Eure Lieblingsgedichte?

  • Aus schulischen Gründen wühle ich mich gerade durch Berge an lyrischen Texten - da ist mir gerade beim Stöbern mal aufgefallen, dass es noch gar keinen Thread dieser Art zu geben scheint, da dachte ich, ich mache einfach mal einen auf.

    Hier soll es um eure Lieblingsgedichte gehen - ganz gleich, von wem oder woher sie stammen, wie alt sie sind und ob ihr sie vielleicht auf Opas Dachboden in einem angeschimmeltem Buch gelesen habt, hier kann man sie vorstellen und erzählen, warum man sie gut leiden kann. Oder vielleicht gibt es Gedichte, die euch gar nicht gefallen // schon zu den Hylianerohren raus hängen? Wenn ja, warum?
    Bitte nicht vergessen, den Autor zu nennen, sonst gibt es vielleicht Ärger mit den Urheberrechten...
    Das muss jetzt nicht in ganze Analysen ausarten, will euch nicht vergraulen XD

    Eins meiner persönlichen Favoriten ist "Die Ballade vom Nachahmungstrieb" von Erich Kästner.


    Ich finde, Kästner schafft hier einen ganz wundervollen Kontrast zwischen der düsteren Handlung und dem einfachen, klaren Schreibstil. Ich habe dieses Gedicht mal in meinem Deutschbuch gefunden - gegen Ende der sechsten Klasse muss das gewesen sein - und ich fand es teils schockierend, dass neben Stadt-, Land-, Flussgedichten so ein einfaches, dunkles Textlein steht, aber diese scharfe Kritik hinter der simplen Geschichte einiger "spielender" Kinder... Ich weiß nicht, ich finde es faszinierend auf eine gräueliche Art und Weise. Es hat Handlung, es hat Tiefsinn und eine Moral dahinter, ohne zu geschwollen oder kitschig zu wirken, sowas erwarte ich von einem Gedicht.

    Mir fallen sicher noch weitere ein, aber erstmal seid ihr dran. =)

  • schöner Thread! :D
    Ich hab eines von einem irischen Dichter, W.B. Yeats:

    He wishes for the cloths of heaven


    Es stellt ein schönes Beispiel für ein Gedicht dar, welches, obwohl es kaum Form besitzt (also kein Metrum und keine Reime, lediglich Wiederholungen der letzten Wörter in der übernächsten Zeile), aber durch eine sehr bildhafte Beschreibung doch sehr lyrisch und schön wirkt. Es bietet ausführlich einen innigen Wunsch, den der Dichter erfüllen will, aber dann doch die harsche Realität; die letzte Zeile ist sogar meiner Meinung nach eines der schönsten Zeilen, die jemals geschrieben worden sind

  • Rein theoretisch ist eine Ballade etwas anderes als ein Gedicht, aber meine favoriten auf diesen Gebiet ist "Die Seeräuber-Jenny". Warum weiß ich nicht. Wir hatten diese Ballade mal in Deutsch durchgenommen und von dort an hab ich sie gemocht:

    Mein lieblingsgedich ist "Der Erlkönig." Auch hierzu hab ich keine Gekründung.

    Die Autoren sind übrigens Bertholt Brecht(Jenny) und Goethe(Erlkönig).

  • @ Yunavi:

    Ich finde ja Kästners Gedichte haben ähnlich wie die von z.B. Wilhelm Busch alle so einen schmunzlelnden Unterton, der ein bisschen augenzwinkernd ein bisschen oberlehrerartig große Wahrheiten in kleine Anekdoten verpackt. Auch hier ist dem Thema des Mordes mit der kindlichen Spielwelt der Kinder so verknüpft, dass dieser groteske Eindruck entsteht.

    Ich muss zugeben ich habe dieses Gedicht heute zum ersten Mal gelesen und bin erschüttert und gleichzeitig fasziniert. Es scheint so einfach, so unbekümmert daherzukommen. Ein Spiel, einen kleinen Jungen so aufzuhängen, wie man das bei den Großen gesehen hat, ohne die Folgen wirklich und wahrhaftig zu begreifen. Es ist eine Art Abkehr von der Sinnhaftigkeit dieses Unterfangens, die sich gleichsam in die Erwachsenenwelt übertragen lässt.

    Auf alle Fälle große Lyrik und Sprachgewalt in der Einfachheit der Worte und der Eindringlichkeit der Botschaft.

    @: Tido

    Obwohl ich mich mit englischen Gedichten häufig schwer tue, einfach weil mir Muttersprache in Gedichten viel kräftiger und von Bedeutungen schwerer klingt, muss ich sagen, dass mir das Gedicht von Yeats gefällt.

    Es ist kurz knapp und voller schöner Bilder. Eine Homage an die Träume und die Vertrautheit, diese mit anderen zu teilen. So schön der Himmel ist, so viel wertvoller und zugleich viel verletzlicher sind die eigenen Träume und das eigene Innere, dass man anderen ausliefert. Egal, wie viel Gold, Silber und wie viel Prunk man einem anderen darbieten kann, ein Zugeständnis der eigenen Seele einem anderen Menschen gegenüber ist von höherem Wert als all dies. Sehr schön :D

    ________________________________________


    Eines meiner Lieblingsgedichte ist der Panther von Rainer Maria Rilke:

    Zunächst einmal möchte ich erzählen, wie ich das allererste Mal mit diesem Gedicht in Kontakt gekommen bin, denn dies trägt mit Sicherheit dazu bei, weswegen es mich so berührte.

