Die Pandemie und ihre Folgen?

  • Ich wollte schon länger mal dieses Thema anschneiden, allerdings ohne es in den anderen Corona-Thread zu packen, da es hier weniger um das Virus und seine geundheitlichen Auswirkungen gehen soll oder die Zeit während der Pandemie, sondern darum, welche Auswirkungen sich dadurch für uns alle in Alltag und Co als Menschen ergeben haben.


    Corona hat uns ja als Gesellschaft (mit Gesellschaft meine ich hier jetzt primär Deutschland) in mehrfacher Hinsicht erschüttert und geprägt. Die Pandemie hat ihre Schwierigkeiten mit sich gebracht, uns allerdings auch an vielen Stellen dazu gezwungen umzudenken und umzusatteln. Die Digitalisierung, ein Thema, das in Deutschland bislang immer bekrittelt wurde, hat einen unfreiwilligen Schub erhalten - wenn auch nicht unbedingt hinsichtlich dessen, dass jetzt flächendeckend WLAN verfübgar wäre, Glasfasern gebaut wurden und unsere Bürokratie jetzt cool ist. Wir sind natürlich immer noch vergleichsweise rückständig was das alles betrifft. Nichtsdestotrotz sind manche Dinge geblieben und haben sich nachhaltig verändert. Stichworte sind hier zum Beispiel Homeoffice, aber eben auch Digitalisierung von diversen Prozessen, für die man vorher Amtsgänge, etc. hat hinlegen mussen. Die einen sagen jetzt, das war lange überfällig und ist toll, andere werden vielleicht darüber streiten, weil ihn trotz nerviger Zeltwirtschaft der Kontakt zu den Menschen fehlt, zumal solche Prozesse gerne ja auch mal mit Stellenabbau und Jobverlust in Verbindung stehen.


    Das sind sicher alles Dinge, die jeder mal irgendwo aufgeschnappt hat. Etwas, das mich aber mehr beschäftigt, und wo ich mich oft dabei erwische, mich zu fragen, ob es nicht auch eine negative Folge der Pandemie ist, sind die zwischenmenschlichen Entwicklungen der letzten zwei Jahre und auch Themen wie mentale Gesundheit und Kommunikations-Kultur.


    Die Pandemie hat uns (fast) alle eine lange Zeit ziemlich in soziale Isolation gezwungen. Für Menschen, die ohnehin lieber in ihrer Höhle sind oder die, die mit mehreren oder ihrer Familie zusammen leben, sprich nicht allein waren, war das gewiss auch eine Strapaze, aber vielleicht nicht ganz heftig wie für die Leute, die während dieser Zeit vollkommen allein waren und darunter auch aktiv gelitten haben. Dass sich Einsamkeit und Isolation auch aufs Gemüt niederschlagen und sich letztlich auch auf die Psyche auswirken können, ist weder verwunderlich noch weit her geholt. Allerdings macht es wohl einen Unterschied, wenn man quasi "unfreiwillig" dort hinein gerät, und es im Nachhinein kaum stichhaltige oder wirksame Untersuchungen (oder sogar Maßnahmen) dazu gibt, außer den Leuten zu sagen, sie sollen wieder vor die Tür gehen.

    Der Mensch ist aber meiner Meinung nach ein Gewohnheits-Tier, und ich glaube nicht, dass es jedem auch so leicht gefallen ist, das gleich wieder abzulegen oder umzusetzen.


    Der zweite Aspekt greift quasi wieder Digitalisierung und Kommunikation auf. Während Corona mussten viele Leute aufgrund besagter Isolation gezwungermaßen auf alternative Kommunikationsmittel zurück greifen; gerade Messenger Systeme und Social Media haben hier natürlich eine Blütezeit erlebt, manchen Leuten hat es geholfen sich zu vernetzen, aber wie ihr alle wahrscheinlich wisst, werfen diese "sozialen Blasen" auch die Gefahr auf, durch gezielte Algorhythmen und Co Probleme herauf zu beschwören, die man auf den ersten Blick nicht mal erahnt: Dabei spreche ich von Desinformation, der Konzentration ideologischer und extrem geprägter Gruppen, aber auch weit weniger "konkrete" Dinge, wie eine vielleicht unbewusste, aber noch stärkere soziale Selbst-Isolation hinter dem Schein digitaler Kontakte (die nicht immer auch sozial sind und auch keine RL Kontakte in allem ersetzen können), sowie FOMO (fear of missing out), der Beeinflussung von Aufmerksamkeit und kognitiven Fähigkeiten (Stichwort TikTok-Brain) sowie einer Gebrauchs-Frequenz solcher Medien und vlt. dem Smartphone allgemein. Kurzgesagt: Ja, ich spreche hier auch von potenziellem Suchtverhalten - was leider, wie so viele andere dieser Themen auch, etwas ist, das im Zusammenhang moderner Medien und deren Auswirkung noch nicht ausreichend erforscht ist. Natürlich, wenn auch bedauerlicherweise, ist das aber ein erwartbarer Status Quo. Die Entwicklungen der letzten Jahre waren was solche Dinge betrifft, teils so rasant, dass eine stichhaltige Langzeitstudie allein aus Zeitgründen noch nicht nachkommt.


