Bär steigert sich immer mehr. Mit dem Angriff auf den Hühnerstall hat er das Fass zum Überlaufen gebracht.? Das männliche Tier wiegt zwischen 75 und 100 Kilo, stammt aus dem italienischen Trentino und ist über den Rechenpass und den Arlberg nach Oberbayern gekommen. Auch in Österreich hatte es schon Schafe gerissen, allerdings nur drei in einer Woche.
"Der Bär hat gelernt, dass er in der Nähe von Menschen leichte Beute machen kann?, erklärt Rauer. Ihm dieses Verhalten abzugewöhnen, hatten die Experten in den vergangenen Tagen versucht ? allerdings erfolglos. Sie wollten das wilde Tier fangen und mit einem Peilsender versehen. So hätte es jederzeit geortet werden können. Sobald es menschlichen Siedlungen zu nahe gekommen wäre, hätte man warnen können und es mit Gummigeschossen und Knallkörpern vertreiben.
"Das hat leider nicht geklappt?, sagt Rauer. "Der Bär ist extrem wanderfreudig und kommt nie an den gleichen Ort zurück.? Und dass er so schnell so aggressiv werden würde, hätte keiner erwartet. Aber muss er deswegen gleich abgeschossen werden? Warum versucht man nicht, ihn mit einem Betäubungsgewehr außer Gefecht zu setzen und in ein Gehege zu bringen? "Das ist genauso schwierig wie die Sache mit dem Peilsender?, sagt Schnappauf. Dafür müsse man wissen, wo sich der Bär aufhält, und mindestens auf 30 Meter an ihn herankommen, damit der Betäubungsschuss wirkt. Das kann dauern?
"Noch länger abzuwarten ist aber zu gefährlich?, glaubt Bärenexperte Felix Knauer von der Universität Freiburg. "Natürlich versuchen wir weiter, den Bär zu fangen. Wenn ein Jäger aber schneller ist als wir, muss er sterben.? Dabei seien die bayerischen Alpen durchaus als Lebensraum für Braunbären geeignet, aber nur, wenn die Tiere im Wald blieben, erklärt Knauer.
Warum sich der Bär so seltsam verhält, so nah an menschliche Siedlungen kommt und viel mehr Tiere reißt als er fressen kann, darüber können die Experten nur mutmaßen. "In einer eingezäunten Weide oder einem Stall haben seine Opfer keine Fluchtmöglichkeit?, sagt Knauer. "Vielleicht geht da der Trieb mit ihm durch.? Christoph Himmighoffen vom Umweltministerium tippt dagegen auf die Hormone: "Gerade ist Paarungszeit. Vielleicht sucht er nach einem Weibchen und ist frustriert, weil er weit und breit keines findet.?