    Ich saß nach einem Kinobesuch mit meiner Freundin am Bahnhof und wir warteten auf den Zug nach Hause. Während wir warteten, kam zu uns ein Mann, gekleidet in grau-staubiger, zerfledderter Montur mit einer grobporigen, rötlichen Nase und dem ungepfelgten Gesicht einer armen Seele, die man gemeinhin Bettler oder Obdachloser oder gar noch verachtenswerter nennt.

    Doch anstatt uns um Geld zu bitten, begann er damit, ein Gedicht vorzutragen. Eben genau jenes. Und während er sprach begann meine Freundin, welche dieses Gedicht ebenfalls zu ihrem Lieblingsgedicht erkoren hatte, einzusetzen und die kratzende, etwas lallende Stimme des Mannes vermischte sich mit der durch Gesang geschulten, dunklen Stimme des Mädchens an meiner Seite.

    Und nun dem Inhalt dieser trüben, gefühlsleeren und dennoch so kraftvollen Wortgewalt zu lauschen, erfasste meine eigenen Gefühle und ich vermochte nicht zu sagen, weswegen ich letztlich diese Tiefe und Melancholie verspürte.

    Entsprechend wurde auch mir dieses Gedicht wichtig und ich erkannte die Wahrheit hinter den Worten, so klar und so eindeutig, dass es mir zu einem Schatz wurde.

    Vor zwei Sommern war ich sogar in der Stadt, in welchem der Käfig des Panthers stand, der Rilke dazu bewegt dieses Gedicht zu schreiben. Ich besuchte den Jardin des Plantes, besah mir die Gitterstäbe, sag die Raubtiere hinter ihnen, verspürte das gleiche aufwühlende und innerlich zermalmende Gefühl und vernahm einen kalten Hauch, als ich an den betäubten Willen, an der Glieder angespannten Stille und an das Herz des Panthers dachte.

  • Nunja eine Ballade ist eine Gedichtsform, nicht etwas anderes als ein Gedicht :D man kann fast jedes Gedicht unter einer Gedichtsform einreihen, z.B. Oden, Hymnen, Balladen, Villanellen, Haikus etc.

    Aber nur fürs Protokoll: Seeräuber-Jenny stammt aus der Drei-Groschen-Oper und ist damit eigentlich ein Lied innerhalb eines Schauspiels (sry, will eigentlich nicht klugscheißern :D)

    Der Erlkönig ist auch richtig cool, von Goethe mag ich aber auch den ironischen Totentanz:

    Edit: oh, da war ja noch ein Post :D schön, dass dir Yeats gefällt; er hat noch viele weitere tolle Gedichte geschrieben, kann ich nur empfehlen!

  • Zählen auch eigene Kreationen? :D
    Wenn ja, dann ist es:

  • Ich weiß nicht, ob ich direkt ein Lieblingsgedicht habe. Es gibt so viele unheimlich schöne, berührende, teifgründige [...] Gedichte, die so viel ausdrücken...

    Aber ich schreib einfach mal eins der ersten, die mir so eingefallen sind....

    Das Gedicht ist aus dem Buch Erebos, und dort von der, vielleicht so 16,17 jährigen Emily geschrieben. Der Autor des Buches, und somit also auch des Gedichtes ist Ursula Poznanski.

    Nacht

    Nacht

    In meinem Bett
    halte ich Wache
    hinter einem Palisadenzaun
    von Kissen und Decken.
    mit weit geöffneten Augen
    spähe ich nach flüsternden Geschöpfen,
    die das Tageslicht scheuen,
    dunkle Zwillinge meiner Gedanken.
    Mit ausgestreckten Armen
    taste ich nach Vertrautem
    und finde nicht einmal mich selbst.
    Nur die Gebetsmühle in meinem Kopf rattert
    gleichmäßig, unverständlich, wahnsinnig
    und ich bete um Waffenstillstand
    zwischen Tag und Nacht,
    um Sandkörner in den Augen
    und das erste Licht des Morgens,
    das bleich ist wie du.

  • @Buffbuff

    Vom Genre her eigentlich nicht das, was ich zur Zeit lese. Aber die Schreibweise ist einfach so unglaublich gut und fesselnd...
    Und das Gedicht ist einfach echt verdammt schön.

    Ich hab noch nen seeehr langes Gedicht. Ungereimt, von Ulrich Schaffer geschrieben. Aber meiner Meinung nach echt gut.

    Weil du echt sein willst

    Du wirst heimgesucht von dem Wunsch,
    echt zu sein,
    dich nicht mehr künstlich zu verhalten,
    nicht mehr an deine Wirkung zu denken.
    Du willst dich nicht mehr zurücknehmen
    Aus Angst, nicht verstanden zu werden
    Oder zu verletzen.

    Du willst nicht mehr Worte sagen,
    die du nicht meinst,
    und nicht mehr ein Gesicht anlegen,
    das dich verkrampft.
    Du willst nicht mehr die Verkleidungen,
    die Masken und das Schauspiel-
    Du willst du selbst sein, ganz entsoannt,
    ein Mensch unter Menschen.