    Was ich - als erlebte Realität - dabei spürbar wahrnehme und beobachte, ist dass sich Menschen meines näheren wie erweiterten Umfeldes seither immer weiter (in sich) zurück ziehen, von früh bis spät vor ihren Geräten kleben, dass sich die Fälle mit psychischen Problemen häufen (und das mache ich weder daran fest, dass man heute offener drüber reden kann, noch dass ich selbst in einer "Bubble" wäre - man erhält hier in der Community schnell einen verfälschten Eindruck, weil sich hier eine Interessengemeinschaft mit vielen Schnittmengen tummelt, aber zumindest mein eigenes Umfeld ist ziemlich durchwachsen und besteht nicht nur aus Gamern und Zelda-Nerds :see-no-evil_monkey: ), und auch, dass viele Leute gefühlt die einfachsten Dinge verlent haben: Sprich vernünftig kommunizieren, aufmerksam sein, sich vernünftig melden, meinetwegen sogar solche Dinge wie Hallo, Bitte, Danke und Tschüss.


    Mein persönlicher Eindruck ist tatsächlich, dass sich - auch gefühlt seit der Pandemie - eine gewisse soziale "Verwahrlosung" eingeschlichen hat.

    Das ist nicht nur anstrengend und nervig, sondern auch etwas, das ich als beunruhigend empfinde. Und - um das kurz klarzustellen - das ist auch nichts, was ich nur auf mich selbst oder meine eigenen Austausche beziehe, sondern durchweg auch zwischen anderen beobachte. Nervig ist es nicht nur deshalb, weil es einen scheinbar banale Dinge hinterfragen lässt - man stellt sich natürlich auch als erwachsener Mensch die Frage, ob es nicht komplett absurd ist, insbesondere andere erwachsene Menschen auf teils basale Gepflogenheiten hinweisen zu müssen, worauf ich ehrlich gesagt auch nicht immer Bock habe (und was es wahrscheinlich auch nicht besser macht).

    Bedenklich finde ich es dennoch. Auch weil ich nicht sicher bin, wie man dem als einzelner oder gemeinsam entgegen steuern kann, weil da einfach viel zusammen kommt, und vieles auch einfach von einem selbst abhängig ist. Man kann Freunden, Verwandten und Bekannten zwar ein Ohr schenken oder Rat erteilen. Wenn solche Leute dann aber drüber jammern, dass sie sich allein fühlen oder auf nix mehr klarkommen, sich aber weigern vor die Tür zu gehen und lieber von früh bis spät am PC hängen und in virtuellen Welten leben und sich berieseln lassen: Ja was soll man da sagen? Für mich ist es offensichtlich, dass die Dosis hier irgendwo auch das Gift macht, und dass zu viel von irgendwas selten gut ist - und das war es auch schon vor dem Intert und Co. Aber du kannst die Leute ja nicht zwingen oder dafür Verantwortung übernehmen. Das klingt jetzt natürlich auch etwas "übersptitzt", soll aber primär erstmal zu einer groben Veranschaulichung dienen.


    Meine "These" (vorsichtig formuliert) ist hier also, dass dies auch eine Folge der Pandemie ist oder sein kann. Mich würde interessieren, wie eure Wahrnehmung dazu ist und ob ihr das ähnlich oder ganz anders seht - sowohl auf euch selbst als auf eure Umwelt bezogen. Ich denke nämlich, was man am ehsten tun kann, ist darüber zu sprechen.