    Und du fragst dich,
    ob für dich Platz ist in der Welt,
    für dich, so wie du bist.

    Du willst die Spiele nicht mehr mitmachen,
    bei denen du unecht sein musst
    und dich von dir selbst entfernst.
    Bei den Spielen, die so heißen:
    Ich merke nichts,
    Ich hab ein dickes Fell,
    Jeder muss immer glücklich wirden,
    Ich bin die Beste,
    Ich bin der, den keiner liebt.
    Du wehrst dich
    Gegen die Verzerrung des eigenen Wesens,
    gegen die Harmonie um jeden Preis,
    gegen die Spiele der Entwürdigung.

    Wenn du tust,
    was du nicht bist,
    wächst eine stille Abneigung
    dir selbst gegenüber.
    Wenn du mit dir machen lässt,
    was dir fremd ist,
    beginnst du dich zu verachten.
    Wenn du echt wirst,
    auch wenn es schmerzt,
    dich und andre dann hat das tiefe Glück eine Chance.

    Du suchst nach einer tiefen Begegnung,
    in der auch dein innerstes Wesen eingeladen ist,
    sich zu zeigen.
    Wo du selbst erkennst,
    wie du bist
    in dem Spiegel des anderen,
    und dein Gegenüber
    sich selbst ebenso begegnet,
    in dem Wunder des offenen Auges,
    wach in Schmerz und Glück.

    Es gibt andere wie dich,
    die auch suchen
    und dich entdecke
    wie du sie.

    Du spürst, dass du einen Kern hast,
    ein inneres Wesen,
    wo du wirklich du selbst bist.
    Handlungen und Gedanken,
    due aus diesem Kern kommen,
    sind gefüllt mit dir,
    mit deinen Handlungen und Gedanken.

    Du spürst auch,
    dass dein Kern noch entwickelt werden kann,
    dass deinem Wesen
    noch viel Unechtes anhängt.
    Wer bin ich?, fragst du
    Und entscheidest dich,
    dir nachzugehen,
    dich auszustrecken
    nach dem, was du sein könntest.

    Du bist umgeben von einer Welt,
    die dich oft lieber in einer Rolle hat
    und nicht in der Kantigkeit deines Echtseins.
    Man wünscht dich warm und anschmiegsam.
    Du sollst nicht auffallen.
    Man bietet dir an,
    die kleinen Lügen zu leben,
    die alles erleichtern.
    So bist du angesehen und beliebt.

    Aber es gibt auch die,
    die glücklich sind,
    wenn sie auf diene Echtheit stoßen,
    die sie ermutigt,
    selbst auch echt zu sein.

    Können wir einander Anstoßen sein,
    das Versteckspielen aufzugeben?
    Wollen wir echt werden und das Eis,
    das unsere Herzen umlagert, schmelzen?

    Gerade weil du echt sein willst,
    entdeckst du ungeahnte Seiten an dir.
    Da gibt es still Leuchtendes,
    das nur dem Bedächtigen sichtbar wird.
    Auch Dunkles ist da.
    Es ist ein Hintergrund,
    der wie ein erschreckender Abgrund wirkt.
    Und wie eine immer kleinere Puppe in der Puppe
    Sind deine Gedanken in Gedanken verschachtelt:
    In dir stecken Kräfte,
    die ermutigen und befremden,
    stören und befreien,
    beglücken und verletzen.

    Du bist vielschichtiger,
    einsichtiger,
    erstaunlicher,
    erstaunlich anders
    und viel mehr,
    als du dachtest.

    Manche finden dich komisch,
    weil du echt sein willst
    und bereit bist,
    dafür einen hohen Preis zu zahlen.

    Sie haben sich selbst schon so weit verlassen,
    dass sie ihr eigenes Wesen
    aus den Augen verloren haben.

    Es befremdet sie,
    dass ein Mensch sich selbst sucht
    und Sehnsucht nach dem hat,
    was er in sich nur ahnt.

    Nur wenn du echt bist,
    hast du letztlich Frieden mit dir selbst.
    Sonst zerstörst du dich
    Im Kampf gegen dich selbst.

    Vorschichtig begibst du dich in ein Gespräch
    Und hoffst, dass dein Gegenüber
    An deinen tiefen Seiten interessiert ist.
    Du trägst Kostbarkeiten in dir
    Und bist nicht willig,
    sie vor irgendwem auszubreiten
    wie billige Ware.

    Dein echtes Wesen in seiner Tiefe
    Ist ein geschenk an den anderen.
    Dein Herz offenbarst du nur denen,
    die selbst ein Herz haben
    und bereit sind, es zu zeigen.

    Weil du echt sein willst,
    brauchst du Zeit für dich.
    Echtheit entsteht nicht
    Im Hasten und Jagen.

    Du brauchst Stunden der Selbstprüfung,
    des Fragens und Suchens:
    Was willst du und was nicht?
    Du hast Tage nötig,
    die der Entdeckung gewidmet sind.
    In Zeiten der Leere
    Kann etwas in dir wach werden.
    Du brauchst Stille,
    um deine tiefen Wünsche wahrzunehmen
    und sie ernsthaft zu verfolgen.

    Weil du echt sein willst,
    wirft man dir vor,
    dass du nur an dich selbst denkst
    und begreift dabei nicht,
    dass wir einander nur so weit finden,
    wie wir uns selbst gefunden haben.

    Wir überwinden die tiefe Kluft
    Zum anderen
    Nur über die Brücke der Selbsterkenntnis
    In dem Maße,
    wie wir uns selbst verstehen,
    werden wir einander verstehen.

    Weil du echt sein willst,
    fällt dir jede Unechtheit stärker auf.
    Du bist wacher für das Künstliche,
    für die kleinen Töuschungen.
    Du durchschaust die leeren Worte,
    erkennst deine eigene Grimasse
    und hörst das übertriebene Lachen,
    hinter dem ein Mensch
    seine Enttäuschung verstekckt.

    Wenn du dir dann vorstellst,
    wie es sein könnte,
    wenn wir alle echt wären
    und einander in die Augen sehen könnten,
    dann leidest du daran,
    dass wir noch so weit entfernt davon sind.
    Aber ist es nicht ein Ziel,
    für das es sich zu leben lohnt?
    Jeder kann bei sich beginnen.

    Sei dem treu,
    was in dir entsteht
    und lebe nicht nach den Werten anderer.
    Was du bist, hast du zu geben.
    Deine Echtheit ist dein Beitrag,
    nicht deine Fähigkeit,
    die anderen nachzuahmen
    und so zu leben wie sie.

    Wenn du echt sein willst, musst zu lernen, „nein“ zu sagen
    Zu dem, was dich erstickt.
    Dann wirst du zu dem finden,
    was dir entspricht und darin aufblühen.

    Weil du echt bist,
    wirkst du anziehend.
    Mit dir weiß man, woran man ist.
    Was du sagst, meinst du.
    Was du glaubst, lebst du.
    Wenn du schweigst, ist es kein Trick,
    mit dem du etwas erreichen willst.
    Du wirkst befreiend.

    Es ist nicht schwer,
    dich im ersten Augenblick zu lieben.
    Manchmal ist es schwerer,
    dich weiter zu lieben,
    wenn du echt bleibst.
    Und noch schwerer ist es,
    dich zu ermuntern, echt zu bleiben,
    auch wenn du andere verletzt
    und ihnen wehtust.

    Echt sein heißt, aufrecht gehen,
    sichtbar werden in dem Grau,
    sich erinnern an Träumen und Hoffnungen
    und nicht aufgeben
    im Kampf gegen MIttelmäßigkiet.

    Echt werden
    Ist wie eine Heimkehr
    Zu uns selbst.

    Wieder da sein,
    wo wir begonnen haben,
    das Paradies
    noch einmal bewohnen,
    diesmal bewusst.

    Uns nicht mehr vertreiben lassen,
    von der Seite Gottes,
    der in uns wohnt.

    Und ja -.- Ich hab das alles abgetiptt.

  • Ui, das freut mich aber, dass es hier soviele Rückmeldungen gibt. =)

    Erolatilon: Wow, dann scheinst du ja einen sehr persönlichen Bezug zu dem Gedicht zu haben, das war bestimmt ein sehr einprägendes Erlebnis. Besonders, wenn man in solch einem Moment gar nicht damit gerechnet hat, dass im nächsten soetwas passieren könnte. Ich finde auch das Bild sehr eindrucksvoll, das durch lediglich drei Strophen gezeichnet wird. Kurz, aber dennoch eindrucksvoll... Mir ist gerade richtig die Lust vergangen, irgendwann in meinem Leben nochmal in einen Zirkus zu gehen.


    @MAWE & Tido: Stimmt, Goethe hat auch sehr viele Gedichte geschrieben, die mir gut gefallen. Der Erlkönig ist einer der zeitlosen Klassiker, mit denen ich früher zuallerst in Kontakt gekommen bin - fand ich damals schon toll, wenn auch dezent gruselig. *g*

    @Buffbuff:

    Zitat

    Original von Buffbuff99


    Schön gedichtet, die Stelle gefällt mir ganz besonders. Musste echt schmunzeln. :XD:

    Maya-Bo: Mir gefällt besonders das erste Gedicht sehr. Habe mir intressenshalber mal den Roman angeschaut, von dem die Rede war, und die Inhaltsbeschreibung liest sich sehr interessant. Erinnert mich ein bisschen an den Manga "Ousama Game".

    - - - - - - - - - - - - - -

    Ist ja, wenn man sich meine Profilseite anschaut, kein großes Geheimnis, dass ich ein großer Fan vom Sams bin. Habe den Autor Paul Maar auch schon einmal persönlich bei einer Lesung getroffen, ein echt netter Herr ist das.
    Dieses Gedicht heißt "Udakak und Lidokork". =)

    Ich weiß nicht, ich mag diesen witzigen, simplen Unterton einfach. Früher habe ich meine Familie immer mit dem Rezitieren von sowas unterhalten. :'D

  • Ich habe das Gedicht in der Grundschule gelernt, und ich kann es bis heute auswendig aufsagen.
    Es ist von Theodor Fontane und heißt "Herr Ribbeck von Ribbeck im Havelland"
    Ich finde das Gedicht richtig toll, nicht nur, weil Birnen mein Lieblingsobst ist.
    Lest selbst. :3

  • Hier eines meiner Lieblingsgedichte zum Nachdenken von j.w.waldeck, entnommen aus dem Buch I der Maschinenträume. Seine Bücher sind hier zu kaufen.