  • Ich stimme dir soweit größtenteils zu. Die Pandemie hat Gesellschaftlich etwas verändert was ich selbst nicht wirklich begreifen oder sinnvoll in Worte fassen kann. Das erste Pandemie Jahr, vor allem der erste Lockdown, war tatsächlich für mich noch ganz angenehm und irgendwie etwas entschleunigend. Jedoch war das Jahr darauf einfach nur ne richtige Katastrophe. Hatte eh nicht viele Freunde, geschweige denn einen richtigen Freundeskreis, aber ich hatte zumindest Umfeld in dem ich mich wohl gefühlt habe. Dieses ist aber 2021 komplett zebrochen und Ausseinder gegangen. Es war schwer in dieser Zeit neue Menschen kennenzulernen und ein neues Soziales Netz aufzubauen. Es war auch im übrigen nicht förderlich in dieser Zeit auf Berufssuche zu sein. War nach Ende meiner Ausbildung 2 Jahre lang in den Startlöchern, nur um am Ende in dem Bereich den ich gelernt habe nix zu finden. Das war natürlich super frustrierend....


    Obwohl 2022 die Pandemie als "offiziell beendet" erklärt wurde, habe ich gerade dort die Nachwirkung erst so richtig am eigenen Leibe gespürt. Naiver weise dachte ich tatsächlich ne lange Zeit, dass sobald der Spaß vorbei ist, dass das Leben wieder so weiter geht wie ich es vor Corona kannte. Aber ich lag falsch. In besagtem Jahr bin ich nach Köln gezogen um ein neues Leben anzufangen. Ein Neustart in eine neue Stadt ist eh immer mit einer Herausforderung verbunden. Aber mit der Tatsache, dass wir 2 Jahre in einem Sonderzustand lebten, war es doppelt schwer. Gerade wenn es darum ging neue Menschen kennenzulernen und Freunde zu finden. Da die meisten eher unter sich waren und längst nicht mehr so offen sind wie z.B. 2019., zumindest nach meiner Wahrnehmung.


    Allgemein fühlte es sich so an als hätte man mich in der Blütezeit meines Lebens bestohlen, auch wenn ich 2020 schon 23 war. Vieles was die meisten mit ihren anfang/Mitte 20er erlebt haben, hab ich nie wirklich erleben können. Zumindest nicht so wie ich es mir gewünscht hätte. Bis zum letzten Jahr, kam es mir so vor als hätte sich alles bei allein trotz Corona weiterentwickt und nur bei wäre alles stehengeblieben. Als wäre ich als einziger 2 Jahre "eingefroren". 2022 war deshalb viel vom Existenz Ängsten geprägt....


    Vieles hat sich dann letztes Jahr zum Glück gebessert. Dennoch sind Nachwirkungen deutlich spürbar. Die Menschen sind, wie du schon sagst, gefühlt viel weniger sozial geworden. Laut einigen Studien sind die Menschen einsamer den je. Dennoch ist es sehr ironisch, dass bei steigender Einsamkeit und dem digitalen Zeitalter es so wenige Menschen wirklich zu einander finden.


    Achja, ich weiß nicht ob es mit Corona zusammenhängt, jedoch kommt es mir so vor als würde das soziale miteinander immer oberflächlicher werden. Gerade das knüpfen tieferer Bindungen jeglicher Art stellt sich als schwieriger heraus.


    Ich sitze zudem nachwievor nicht gerne neben anderen Menschen in der Straßenbahn. Manchmal stehe ich sogar lieber um Abstand zu haben xD .


    Ich entschuldige mich an der Stelle für das ein oder andere Abschweifen oder für einige Wortwiederholungen. Gerade dieses Thema beschäftigt mich schon lange und ich hab mir daher etwas von der Seele geredet. Hoffe das ist okay 😅

  • Ich hab nicht so viel Zeit und eure Beiträge gerade auch nur überflogen, mir scheint aber, dass ich eine eher etwas entgegengesetzte Erfahrung gemacht habe. Als eher introvertierter Mensch, der sich in sozialen Situationen schnell unter Druck gesetzt fühlt, habe ich die gesetzlich verordnete Isolation zunächst sogar ein bisschen genossen - wenigstens am Anfang. Was für mich aber vor allem geblieben ist, auch jetzt, wo die Pandemie vorbei ist, ist mehr Rücksicht auf ein Bedürfnis, allein zu sein. Wo ich mich früher schwer getan habe zu sagen, dass ich lieber zu Hause bleiben will, oder nicht so lange bleiben oder auch mal spontan abzusagen, weil ich mich einfach grade nicht nach Party fühle, wird mir da heute gefühlt mit mehr Verständnis begegnet und leicht akzeptiert, dass es jedem mal so ginge, egal ob aus Angst vor Krankheit, realer oder erlebter Ansteckungsgefahr oder einfach sozialer Überlastung. Den meisten Menschen war während und unmittelbar nach der Pandemie in Menschenansammlungen und Gruppen wahrscheinlich etwas mulmig, sodass sie nun vielleicht eher nachvollziehen können, dass man das nicht immer will und das nichts Persönliches ist.