    Staatsgeheimnisse

    "Zeitraffer:
    erbärmliche Nachahmer
    deren Lebenssinn Belohnung ist!
    vergebliche Schicksale
    durchfließen Transgene
    üben Mitarbeiter Systemhygiene
    GEWISSEN=Haft befreit
    durch Befehlsannahme
    .
    Winfried Eater
    AgitationsAgent
    Tarnabteilung für Entwicklungsdummys*
    bei DESIRE DOGMA
    verschollen nach dem letzten Wirtschaftskrieg
    .
    .
    Jokai, wiederholten sie mit Lob
    deine Tüchtigkeit bringt dich hoch
    je unersetzlicher du dich machst
    wirst sehn -
    sie lassen dich nimmer gehn
    .
    und richtig!
    zuviel Wissen wird kostenpflichtig
    .
    .
    die Regierungsaufträge
    die Klonanlagen und Wirtschaftslügen
    das Genfutter und die Bürgerspionage
    wie konnte er glauben
    zu ernten ohne dafür zu büßen?
    .
    Jokai, wiederholten sie mit Lob
    Recht hat immer der Erfolg
    je besser du dich anpasst
    wirst sehn -
    es wird an nichts fehln…
    .
    im Auftrag der Kartell=Landhalter
    entschärfte er innovative Gestalter
    .
    gilt offiziell als tot bei Frau und Kind
    - ist Eigentum des Unter=Nehmens
    das nicht die Tüchtigen oben sind
    ein Privileg des Ver s t e h e n s
    .
    Jokai, wiederholten sie mit Lob
    bring mit uns die Welt ins Lot
    je besser du dich einbringst
    wirst sehn -
    darfst irgendwann an den Geschicken drehn
    .
    wieviele unterirdische Zentren es gibt
    - was Nutzlosen geschieht -
    deren Wissen wahrer Hintergründe
    durch Mächtige Verderben sanktioniert"

  • Zitat

    Original von GhostBride
    Ich habe das Gedicht in der Grundschule gelernt, und ich kann es bis heute auswendig aufsagen.
    Es ist von Theodor Fontane und heißt "Herr Ribbeck von Ribbeck im Havelland"
    Ich finde das Gedicht richtig toll, nicht nur, weil Birnen mein Lieblingsobst ist.
    Lest selbst. :3

    *Wäh* ich kann Birnen nicht ausstehen :D aber das Gedicht ist wirklich genial und unglaublich niedlich.

    Aber Gedichte aus der Schule erinnert mich gerade an John Maynard:

    John Maynard!
    "Wer ist John Maynard?"
    "John Maynard war unser Steuermann,
    aushielt er, bis er das Ufer gewann,
    er hat uns gerettet, er trägt die Kron',
    er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
    John Maynard."

    Die "Schwalbe" fliegt über den Erie-See,
    Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;
    von Detroit fliegt sie nach Buffalo -
    die Herzen aber sind frei und froh,
    und die Passagiere mit Kindern und Fraun
    im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
    und plaudernd an John Maynard heran
    tritt alles: "Wie weit noch, Steuermann?"
    Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:
    "Noch dreißig Minuten ... Halbe Stund."

    Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei -
    da klingt's aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
    "Feuer!" war es, was da klang,
    ein Qualm aus Kajüt und Luke drang,
    ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
    und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.

    Und die Passagiere, bunt gemengt,
    am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
    am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
    am Steuer aber lagert sich´s dicht,
    und ein Jammern wird laut: "Wo sind wir? wo?"
    Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. -

    Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
    der Kapitän nach dem Steuer späht,
    er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
    aber durchs Sprachrohr fragt er an:
    "Noch da, John Maynard?"
    "Ja,Herr. Ich bin."

    "Auf den Strand! In die Brandung!"
    "Ich halte drauf hin."
    Und das Schiffsvolk jubelt: "Halt aus! Hallo!"
    Und noch zehn Minuten bis Buffalo. - -

    "Noch da, John Maynard?" Und Antwort schallt's
    mit ersterbender Stimme: "Ja, Herr, ich halt's!"
    Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
    jagt er die "Schwalbe" mitten hinein.
    Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
    Rettung: der Strand von Buffalo!

    Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
    Gerettet alle. Nur einer fehlt!

    Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell'n
    himmelan aus Kirchen und Kapell'n,
    ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
    ein Dienst nur, den sie heute hat:
    Zehntausend folgen oder mehr,
    und kein Aug' im Zuge, das tränenleer.

    Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
    mit Blumen schließen sie das Grab,
    und mit goldner Schrift in den Marmorstein
    schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:

    "Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
    hielt er das Steuer fest in der Hand,
    er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
    er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
    John Maynard."


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    Als Romanschreiber kann ich Fontane wirklich nicht ausstehen, aber als Dichter war er genial!

  • Die Königin wurde vom König entfürt,
    am Ende siegte er.
    Es ist vollbracht,
    er hat die Macht.
    Uns gehört das Meer!

    Jo, ho. Stehn' zusammen.
    Bis die Flagge zeigt sie!
    Soll'n sie uns verdammen,
    doch wir sterben nie.

    Das ist so ein Lied aus Fluch der Karibik 3. Wer es auch auswendig kann, und in dem Text ist ein Fehler: Bitte Verzeiung.