    Ein verwandter Punkt ist, dass ich erlebe, dass auch Leute, die früher jedes psychische oder emotionale Unwohlsein als “reif für die Klapse” gewertet haben, jetzt bereiter sind, anzuerkennen, dass psychische Erkrankungen und Probleme jeden treffen können und echt sind - vielleicht weil viele davon sich während der Pandemie zum ersten Mal selbst in psychischen Ausnahmesituationen befunden haben.

    Ich bin mir nicht sicher, inwieweit ich die von Rina beschriebene soziale Verwahrlosung erlebe. Was ich aber auf jeden Fall erlebe ist dieser positive Effekt des gesteigerten Verständnisses für die emotionale Situation der Anderen. Und ich wollte nicht, dass dieser Punkt als potentielle positive Folge der ansonsten einschneidenden und ggf. auch gesellschaftlich traumatisierenden Situation der Pandemie übersehen wird.

  • Ich hatte mir letzten Dezember Corona eingefangen. Ich war sehr underwhelmed, weil das Ganze bei mir nicht viel lästiger als eine hartnäckige Erkältung war, die sich nach drei-vier Tagen auch schon verabschiedet hatte. Trotzdem war ich noch 5 Tage lang positiv und konnte in der Zeit nicht wirklich was machen. Und für mich war die Zeit wie Corona all over again. Isolation, Frust, Einsamkeit. Hat wahrscheinlich auch nicht geholfen, dass sich die Corona-Infektion in meine allgemeine Kranksheitswelle eingeschlichen hat, die seit November bis jetzt anhält und mir jetzt noch zusetzt - weniger wegen der Symptome, sondern wegen allgemeiner Erschöpfung und der Unfähigkeit arbeiten zu können oder wirklich produktiv zu sein.


    Ich erzähle das aus zweierlei Gründen - einerseits, weil ich vor der Pandemie noch ein absoluter Einzelfall war, dass ich überhaupt mal länger als eine Woche ausgefallen bin. Zweitens, weil mich selbst so ein längerer Krankheitsausfall wahrscheinlich nicht so frusten würde, wenn die drei Jahre Pandemie nicht gewesen wären.


    Mein Eindruck war lange Zeit, dass ich ein sehr stabiles Immunsystem habe. Nicht nur hat Corona mich sehr lange verschont (die Infektion letzten Dezember war meine Erste), ich war wie gesagt schon früher nie lange krank. Selbst Grippe- und Krankheitswellen ab ich meistens einfach weggesteckt und in meinen ersten Arbeitsjahren konnte man sich meine Krankheitstage auch an einer Hand abzählen. Derzeit hab ich nicht mehr das Gefühl, dass mein Immunsystem da so gut mitspielt. Da können natürlich auch andere Faktoren mitreinspielen - Stress, das Alter (bin jetzt aber auch erst Mitte 20, ich glaub das zählt bei mir noch nicht wirklich), ein Haufen anderer körperlicher Faktoren, die ich vielleicht gar nicht einschätzen kann - aber eine Art, wie ich mir das auch erklären kann, ist einfach, dass ich mich pandemiebedingt die letzten Jahre über einfach weniger Bakterien ausgesetzt habe.

    Das Immunsystem wächst ja auch mit seinen Aufgaben. Wenn man sich isoliert und dem Immunsystem weniger "Aufgaben" gibt, in Form von kleineren Bazillen, die man sich bspw. durch Interaktion mit anderen Leuten einfangen kann, dann kann es da auch nicht weiterwachsen. Und Bakterien und Viren entwickelt sich ja nur weiter, die werden auch keine einfacheren Gegner.

    Hinsichtlich dessen, dass ich die derzeitige Krankheitswelle auch unverhältnismäßig stark ist, frag ich mich dann doch, ob da nicht was dran sein könnte - zumindest in meiner Erinnerung waren vor Corona nicht mal zu Grippewellen-Zeiten so viele Leute auf einmal krank, oder die Arztpraxen derart überlastet. Es deckt sich auch mit den Beobachtungen, die meine Familie gemacht hat.

    Auf der anderen Seite wiederum kann Corona mich für das Thema "Krankheit" auch nur mehr sensibilisiert haben und deswegen fallen mir die Krankheitswellen verstärkt auf. Und Corona geht ja immer noch um und ist auch eine weitere, hochansteckende Krankheit in dem Pool von Infekten, die jährlich als "Grippewelle" umgehen.

    Deswegen, idk, würd mich interessieren, ob ich mit dem Eindruck allein bin oder ob es anderen hier auch so geht.


    Ein verwandter Punkt ist, dass ich erlebe, dass auch Leute, die früher jedes psychische oder emotionale Unwohlsein als “reif für die Klapse” gewertet haben, jetzt bereiter sind, anzuerkennen, dass psychische Erkrankungen und Probleme jeden treffen können und echt sind - vielleicht weil viele davon sich während der Pandemie zum ersten Mal selbst in psychischen Ausnahmesituationen befunden haben.

    Da mag auch was dran sein, kann allerdings auch viel mit Social Media zu tun haben, wo es ja auch relativ große Mental Health Bubbles gibt, die den Austausch ermöglicht und ein Stück weit mehr normalisiert haben. Wobei es auch wieder richtig ist, dass Leute ja eh mehr vermehrt wegen der Pandemie auf Social Media aktiv waren, also ist da wohl dennoch eine gegenseitige Bedingung da.


    Dabei glaub ich aber nicht mal unbedingt, dass Corona per se uns alle weniger sozial und psychisch krank gemacht hat. Ich erlebe Menschen in meinem Umfeld, bei denen ich nicht den Eindruck hab, die Pandemie hätte sie dahingehend in irgendeiner Form verkümmern lassen, kenne aber durchaus auch Fälle, bei denen die Pandemie durchaus seine Spuren hinterlassen hat.

    Zumindest aus eigener Erfahrung kann ich sagen als jemand, der sich derzeit auch in psychotherapeutischer Behandlung befindet, dass die Pandemie nicht der alleinige Grund ist, dass ich das für mich als notwendig erachte - es ist aber wohl ein Faktor, der gewisse Veranlagungen, die schon vorher da waren, verstärkt hat. Und so würde ich die Pandemie dahingehend auch eher betrachten.

    Als jemand, der sich eh schwer tut auf andere Leute zuzugehen und es vermeidet über sich selbst zu sprechen, ist eh nochmal schwieriger, eine gute Bindung zu anderen aufzubauen. Lass da mal noch Pandemie, Quarantäne etc. dazukommen und aus einer gewissen "Social Awkwardness" wird schnell eine "Social Anxiety", mit der ich dann auch diagnostiziert worden bin. Da ist es dann zwar unerlässlich irgendwo für sich selbst einen Weg zurück ins "echte" Leben zu suchen, wäre glaube ich aber nichts, was mir so schwerfallen würde, wenn die eigentlichen Ursachen dahinter nicht tiefer liegen würden.

    Die Frage ist für mich dann nur irgendwo, ob man das dann auch tut, oder sich der Bequemlichkeit hingibt, die die Pandemie auch mit sich gebracht hat.


    Viele meiner Arbeitskollegen arbeiten jetzt noch primär im Home Office, während ich dagegen dazu übergegangen bin, wieder vemehrt in der Firma zu arbeiten. Bei denen hat das allerdings primär familiäre Gründe - viele von denen haben Familie und Kinder daheim. Wenn man von daheim arbeiten kann, ist man der Familie auch einfach näher und dass mein Arbeitgeber dahingehend mittlerweile sehr viel Kulanz zeigt (die Pandemie hat gezeigt, dass Home Office bei uns sehr gut funktioniert), führt natürlich dazu, dass meine Kollegen das auch für sich nutzen wollen.

    Mein größtes Argument dafür daheim zu bleiben ist der Arbeitsweg - der frisst einfach enorm viel Zeit und ohne den ist mein Tag einfach mal 90-120 Minuten länger. Das ist Zeit, die für Haushalt aufwenden kann, kochen, einkaufen oder einfach nur um abzuschalten. Das nimmt auch Stress aus dem Alltag raus, deswegen bleib ich auch dabei, mindestens einen Tag Home Office in der Woche einzuplanen.

    Wenn man diesen Luxus aber tagtäglich genießt, dann versackt man irgendwann einfach. Man kommt nicht raus, die Welt wird zu den eigenen vier Wänden und man fängt an, die meisten Anstrengungen einfach ganz zu vermeiden. Die Folge ist, man isoliert sich dann noch weiter, und fährt darüber hinaus die eigene Toleranz für Anstrengungen runter, was es nochmal schwerer macht, da wieder rauszukommen.

    Ich hab mittlerweile an ganz gutes Gefühl dafür entwickelt, wann ich anfange zu "versacken" und wann ich vor die Tür gehen oder irgendwas anderes machen muss. Ich glaube aber auch, dass es viele gibt, die die Verbindung da noch nicht sehen oder die Kraft für eine Veränderung nicht mehr aufbringen können. Das ist schade und das ist auch definitiv ein Bild, was so ohne Corona nicht existieren würde. Aber auch hier glaube ich: Das ist eine Veranlagung. Menschen, die gerne aktiv sind, sind auch nach Corona gerne wieder aktiv, glaube ich - nur auf lange Sicht versacken die Stubenhocker einfach.