  • Wir hatten vor ein paar Monaten eine Einheit "Lyrik der Romantik" in der Schule, und in diesem Zusammenhang haben wir natürlich Joseph Freiherr von Eichendorff gemacht. Dazu gefällt mir vor allem dieses Gedicht:

    Mondnacht

    Es war, als hätt der Himmel
    Die Erde still geküßt,
    Daß sie im Blütenschimmer
    Von ihm nun träumen müßt.
    Die Luft ging durch die Felder,
    Die ähren wogten sacht,
    Es rauschten leis die Wälder,
    So sternklar war die Nacht.

    Und meine Seele spannte
    Weit ihre Flügel aus,
    Flog durch die stillen Lande,
    Als flöge sie nach Haus.

  • Hier mal ein Gedicht, das wir gerade im Deutschunterricht behandelt haben, was mir wirklich sehr gut gefällt.
    Auf den ersten Blick ein wenig komisch, lest es am besten zwei, drei Mal durch, dann wird es sinnvoller. ^-^

    Ulla Hahn - Bildlich gesprochen
    [1981]

    Wär ich ein baum ich wüchse
    dir in die hohle Hand
    und wärst du das Meer ich baute
    dir weiße Burgen aus Sand.

    Wärst du eine Blume ich grübe
    dich mit allen Wurzeln aus
    wär ich ein Feuer ich legte
    in sanfte Asche dein Haus.

    Wär ich eine Nixe ich saugte
    dich auf den Grund hinab
    und wärst du ein Stern ich knallte
    dich vom Himmel ab.

    Das Gedicht gefällt mir deshalb so gut, weil es irgendwie gerade zu meiner Situation passt, und ich die Stilmittel, welche Ulla Hahn verwendet sehr schön und passend finde. Die Embajements machen das Gedicht ein wenig anspruchsvoller, und, dass es ein abcb-Reim ist, macht das Gedicht irgendwie 'interessanter'.
    Sie verwendet eher ungewöhnliche Vergleiche, jedoch macht genau diese 'Ungewöhnlichkeit' das Gedicht aus.

  • Heute gibts von mir einen weiteren Eichendorff - In der Fremde

    Aus der Heimat hinter den Blitzen rot
    Da kommen die Wolken her,
    Aber Vater und Mutter sind lange tot,
    Es kennt mich dort keiner mehr.

    Wie bald, ach wie bald kommt die stille Zeit,
    Da ruhe ich auch, und über mir
    Rauscht die schöne Waldeinsamkeit,
    Und keiner kennt mich mehr hier.


    --------------------------------------

    Das ist natürlich SEHR typisch romantisch, mit der Verschönerung des Todes, der Sehnsucht nach Heimat und der Natur (Waldeinsamkeit); stellenweise sehr verbittert in der ersten Strophe, welches aber in der zweiten wieder relativiert wird. Dazu gibt es ein recht freies Metrum, wobei es immer zwischen 4 und 3 Hebungen abwechselt, ohne jedoch ein klares Metrum aufzunehmen. Gefällt mir gut.. okay, Eichendorff war allgemein gut :D

  • *Staub wegpust*
    Ich wollte schon seit Ewigkeiten ein Thema dazu aufmachen. Aber wenn es schon einen gibt, wollen wir den doch mal wiederbeleben. ^^

    Im Deutschunterricht habe ich die Romantik irgendwie für mich entdeckt. Das Sehnsuchtsmotiv, die Natur, dieses leicht verklärte... das hab ich wirklich gern. Ganz besonders mag ich ja Eichendorff und da auch wieder Mondnacht, was hier ja schon erwähnt wurde.

    Was ich auch schön finde sind Erlkönig und auf jeden Fall Prometheus von Goethe. :D Warum ich Erlkönig mag, kann ich gar nicht mal so pauschal sagen. Doch Prometheus hingegen mag ich wegen dieses typischen Sturm und Drang Motives - Auflehnung gegen Autoritäten, in diesem Falle Gott (Zeus) persönlich. Yeah, Prometheus, zeig's ihm! x3

    Johann Wolfgang von Goethe
    Erlkönig

    Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
    Es ist der Vater mit seinem Kind;
    er hat den Knaben wohl in dem Arm,
    er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

    Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? –
    Siehst Vater, du den Erlkönig nicht?
    Den Erlkönig mit Kron' und Schweif? –
    Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.

    "Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
    Gar schöne Spiele spiel' ich mit dir;
    manch bunte Blumen sind an dem Strand,
    meine Mutter hat manch gülden Gewand."

    Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
    was Erlenkönig mir leise verspricht? –
    Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind:
    In dürren Blättern säuselt der Wind.

    "Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
    Meine Töchter sollen dich warten schön;
    meine Töchter führen den nächtlichen Reihn,
    und wiegen und tanzen und singen dich ein."

    Mein Vater, mein Vater und siehst du nicht dort
    Erlkönigs Töchter am düstern Ort? –
    Mein Sohn, mein Sohn, ich seh' es genau:
    Es scheinen die alten Weiden so grau.

    "Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
    und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt."
    Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an!
    Erlkönig hat mir ein Leids getan! –

    Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,
    er hält in den Armen das ächzende Kind,
    erreicht den Hof mit Mühe und Not;
    in seinen Armen das Kind war tot.

    Prometheus

    Bedecke deinen Himmel, Zeus,
    Mit Wolkendunst!
    Und übe, Knaben gleich,
    Der Disteln köpft,
    An Eichen dich und Bergeshöh'n!
    Mußt mir meine Erde
    Doch lassen steh'n,
    Und meine Hütte,
    Die du nicht gebaut,
    Und meinen Herd,
    Um dessen Glut
    Du mich beneidest.

    Ich kenne nichts Ärmeres
    Unter der Sonn' als euch Götter!
    Ihr nähret kümmerlich
    Von Opfersteuern
    Und Gebetshauch
    Eure Majestät
    Und darbtet, wären
    Nicht Kinder und Bettler
    Hoffnungsvolle Toren.

    Da ich ein Kind war,
    Nicht wußte, wo aus, wo ein,
    Kehrt' ich mein verirrtes Auge
    Zur Sonne, als wenn drüber wär
    Ein Ohr zu hören meine Klage,
    Ein Herz wie meins,
    Sich des Bedrängten zu erbarmen.

    Wer half mir
    Wider der Titanen Übermut?
    Wer rettete vom Tode mich,
    Von Sklaverei?
    Hast du's nicht alles selbst vollendet,
    Heilig glühend Herz?
    Und glühtest, jung und gut,
    Betrogen, Rettungsdank
    Dem Schlafenden dadroben?

    Ich dich ehren? Wofür?
    Hast du die Schmerzen gelindert
    Je des Beladenen?
    Hast du die Tränen gestillet
    Je des Geängsteten?
    Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
    Die allmächtige Zeit
    Und das ewige Schicksal,
    Meine Herren und deine?

    Wähntest du etwa,
    Ich sollte das Leben hassen,
    In Wüsten fliehn,
    Weil nicht alle Knabenmorgen-
    Blütenträume reiften?

    Hier sitz' ich, forme Menschen
    Nach meinem Bilde,
    Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
    Zu leiden, weinen,
    Genießen und zu freuen sich,
    Und dein nicht zu achten,
    Wie ich!

    Tatsächlich sind aber meine drei Lieblingsgedichte gar keine wirklich "klassischen" Gedichte. (Und alle mit einem recht negativen Unterton, wie ich gerade feststelle. o.o) Wie folgt:

    Hermann Hesse - [i

    Traurigkeit[/i]]Die mir noch gestern glühten,
    Sind heut dem Tod geweiht,
    Blüten fallen um Blüten
    Vom Baum der Traurigkeit.

    Ich seh sie fallen, fallen
    Wie Schnee auf meinen Pfad,
    Die Schritte nicht mehr hallen,
    Das lange Schweigen naht.

    Der Himmel hat nicht Sterne,
    Das Herz nicht Liebe mehr,
    Es schweigt die graue Ferne,
    Die Welt ward alt und leer.

    Wer kann sein Herz behüten
    In dieser bösen Zeit?
    Es fallen Blüten um Blüten
    Vom Baum der Traurigkeit.


    Als ich es das erste mal im Kunstunterricht (Thema: Kalligraphie) gelesen habe, war ich einfach nur überwältigt von dem so schön düsteren Ton im Gedicht. Ich fand es wunderschön - wohlgemerkt als einzige. :lol:
    Wenn ich es mir heute anschaue und das Veröffentlichungsdatum betrachte (1944), sehe ich es schon wieder etwas anders. Aber ich mag es auf jeden Fall. ^^

    Nelly Sachs - [i

    Chor der Geretteten[/i]]Wir Geretteten,
    Aus deren hohlem Gebein der Tod schon seine Flöten schnitt,
    An deren Sehnen der Tod schon seinen Bogen strich -
    Unsere Leiber klagen noch nach
    Mit ihrer verstümmelten Musik.
    Wir Geretteten,
    Immer noch hängen die Schlingen für unsere Hälse gedreht
    Vor uns in der blauen Luft -
    Immer noch füllen sich die Stundenuhren mit unserem tropfenden Blut.
    Wir Geretteten,
    Immer noch essen an uns die Würmer der Angst.
    Unser Gestirn ist vergraben im Staub.
    Wir Geretteten
    Bitten euch:
    Zeigt uns langsam eure Sonne.
    Führt uns von Stern zu Stern im Schritt.
    Laßt uns das Leben leise wieder lernen.
    Es könnte sonst eines Vogels Lied,
    Das Füllen des Eimers am Brunnen
    Unseren schlecht versiegelten Schmerz aufbrechen lassen
    Und uns wegschäumen -
    Wir bitten euch:
    Zeigt uns noch nicht einen beißenden Hund -
    Es könnte sein, es könnte sein
    Daß wir zu Staub zerfallen -
    Vor euren Augen zerfallen in Staub.
    Was hält denn unsere Webe zusammen?
    Wir odemlos gewordene,
    Deren Seele zu Ihm floh aus der Mitternacht
    Lange bevor man unseren Leib rettete
    In die Arche des Augenblicks.
    Wir Geretteten,
    Wir drücken eure Hand,
    Wir erkennen euer Auge -
    Aber zusammen hält uns nur noch der Abschied,
    Der Abschied im Staub
    Hält uns mit euch zusammen.