    Dahingehend kann und wird Social Media meines Erachtens auch nicht viel ändern oder besser machen können, fürchte ich. Ich hab mich während der Pandemie auch stark in Social Media geflüchtet - zu stark, und ich bin mittlerweile auch dazu übergegangen, so viel wie möglich davon zu streichen. Das Einzige, was ich noch passiv nutze, ist YouTube - ironischerweise deswegen, weil es nicht meine ganze Aufmerksamkeit braucht und je nachdem, was man macht, angenehme Hintergrund-Beschallung sein kann. Mehr Zeit will ich darin auch nicht investieren.

    Man kann beeindruckend viel Zeit am Tag verschwenden, einfach nur indem man auf Social Media unterwegs ist. Das fällt einem wirklich erst so richtig auf, wenn man die Apps zulässt - oder gleich ganz deinstalliert. Und meinem Wohlbefinden hat es nur geholfen, das zu reduzieren.

    Die sozialen Interaktionen sind da auch alles andere als... tiefgehend. Was ganz angenehm sein kann , wenn man Ablenkung sucht, auf lange Sicht aber keine stabilen, menschlichen Beziehungen schafft. Zudem ist Text der primäre Nachrichtenträger und bei Text fehlen unheimlich viele Nuancen der sozialen Interaktion: Gestik, Tonlage, Mimik, all das spielt sehr gravierend in menschlichen Umgang mit rein und ist in Social Media einfach nicht präsent. Das führt zwangsläufig zu Missverständnissen, denn Text ist unheimlich limitiert und nur noch limitierter, wenn man nicht jedes Wort zweimal umdrehen will und einfach nur raushaut, was einem durch den Kopf geht. Und da wundert mich auch eine allgemeine Negativität auf manchen Plattformen gar nicht - man kann ja eigentlich alles nur in den falschen Hals kriegen. Und da bin ich auch froh drüber, das aus meinem Leben gestrichen zu haben. Denn dadurch vereinsamt man nur noch weiter.


    So unterm Strich, ging es mir schon besser, aber das wird mit der Zeit auch wieder. Der Winter geht auch vorüber, die Krankheitswellen gehen vorüber und es wird wieder Frühling. Ich freu mich schon auf die längeren Tage und will die Zeit nutzen, wenn sie da ist.
    Und vielleicht hab ich das am Ende auch irgendwo Corona zu verdanken. Vor Corona hab ich da nie so richtig wertgeschätzt oder jedenfalls nicht so, wie ich es heute tue.

  • Homeoffice ist in meinen Augen die wesentlichste Veränderung, die die Pandemie in unseren Alltag gebracht hat. Dabei bin ich jemand, der diese Möglichkeit nicht wahrnimmt. Ich komme nur Tag für Tag in die Arbeit und finde unsere Hallen halbverlassen vor. Natürlich ist das nach wie vor genug, um sich nicht einsam zu fühlen, aber es zeigt, wie stark diese Veränderung das Leben der Leute berührt. Es ist wirklich die mit Abstand gravierendste Pandemiefolge, soweit ich das beurteilen kann.


    Ich beobachte dabei aber keine soziale Verwahrlosung in meinem Umfeld. Viele meiner Kollegen sind sind ungefähr die Hälfte der Woche im Homeoffice und die andere Hälfte vorort. Alle wirken dabei wie das blühende Leben. Da gibt es nichts, was ich diesem Lebensstil zur Last legen könnte, auch wenn er für mich absolut nichts wäre. Ich bin jemand, auf den diese Stimulation eines geschäftigen Umfelds wirklich einen positiven Effekt hat.


    Bestimmt kann es auch negative Effekte haben, besonders wenn Menschen eben nicht das tun, was gut für sie wäre. Depressive Menschen haben mehr denn je die Möglichkeit, sich zurückzuziehen. Und das ist nur ein spezielles Beispiel.


    Ganz grob gesellschaftlich betrachtet ist Homeoffice in diesem Umfang ein echt nie dagewesenes Phänomen in der Menschheitsgeschichte. Menschen waren fast immer darauf angewiesen, von Angesicht zu Angesicht mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten. Wir sind von Natur aus für diesen Lebensstil gemacht. Homeoffice ist dahingehend ein echt derber Umschwung, ein großer Schritt in Richtung Loslösung des Einzelnen von der Gesellschaft (bin mir sicher, dafür gibt es einen fancy Fachbegriff).