    Veröffentlicht 1946, als Thema der Holocaust (oder Die Shoah). Mir hängt dieses Thema inzwischen zu den Ohren heraus, weil ich es schon zum gefühlt 50sten Mal im Unterricht durchnehmen "durfte" und man es jedes Jahr auch wieder zum Jahrestag des Endes des WW II vorgehalten bekommt. Aber dieses Gedicht hat mich wirklich berührt (zumahl ich nicht leugne, dass es ein wichtiges Thema ist) vor allem durch diesen leicht zynischen Gegensatz zwischen dem Ausdruck "Geretteten" und dem Inhalt des Gedichtes.

    JaffarAnjuhal - [i

    Mein Herz[/i]]Verätz mein Herz
    Und brich mir meine Knochen wieder gerade
    Koch mein Hirn im Eigensaft
    Es schmerzt so gut

    Salz verkrustet meine Wangen
    Und ich lächle strahlend in die Trauer rein
    Fliege frei im Gegenwind
    So regungslos, verdreht auf der tiefroten Straße

    Zerreiß mich zusammen
    Ich will nicht, will doch
    Und ich erzittere, schaudere
    Fürchte die Stille meiner Schreie

    Und ich hasse die Ungewissheit
    Aber die Gewissheit würd mich entflammen
    Fleisch und Knochen zu Asche einen
    Und ich würd frieren

    Dann auferstehen unter Pein
    Achtlos zurückgeworfen in die Welt
    Alle Freiheit, keine Grenzen, keine Aussicht
    Niemanden

    Zerteil mein Herz
    Und brich mir meine Knochen
    Schneid mir die Muskelstränge durch
    Und lach mit mir in Ignoranz

    Lass mich liegen
    Lass mich leiden
    Ich verabscheue den Schmerz
    Doch brauche ihn, denn ohne wüsst ich heut noch nicht
    In meinem Brustkorb schlägt ein Herz


    Ja, eines meiner Lieblingsgedichte ist von einem hier aus dem Forum, dem guten Mar-kun. :D Und ich mag es vor allem, weil ich mich so gut selbst darin sehe.

    »Ein Gelehrter in einem Laboratorium ist nicht nur ein Techniker,
    er steht auch vor den Naturvorgängen wie ein Kind vor einer Märchenwelt.«

    ~ Marie Curie

  • @ Kria

    Oh, den Chor der Geretteten hatten wir damals auch im Unterricht. Das Gedicht von Hermann Hesse kannte ich so noch nicht, aber Hesse liebe ich ja sowieso und das Gedicht ist wunderschön.

    Wenn es um Gedichte geht, bin ich ein großer Bewunderer von Paul Celan.
    Sicher kennen einige hier die Todesfuge. Es ist ein bekanntes Gedicht aus der Nachkriegszeit und sicher auch in vielen guten Deutschbüchern vertreten. Ich war Lyrik schon immer etwas zu getan, aber die Todesfuge von Celan hatte in mir damals zum ersten mal heftige Rührungen ausgelöst, eine tiefe Stimmung, die sich nur schwer mit Eigenschaftswörtern beschreiben lässt. Und das, ohne ein formelles oder augenscheinlich sehr rhythmisches/melodisches Gedicht zu sein. Dass das Gedicht durchaus eine Art Rhythmus besitzt, einen düsteren Singsang sozusagen, zeigt sich letztlich trotzdem - nur war es damals eine Überraschung für mich, da ich, plump gesagt, immer dachte, ein gutes Gedicht müsste sich auch reimen.

    Bis heute bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich dieses Gedicht lese oder vorgetragen bekomme. Der zweite Weltkrieg war mir als Thema in der Schule immer unlieb, nicht wegen der Inhalte, aber wegen der geradezu belästigenden, immerwährenden Präsenz. Das kennen sicher manche: Dass es einem schon aus den Ohren raushängt, und dass man sich fragt, ob es nicht sonst noch was an Weltgeschichte zu wissen gibt.

    Allerdings sticht für mich dieses Werk sehr hervor. Für jemanden aus unserer Generation ist es schwer, sich vorzustellen, wie die Leute damals gelebt haben, was sie durchgemacht haben, wie sich diese Zeit angefühlt hat.
    Man ist zwar vorsichtig, aber auch seltsam teilnahmslos, kann den Schrecken dieser Vergangenheit nie ganz nachvollziehen oder selbst spüren.
    Die Todesfuge durchbricht diese Grenzen für mich. Es ist ein sehr bildliches, sehr sinnliches Gedicht, das stark unter die Haut geht. Während es zunächst wirr erscheint, abstrahiert es jedoch nicht, sondern fügt einzelne Aspekte zu einem großen Bild, einer großen Empfindung zusammen, ohne wirklich abstrakt zu sein.

    Ich empfinde sehr große Ehrfurcht vor diesem Werk. Vor seiner Ehrlichkeit, vor seiner literarischen Stärke, und auch vor dem, was es in einem auslöst.

    Das mag natürlich alles eine sehr subjektive Erfahrung sein, aber so ist es eben. Ich finde es interessant zu hören, warum Menschen etwas bewegt, was sie an einem Gedicht bewegt oder fasziniert.

    Paul Celan - Todesfuge


    Weitere Werke von Celan:


    [SPOILER=Selbdritt, Selbviert]

    [/SPOILER]


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