    Aber das ist ja keine neue Entwicklung. Der Mensch ist ja schon lange nicht mehr das soziale Wesen, das er einst war, das in eng verflochtenen Stammesgruppen durch die Wildnis streifte und irgendwelchen Beutetierherden hinterher zog. Schon vor Corona waren anonyme Städte unsere Realität, sich einen neuen Wohnort zu suchen war nur eine Frage des Willens und des Geldes. Wir waren damals schon ziemlich losgelöst, durch Homeoffice müssen wir jetzt nicht mal mehr unseren Kollegen und Mitstreitern unter die Augen treten. Sicherlich bringt das dem Individuum Freiheit, aber es treibt nunmal auch diese Atomisierung voran. Ich habe keine Ahnung, was die gesellschaftlichen Folgen davon sein werden, aber ich bin mir verdammt sicher, dass es welche geben wird.

  • Zwischendurch schon mal ein kurzes Dankeschön für eure bisherigen Antworten. Hier ist ja nicht so viel los, ich finde es aber tatsächlich an manchen Stellen doch schöner, hier ein Forum o.ä. zum Austausch zu nutzen, deshalb hab ich es auch bewusst hier hin gepackt, weil es mir mit DC, seiner Zeichenbegrenzung sowie Kurzelebigkeit und Störanfälligkeit dann doch eher wie verschwendete Mühe schien x) Selbst wenn es natürlich auch dort reizvoll ist, wenn da mal spontan ein spannendes Thema aufplöppt - aber das hier war ja nicht unbedingt spontan.


    Hier sind viele interessante und zusätzliche Facetten aufgegriffen worden - nicht nur negative, sondern auch positive, das finde ich spannend. Ich habe aber im Zuge dessen auch gemerkt, dass ich ihn vielen stellen wortwörtlich in einer bewusst in Anführungszeichen gesetzten Überspitzung zitiert wurde, was bei mir ein " :see-no-evil_monkey:" ausgelöst hat.

    Ich hoffe, dass es nicht so rübergekommen ist, als ich von sozialer "Verwahrlosung" gesprochen habe, als ob ich hier von absolut desaströsem Verhalten und Auffäligkeiten spreche. Ich meinte es durchaus eher nuanciert. Tatsächlich habe den Begriff auch bewusst genommen, da bei einer Verwahrlosung der Grundgedanke ist, dass eine (gesellschaftliche) Anforderung oder auch Mindestanforderung nicht mehr erfüllt wird.

    Dafür muss man aber vielleicht auch erstmal definieren, was diese Anforderungen sind, beziehungsweise genau die nicht mehr erfüllt werden oder anders behandelt werden, und das habe ich zugegeben recht grob und daher vielleicht auch missverständlich gefasst, ich bitte daher auch um Entschuldigung an der Stelle.

    Manchmal sind solche Eindrücke ja auch erstmal durchaus diffus beziehungsweise machen sie sich an kleinen Dingen, Beobachtungen oder Situationen fest - oder eben durch die Anhäufung dieser.


    An vielen Stellen stimme ich auch durchaus den differenzierenden und auch positiv hervorhebenden Stimmen zu:

    • Ja, ich denke dass sich die Entwicklungen und Fortschritte durch die Pandemie auch positiv auf die Akzeptanz von Me-Time, Zurückgezogenheit aber auch die Sichtbarkeit psychischer Probleme ausgewirkt hat.
    • Ja, ich denke auch, Adi, dass es eine medizinisch recht logische Konsequenz ist, dass man sich selbst keinen Gefallen tut, wenn man nie an die frische Luft geht und sich anfälliger macht. Das hat aber nicht einfach nur damit zu tun, dass man sich weniger Bazillen aussetzt, sondern seinen Körper allgemein in einen Spar-Modus führt: Letztlich sorgen ja auch viele weitere Faktoren dafür, dass wir unser Immunsystem stärken und gesund halten, sprich Bewegung, Ernährung, frische Luft, Sonne, sich auch mal "Wetter" und verschiedenen Temperaturgefällen aussetzen, und so weiter und so fort. Ist aber ohnehin ein Thema, das auch allein stehend sehr kleinteilig besprochen werden kann.
    • Ja, ich glaube, dass zum Beispiel das Thema Homeoffice durchaus auch einen guten Mehrwehrt entwickelt hat, gerade wenn man Familie hat, oder zB. damit enorm Zeit einsparen kann (zum Beispiel Anfahrtsweg) um sich zu entlasten.
    • Tatsächlich gehöre ich sogar selbst zu den Fällen: Meine Arbeit ist zwar nicht weit weg, aber gerade vorletztes Jahr, wo ich mit einem 40 Stunden Pensum aus Uni-VLs und Arbeit fast abgesoffen wäre, weil ich als Pendlerin zwischen Ruhrgebiet und Köln mit 9-Euro-Ticket und Baustellen vor der Situation stand, plötzlich zwischen 15-20 Stunden die Woche in Zügen zu verbringen, war das eine enorme Erleichterung. Auch weil ich dadurch zuhause dann noch nebenher Dinge managen konnte (Haushalt und Co, wir haben dann auch angefangen zu renovieren :grinning_face_with_sweat: ), die ich sonst niemals mehr geschafft hätte. Das war Wahnsinn. Hat aber auch dazu geführt, dass ich durch die Pendelei so abgestresst war, dass ich froh drum war, mich in meine Höhle zurück ziehen zu können und nicht mehr unter Leute zu müssen. Und dabei bin ich eher noch ein recht geselliger Mensch und emfpinde auch meine Arbeit da glücklicherweise eher als entspannend denn als zu zusätzliche Strapaze, was das betrifft.
    • Allerdings schaltet auch hier eine Gewohnheit: Mittlerweile ist es hier wieder ruhiger und ich möchte gerne wieder mehr raus, mehr ins Büro, etc. Die VLs sind vorbei, ich muss nur noch meinen Abschluss durchboxen. Aber es ist gar nicht so leicht, wenn man die Bequemlichkeit einmal gewohnt ist. Die "Verwahrlosung" die ich hier bei mir bemerke, die aber glücklicherweise kein anderer abkriegt, ist dass ich dann teilweise doch zuhause bleibe, weil ich einfach länger schlafen kann und nicht mal aus der Jogginghose muss, um arbeiten zu können :face_with_tears_of_joy: Das ... IST manchmal durchaus entspannt. Aber manchmal schüttle ich darüber den Kopf und muss an das berühmte (wenn auch wohl nicht mehr zeitgemäße) Zitat von Karl Lagerfeld denken.

    Letzlich wollte ich aber auch - jetzt retropspektive betrachtet - vor allem darauf hinaus, dass sich, eigentlich nochmal unabhängig von Homeoffice oder einzelnen Subthemen, die dadurch befeuerte Mediennutzung zu einem zweischneidgen Schwert entwickelt hat. Oder zumindest stelle ich für mich gerade nochmal zusammenfassend fest, dass das eigentlich der Schwerpunkt ist, der mich beschäftigt hat. Aber das kann man eventuell auch nochmal separat aufgreifen, da es hier, teils auch von mir undurchdachte Verstrickungen gab.


    Ich glaube es ist auf jeden Fall toll, wenn man gut damit (also den Folgen und Entwicklungen) umgehen und seinen Vorteil daraus ziehen kann. Und ja, ich spreche hier auch durchaus von "befeuern" in viele Hinsicht, denn ich bin auch nicht der Ansicht, dass Dinge zwangsläufig erst durch die Pandemie und ihre Herausforderungen "entstanden" sind, sondern meistens eher positiv oder negativ verstärkt wurden, also schon vorher entweder latent oder konkret bei Betroffenen vorhanden waren. Aber: Neben Korrelation ist auch Kausalität hier nicht vollständig ausgeschlossen, zumindest möchte ich das nicht unerwähnt lassen, denn es sind eben auch manchmal extreme Situationen, die einen Menschen überhaupt erst in so eine Lage bringen. Da verhält es sich wie Laura sagt: Es kann jeden treffen. Auch die Stabilsten von uns. Nicht jedes Mal muss man vorher schon eine Veranlagung oder Vulnerabilität gehabt haben. Wenn doch, kann man, wenn man möchte, dem natürlich trotzdem Positives abgewinnen, indem man eben sagt: "Gut, dass das dadurch mal zu Tage getreten ist und in Konsequenz behandelt werden konnte." Und dem möchte ich auch absolut meine Anerkennung aussprechen. Es kann viel Kraft kosten, bei so viele Herausofrderungen die Nase oben zu behalten und einen sonnigen Blick auf die Dinge bewahren.

    Daher auch nochmal Danke an alle, die es auf diese Weise beleuchtet haben. Ich mag es natürlich, auch mal kritisch über Themen zu sprechen und schwierige Facetten einer Diskussion ungeschönt zu betrachten. Aber ich glaube, viele Diskurse, die wir heutzutage führen, gehen schnell in die Richtung und es ist auch erfrischend, mal vermehrt positivere Ansätze in so einem Austausch zu sehen :3

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